Börsengang : Die bedröppelten Internet-Millionäre
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Die Zalando-Vorstände David Schneider, Robert Gentz und Rubin Ritter (von links nach rechts) packen vor dem Eingang der Frankfurter Börse Päckchen für Passanten. Bild: Eilmes, Wolfgang
Mit viel Tamtam sind Zalando und Rocket Internet an der Börse gestartet. Doch die ersten Tage verliefen nicht ganz nach Plan. Die Chefs lächeln sich tapfer durch die Enttäuschung.
Aus dem Börsengang von „Rocket Internet“ ist eine Lehre zu ziehen: Achtung bei Namen, die zu missliebigen Wortspielen einladen. Rocket, die Rakete! Höchst gefährlich, wenn der Kurs nicht sofort wie gewünscht abhebt.
Punkt neun Uhr startete Rocket Internet am Donnerstagmorgen an der Frankfurter Börse. Es dauerte keine Stunde, schon war vom „Fehlstart der Kursrakete“ zu lesen, vom „Rohrkrepierer“, von der Rakete, die „nicht zündet“. Und Oliver Samwer, der Gründer und Chef der Internet-Plattform, der die Börse hatte „rocken“ wollen, muss von 9.20 Uhr, dem Moment der Erstnotiz, bis zu seinem Abgang aus dem Börsensaal am späten Vormittag gegen den schwachen Kurs anreden. Den Ausgabepreis von 42,50 Euro haben die enttäuschten Premieren-Aktionäre am ersten Tag nicht wieder gesehen.
Ob es sie tröstet, wenn Samwer ein ums andere Mal von seinem langfristigen Blick erzählt? Der Kurs von heute oder morgen zähle nicht, sagt der Rocket-Erfinder: „Mein Fokus liegt auf der Führung des Unternehmens. Man kann den Erfolg nicht anhand der Kursentwicklung über einen Tag oder einen Monat definieren.“ Er denke in Jahrzehnten, so erzählt Samwer, will etwas aufbauen, das ihn überlebt. „Rocket soll synonym mit Qualitätsmarken wie Bosch oder Würth werden.“ Nur, dass Samwer keine Bohrmaschinen herstellt und auch keine Schrauben verkauft, sondern auf der ganzen Welt Internet-Shops hochzieht. Weniger handfest, und zu allem Überfluss im Moment durchgängig defizitär.
Die ganz große Samwer-Show ist missglückt
Trotzdem haben ihm Investoren gerade 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Welchem deutschen Unternehmer ist das zuletzt geglückt? Darauf stoßen die Raketenmänner um 9.45 Uhr an in der IPO-Lounge in der Frankfurter Börse. Dort drängen sich Mitarbeiter, PR-Berater und viele, viele Investmentbanker, die den Börsengang vorbereitet haben (und in jedem Fall daran verdient haben). Dazwischen steht etwas verloren, aber stolz, Vater Samwer, extra aus Köln angereist. Ebenso dabei: Olivers beide Brüder, Marc und Alexander. 20 Jahre lang haben die drei Samwers auf die Börse hingearbeitet: Dieser Tag ist ihr Tag, ihr Triumph. Egal, was der Kurs macht.
Trotzdem: Die ganz große Samwer-Show, die ist missglückt. Nicht nur bei Rocket, sondern am Tag zuvor auch schon bei Zalando, dem Modehändler im Netz, den sie groß gemacht haben und an dem sie weiter 17 Prozent halten. Beim Volk da draußen ist Zalando viel bekannter als Rocket, darum drängeln sich am Mittwoch noch mehr Menschen vor der Börse.
Ein Hauch von Coolness an der Börse
Für die Zalando-Führung beginnt der Tag zunächst erfreulich: Die drei Vorstände Rubin Ritter, David Schneider und Robert Gentz stehen schon um kurz nach acht vor der Börse und schreiten lässig eine Art Catwalk ab, den ihre Mannschaft in der Nacht zuvor für sie aufgebaut hat – eingerahmt zwischen Kleiderpuppen aus der neuesten Zalando-Eigenkollektion und den obligatorischen Zalando-Päckchen. Die drei – alle Anfang 30 – tragen Jeans und Sneakers, nur ein einziger Schlips wird an diesem Morgen gesichtet: die feuerrote Krawatte von Reto Francioni, dem Chef der Deutschen Börse. Er empfängt mit zugeknöpftem Jackett, während die Zalando-Jungs möglichst entspannt dreinblicken. Die Botschaft der Jungspunde ist klar: Coolness siegt – auch an der Börse.
Danach sieht es auch zunächst tatsächlich aus, als es gleich darauf aufs Parkett geht. Hier ist alles bestens für die größte Show vorbereitet, die die Frankfurter Börse seit Jahren gesehen hat. Zalando-Mitarbeiter aus allen Abteilungen des Unternehmens sind da, bewaffnet mit Party-Poppern – kleinen Konfetti-Kanonen, die sie gleich abfeuern wollen. Die Börsenhändler müssen sich den Weg zu ihrem Arbeitsplatz heute durch zahlreiche Zalando-Päckchen bahnen, tun dies aber ohne Murren: Schließlich haben die Zalando-Leute auch dafür gesorgt, dass ein paar langbeinige Models die neueste Kollektion auf dem Parkett präsentieren.
Auf einen phänomenalen Auftakt folgt der Absturz
Um 9.21 Uhr scheint es dann zunächst so, als könne die große Börsenparty den ganzen Tag andauern: Der erste Kurs für die Zalando-Aktie beträgt 24,10 Euro, das sind zwölf Prozent mehr als der Ausgabepreis. Während vom Band eingespielt der spitze Schrei aus der Zalando-Werbung ertönt, prosten sich die Mitarbeiter begeistert zu – mit dem Szenegetränk Red Bull, nicht mit Champagner.