https://www.faz.net/aktuell/finanzen/inflation-im-euroraum-steigt-auf-5-8-prozent-17845538.html

Rekord seit Euro-Einführung : Inflation im Euroraum steigt auf 5,8 Prozent

EZB-Präsidentin Christine Lagarde Bild: EPA

Nicht nur in Deutschland, auch in Europa insgesamt legen vor allem die Energiepreise immer weiter zu. Die Bundesbank hält in Deutschland jetzt 5 Prozent Inflation im Jahresdurchschnitt für möglich. Und fordert, die EZB solle die Normalisierung der Geldpolitik im Blick behalten.

          3 Min.

          Die Inflation im Euroraum ist im Februar auf 5,8 Prozent gestiegen. Das hat das europäische Statistikamt Eurostat am Mittwoch nach einer ersten Schätzung mitgeteilte. Im Januar hatte die Rate noch bei 5,1 Prozent gelegen.

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Die Februar-Inflationsrate ist damit die höchste seit der Euro-Einführung. Teurer wurde vor allem Energie, aber auch Lebensmittel und Dienstleistungen. Der Schätzung zufolge verteuerte sich Energie im Februar gegenüber dem Vorjahresmonat um stolze 31,7 Prozent, nach 28,8 Prozent im Januar, gefolgt von Lebensmitteln, Alkohol und Tabak mit einem Preisanstieg um 4,1 Prozent. Industriegüter ohne Energie wurden 3 Prozent teurer, Dienstleistungen 2,5 Prozent, nach 2,3 Prozent im Januar.

          Die Bundesbank unter dem neuen Präsidenten Joachim Nagel hält jetzt für Deutschland 5 Prozent Inflation im Jahresdurchschnitt für möglich. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die deutsche Wirtschaft ließen sich noch nicht verlässlich abschätzen, erklärte die Bundesbank. Ein weiterer Energiepreisschub werde sich aber auf die Inflation auswirken: „Für den Euroraum ist ebenfalls eine hohe Inflationsrate zu erwarten“, sagte Nagel. Die Normalisierung der Geldpolitik müsse daher im Blick behalten werden.

          In Deutschland war die Inflation im Februar nach nationaler Rechenweise auf 5,1 Prozent gestiegen. Nach der europäischen Rechnungsweise des Harmonisierten Verbraucherpreisindex liegt die Inflation sogar schon bei 5,5 Prozent.

          Hohe Raten in den baltischen Ländern

          In anderen Euroländern ist die Inflation dabei zum Teil noch deutlich höher als in Deutschland; so sind die Raten in den baltischen Ländern zum Teil längst zweistellig. In Litauen liegt die Inflation jetzt bei 13,9 Prozent, ist Estland bei 12,4 Prozent. Relativ niedrig war sie lange in Frankreich gewesen, unter anderem wohl auch aufgrund  Preisdeckeln. Dort ist die Inflation im Februar nun allerdings auch gestiegen, nach europäischer Rechenweise von 3,3 auf 4,1 Prozent. In Italien legte sie sogar von 5,1 auf 6,2 Prozent zu. Das war die höchste Rate seit der Euroeinführung - zu Lire-Zeiten hatte Italien allerdings auch schon ganz andere Inflationsraten verzeichnet.

          Dabei zeigen sich die Folgen des Angriffs Russlands auf die Ukraine in diesen Zahlen noch kaum; die Erhebung der Daten hat eine gewisse Zeitverzögerung. Die Energiepreise sind aber seither noch mal erheblich weiter gestiegen. Unter anderem liegt der Ölpreis jetzt erstmals seit langer Zeit wieder bei mehr als 100 Dollar je Fass. Auch der ohnehin schon hohe Gaspreis hat weiter zugelegt. Und die Benzinpreise eilen von Tag zu Tag von einem historischen Höchststand zum nächsten: Super E10 etwa kostet jetzt erstmals in der Geschichte mehr als 1,80 Euro je Liter. Auch der Preis für Heizöl hat mit 112 Euro je 100 Liter am Dienstag ein neues Allzeithoch erreicht.

