IWH-Studie : Ökonomen warnen vor neuer Bankenkrise
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Düster: Blick auf die Skyline des Frankfurter Bankenviertels Bild: Lando Hass
Die Gefahr von Kreditausfällen wächst. Manche Ökonomen rechnen daher sogar in einem optimistischen Szenario mit einer Bankenkrise. Vor allem Sparkassen und Volksbanken wären gefährdet.
Die Corona-Krise setzt den deutschen Banken zu. Finanzverbünde und Großinstitute berichten über Kreditstundungen im großen Stil. Bei der Deutschen Bank und der zum Konzern gehörenden Postbank etwa hätten rund 70.000 Privatkunden beantragt, Zins- und Tilgungszahlungen auf ihre Darlehen auszusetzen, wie der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank kürzlich im Interview mit der F.A.Z. berichtete.
Die Nachrichtenagentur AFP hat daraufhin bei anderen wichtigen Banken und Bankengruppen abgefragt, wie sie von Zahlungsaufschüben ihrer Kundschaft betroffen sind. Demnach zählten allein die Sparkassen Anfang Juli 189.000 gestundete Verbraucherkredite. Auch die ING erklärte, in den vergangenen Wochen vermehrt Anfragen von Privatkunden nach Tilgungspausen und Tilgungsherabsetzung oder Anträge auf Stundung von Raten erhalten zu haben. Die Targobank habe 47.000 Stundungsanfragen von Privat- und Geschäftskunden erhalten, die Commerzbank verzeichne 33.000 Stundungen.
Bankenkrise würde Wirtschaftskrise verschärfen
Die Frage ist, wie beherrschbar die Zahlungsaufschübe für die Banken sind. Im Fall der Deutschen Bank handele es sich um einen einstelligen Prozentsatz, wie von Rohr der F.A.Z. sagte. Das klingt immerhin signifikant. Die ING bezeichnet die Zahl der Stundungen gemessen am Gesamtbestand ihrer Verbraucherdarlehen als relativ gering. Auch die Hypovereinsbank sprach von einer sehr geringen Zahl betroffener Privatkunden. Die Banken müssen jetzt hoffen, dass ihre Schuldner die Zahlungen wieder aufnehmen, wenn sich ihre finanzielle Lage verbessert. Ansonsten könnte eine Bankenkrise drohen, die wiederum Unternehmen und Verbraucher in Mitleidenschaft zieht.
Drohende Kreditausfälle sind natürlich auch international ein Problem. Die Ratingagentur S&P warnte vergangene Woche vor einer großen Welle, die auf die Banken zurolle und auch Kreditversicherer ziehen schon die Schrauben an. Die Gefahr von Ausfällen besteht auch nicht nur mit Blick auf Konsumentenkredite. Die problematische Situation vieler Unternehmenskunden könnte für die Banken ebenfalls gefährlich werden. So lautet zumindest der Tenor einer Studie, die das Wirtschaftsforschungsinstitut IWH Anfang Juli veröffentlicht hat.
IWH-Präsident Reint Gropp erwartet sogar in einem optimistischen Konjunkturszenario negative Folgen für das Finanzsystem. „Selbst wenn es für die deutsche Wirtschaft sehr gut läuft, halten wir eine neue Bankenkrise für wahrscheinlich“, sagte Gropp, der die Studie zusammen mit den IWH-Finanzmarktforschern Michael Koetter und William McShane verfasst hat. Die Wissenschaftler hatten untersucht, wie anfällig das Firmenkreditportfolio einzelner Banken für Konjunkturschwankungen ist. Sie verknüpften dazu die Finanzkennzahlen von mehr als einer halben Million Unternehmen mit den Bilanzdaten von 1000 Banken.
Gropp empfiehlt, die Banken zu noch mehr haftendem Kernkapital zu verpflichten oder sie mit mehr Kapital auszustatten. Eine Rettung von Banken mit Steuergeld solle jedoch ohne eine systematische Restrukturierung ihres Firmenkreditportfolios ausgeschlossen sein. Die Bankenaufsicht hat die strengen Vorgaben für die Institute zuletzt eher gelockert, um die Kreditversorgung der Wirtschaft nicht abzuwürgen. Zugleich drängten die Bankenaufseher die Institute, auf Ausschüttungen an ihre Aktionäre zu verzichten.
Wunder Punkt der Bankenbranche
IWH-Präsident Gropp sprach anlässlich der Studie auch einen wunden Punkt des deutschen Bankensektors an: Die Überkapazitäten. „Wir denken, dass eine Konsolidierung des deutschen Bankenmarktes, auf dem derzeit zu viele Institute um zu geringe Erträge buhlen, mittelfristig die Produktivität steigern und damit die Wirtschaft beleben wird.“
Ein großes Konsolidierungsprojekt, die Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank, ist allerdings im vergangenen Jahr gescheitert. Der Ende Juni überraschend angekündigte Abgang der Commerzbank-Führungsspitze dürfte jedoch für neue Impulse in Richtung einer Konsolidierung sorgen, wobei nicht nur die Deutsche Bank als möglicher Partner in Frage kommt.
Aus Sicht der IWH-Studie liegt der Brennpunkt einer neuen Bankenkrise allerdings nicht bei den Großbanken. Die Wirtschaftswissenschaftler sehen vor allem kleinere Banken in Gefahr, also Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken. Grund sei, dass diese Banken vor allem mit kleineren und daher besonders krisenanfälligen Unternehmen zusammenarbeiteten. Zudem seien die kleineren Banken stark in Branchen engagiert, die besonders heftig unter der Corona-Krise leiden, wie der Einzelhandel und das Gastgewerbe.