Denkfehler, die uns Geld kosten (54) : Geld verdienen mit der Schlaftablette
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Dax-Einbruch, Anleihenkrise, Rohstoffhausse: Stets fühlen wir uns gedrängt, darauf zu reagieren. Besser wäre es, die Vorfälle zu ignorieren, wusste schon der große Spekulant André Kostolany.
Meistens dauert es gar nicht lange. Wer sein Geld etwas anspruchsvoller anlegt als auf dem Tagesgeldkonto und dem Sparbuch, der hört bald eine alte Börsenregel: Wenn du reich werden willst, dann kaufe Aktien, nimm eine Schlaftablette - und sieh erst zehn Jahre später nach, was daraus geworden ist. Es ist die berühmteste Börsenweisheit des legendären Spekulanten André Kostolany. Er wollte die Deutschen dazu bringen, ihr Geld schlicht liegen zu lassen, und zwar nach dem Motto: Auf Dauer wird sich das Wirtschaftswachstum schon auszahlen. Doch seit einigen Jahren steht die Regel in Zweifel.
Denn der Blick auf den Deutschen Aktienindex zeigt etwas ganz anderes. Seit zwölf Jahren gehen die Kurse immer wieder hoch und runter, ohne den alten Rekord aus dem Jahr 2001 nennenswert zu übertreffen. Kostolany selbst kann nicht mehr antworten, er ist im Jahr 1999 gestorben. An seine Stelle treten Bankberater und Fondsmanager. Sie werden nicht müde zu betonen, Kostolanys Regel habe ausgedient. Aktionäre müssten heute viel agiler sein als früher und ihre Aktien viel häufiger wechseln.
Aktien öfter wechseln? Wer so denkt, täuscht sich.
Doch dieser Rat verdient einen genaueren Blick, und zwar aus zwei Gründen. Erstens verdienen die meisten seiner Verfechter ihr Geld damit, dass sie den Anlegern Entscheidungen ganz abnehmen. Und zweitens wirkt der Rat intuitiv sehr überzeugend, denn er spricht gleich zwei Denkfehler an, die auch Themen dieser Serie sind: den Aktivitäts-Fehler (wir lehnen uns ungern zurück und tun nichts) und den Wiederholungs-Fehler (wir glauben auch den größten Unsinn, wenn er nur oft genug wiederholt wird), der in der Serie noch folgen wird.
Wie also hat sich die Kostolany-Regel zuletzt geschlagen? Wer vor genau zehn Jahren den Dax gekauft hätte, hätte sein Geld bis heute verdreifacht. Das war aber eine Ausnahme. Denn vor zehn Jahren war der Dax fast am seinem Tiefpunkt. Wer hätte da schon Aktien gekauft? Kaum einer. Und das wird nachher noch wichtig.
Die Alternativen sind schlechter
Erst mal lohnt es sich festzuhalten, dass die meisten Zehn-Jahres-Zyklen der vergangenen Zeit für die Investoren im Dax wenig erfreulich waren. In vielen Fällen bekamen sie nach zehn Jahren gerade knapp so viel Geld heraus, wie sie hineingesteckt hatten. Davon wird man nicht reich.
Wie fahren die Investoren aber mit der Alternative zur Kostolany-Regel? Wenn sie also mal Aktien kaufen und mal verkaufen, zum Beispiel abhängig von der Marktlage? Das wird tatsächlich nachgerechnet, zumindest in den Vereinigten Staaten. In einer Studie haben die Finanzforscher Brad Barber und Terrance Odean schon in den 90er Jahren die Depots einer Discountbank untersucht und ausgerechnet, wie viel Geld die Kunden der Bank tatsächlich verdient haben. Sie haben festgestellt: Während der Aktienmarkt als Ganzes insgesamt 17,9 Prozent Rendite gebracht hätten, schafften die durchschnittlichen Kunden nur 16,4 Prozent - und die aktivsten Trader sogar nur 11,4 Prozent.
Aktive Investoren verdienen zu wenig
Das hat sich auch in der Zwischenzeit nicht geändert. Bis heute rechnet die Firma Dalbar aus, wie viel Geld Amerikas Privatinvestoren tatsächlich verdienen, indem sie untersucht, wann die Amerikaner tatsächlich Fonds kaufen oder verkaufen. Dann errechnen sie die tatsächliche Rendite. Für 2011 war das ein Verlust von 5,7 Prozent - während Amerikas Aktienindex S&P 500 im selben Jahr immerhin ein Plus von 2,1 Prozent brachte. Dafür hat die Firma folgende Erklärung: „Die Investoren haben ihren Ängsten nachgegeben“, schreiben die Forscher, „sie haben lieber Verluste in Kauf genommen, als noch weitere Rückschläge zu riskieren. Unglücklicherweise haben sie das gemacht, gerade bevor die Märkte sich wieder erholt haben - wie so oft.“ Zwischen 1990 und 2010 haben die Privatanleger mit Käufen und Verkäufen im Durchschnitt 3,8 Prozent Rendite im Jahr gemacht. Der Aktienindex brachte es auf durchschnittlich 9,1 Prozent.
Die Deutschen sind nicht anders. Nehmen wir das Jahr 2003, in dem die Aktienkurse auf dem Tiefpunkt waren. Damals wären Aktien attraktiv gewesen, doch die Deutschen hatten die Nase voll. Einige kauften zwar noch zusätzliche Aktien, wie Zahlen des Deutschen Aktien-Instituts zeigen, doch die meisten verabschiedeten sich von den Kapitalmärkten und verkauften sogar ihre Fonds.
Sicher ist also: Mit Schlaftablette vermehrt sich das Geld besser als ohne. Wache und agile Aktionäre schichten zwar ständig ihre Aktien um, aber sie verdienen unter dem Strich trotzdem weniger Geld als jemand, der seine Investments möglichst lange liegen lässt.
Offen bleibt die Frage, welche Aktien man vor der Einnahme der Schlaftablette kaufen sollte. Klar ist: Je besser das Geld verteilt ist, umso sicherer ist der Gewinn. Wer sein Geld in unterschiedliche Länder auf der ganzen Welt schickt, der hat nach zehn Jahren eine höhere Chance darauf, dass tatsächlich etwas daraus geworden ist. Das bleibt riskant, darum legen die meisten Leute einen Teil ihres Geldes sicherer an. Welche Aufteilung dafür richtig ist, dabei können nun wirklich Berater helfen.
Der Activity-Bias
Die Falle: André Kostolany riet Anlegern: Kauft Aktien und lasst sie liegen, dann werdet ihr reich. Doch die Renditen waren viele Jahre lang sehr niedrig. Darum glauben viele Anleger nicht mehr an die Regel.
Die Gefahr: Aktionäre probieren, selbst die Chancen und Risiken von Aktien abzuschätzen. Doch daran scheitern sie meist.
Die Abhilfe: Wenn das Geld gut verteilt ist, kann man es getrost zehn Jahre oder länger liegen lassen. Und zwar ohne sich allzu große Gedanken darum machen zu müssen.