          Hoffnungen mancher Ökonomen, die Inflation werde schon zum Jahreswechsel deutlich zurückgehen, haben sich als trügerisch erwiesen. Zwar fielen Sondereffekte rund um die Pandemie, etwa aus der vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer in Deutschland, aus der Inflationsmessung heraus. Aber gegenläufige Effekte haben das offenbar mehr als ausgeglichen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat zuletzt eingestanden, dass die höheren Inflationsraten länger andauerten als ursprünglich gedacht.

          Hebt EZB Zinsen noch in diesem Jahr an?

          In der nächsten Woche trifft sich der EZB-Rat zur geldpolitischen Sitzung. Präsidentin Christine Lagarde hatte sich am Freitag sehr zurückhaltend zu der Frage geäußert, ob die EZB die Straffung ihrer Geldpolitik jetzt verschiebt. Der griechische Notenbankchef Yannis Stournaras hatte gefordert, die Notenbank solle auf dem ultralockeren Kurs bleiben und weiter Anleihen kaufen, mindestens bis zum Jahresende, und Zinssenkungen formell vom Tisch nehmen. Das scheint aber nicht die Mehrheitsmeinung zu sein.

          An den Finanzmärkten wird erwartet, dass die Notenbank vorsichtiger agieren wird als ursprünglich geplant - dass sie auf die geldpolitische Wende aber nicht ganz verzichtet, wenn die Situation nicht noch weiter eskaliert. Derzeit sei die Lage so unsicher, dass die EZB sich in der Frage kommende Woche zurückhalten dürfte, sagte der Ökonom Holger Schmieding. Aber die Chancen stünden weiterhin gut, dass die Wirtschaft nach einem kräftigen Dämpfer in den kommenden Monaten dann im Sommer und Herbst wieder auf kräftigen Expansionskurs einschwenken könne. „Dann wird bei einer Inflation, die auch dann weiterhin deutlich über der Zielmarke von 2 Prozent liegen dürfte, ein erster Zinsschritt im Dezember möglich sein“, meinte Schmieding: „Vorläufig ist das aber noch kein Thema; mich würde es wundern, wenn die EZB dies im März kategorisch ausschließen würde.“

          Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank, meint: „Vor der Eskalation der Ukraine-Krise hatten selbst Tauben wie EZB-Chefvolkswirt Lane über eine mögliche Normalisierung der Geldpolitik gesprochen. Grundsätzlich neigte also eine Mehrheit im EZB-Rat dazu, wegen der hohen Inflation den Fuß vom Gas zu nehmen.“ Ob die EZB das auch tatsächlich tun werde, hänge maßgeblich davon ab, ob Russland auf die westlichen Sanktionen mit einem Einstellen seiner Gaslieferungen reagiere oder nicht. „Käme es dazu, drohte eine Energiekrise, die die Wirtschaft im Euroraum empfindlich treffen würde.“ Wenn sich das bereits im Vorfeld der EZB-Sitzung am 10. März abzeichnete, würde die EZB wohl nicht beschließen, ihre Netto-Anleihekäufe per September einzustellen, meinte Krämer: „Liefern die Russen dagegen weiter Gas und blieben die Finanzmärkte relativ ruhig, dann dürfte die EZB im März ein Auslaufen der Anleihekäufe beschließen, aber mit Blick auf mögliche spätere Zinserhöhungen mehr denn je auf die Entwicklung der makroökonomischen Daten verweisen.“

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 16. März im Deutschen Bundestag.

          Vor dem Koalitionsausschuss : Papa muss es richten

          Die Koalition droht ihre Dauerkrise zum Markenzeichen zu machen. Scholz kann aber darauf bauen, dass Grüne und FDP sich einig sind, bedingungslos beieinander zu bleiben. Das ist die neue Form der Alternativlosigkeit.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.