Erste Schätzung : Inflation im Euroraum sinkt im Januar auf 8,5 Prozent
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Die Inflation hat etwas abgenommen. Bild: Picture Alliance
Die Teuerung im Euroraum geht überraschend stark zurück. Warum hat Deutschland erstmals seit Menschengedenken seine Inflation nicht veröffentlicht?
Die Inflationsrate in Europa ist im Januar spürbar gesunken. Wie das europäische Statistikamt Eurostat am Mittwoch nach einer ersten Schätzung mitteilte, lag sie bei 8,5 Prozent. Damit setzte sich der Rückgang der Teuerung vom Ende vergangenen Jahres fort. Die Rate hatte im vergangenen Oktober mit 10,6 Prozent ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht und war im November auf 10,1 und im Dezember auf 9,2 Prozent gesunken.
Hauptgrund für den Rückgang war eine gewisse Beruhigung bei den Energiepreisen. Diese sanken im Vergleich zum Vormonat um 0,9 Prozent. Leicht rückläufig waren auch die Preise für Dienstleistungen mit minus 0,2 Prozent und die für Industriegüter ohne Energie mit minus 1,8 Prozent. Lebensmittel dagegen stiegen weiter im Preis. Gegenüber dem Vormonat lag der Anstieg bei 1,4 Prozent, gegenüber dem Vorjahresmonat bei 14,1 Prozent.
Die Kernrate der Inflation, das ist die Teuerung ohne stark schwankende Preise wie die für Energie und Lebensmittel, verharrte bei 5,2 Prozent. Sie liegt damit weiterhin auf dem höchsten Wert seit der Euro-Einführung und zeigt, dass durchaus noch einiges an Inflationsdruck vorhanden ist.
Viele Ökonomen hatten mit einer höheren Inflationsrate gerechnet. Bei dieser Entwicklung spielten offenbar einige statistische Besonderheiten ebenso eine Rolle wie staatliche Eingriffe bei den Energiepreisen in einigen Ländern. Je nach Euroland war die Situation unterschiedlich. So stieg die Inflationsrate beispielsweise in Lettland von 20,7 auf 21,6 Prozent. Auch in Spanien und Frankreich legte die Rate zu, in Italien dagegen ging sie zurück, von 12,3 auf 10,9 Prozent.
„Die Inflationszahlen zu Jahresbeginn zeigen es einmal mehr: Die Zielmarke von 2 Prozent liegt für die Europäische Zentralbank noch in weiter Ferne“, kommentierte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Bei dieser Größenordnung sei am Ende unerheblich, dass Anpassungen des Wägungsschemas für die Inflationsberechnung und Änderungen bei den staatlichen Energiemarktinterventionen die Preismessung im Januar stark beeinflusst hätten.
Christoph Weil, Ökonom der Commerzbank, sagte: „Der überraschend starke Rückgang der Inflationsrate im Euroraum dürfte bei vielen die Hoffnung nähren, dass die EZB ihre Leitzinsen vielleicht doch nicht so stark anhebt, wie bislang erwartet.“
Doch dafür gebe es keinen Grund: Der unterliegende Preisauftrieb im Euroraum habe nicht nachgelassen, schließlich verharre die wichtige Kernteuerungsrate auf hohem Niveau. Diese sei sogar nur deshalb nicht gestiegen, weil durch die turnusgemäße Anpassung des Warenkorbs der Statistiker für die Berechnung der Inflationsrate beispielsweise der übliche Rückgang der Preise für Pauschalreisen zu Jahresbeginn mit einem etwa doppelt so hohen Gewicht in die Berechnungen eingegangen sei wie noch im Januar 2022: „Das allein dürfte die Kernrate der Inflation um etwa 0,1 Prozentpunkte gedrückt haben“, meint Weil.
Keine Inflationsrate aus Deutschland veröffentlicht
Eine Besonderheit bei der Inflationsrate gab es diesmal in Deutschland: Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat keine eigene Inflationsrate für Januar veröffentlicht. Das soll voraussichtlich erst in der kommenden Woche passieren.
Begründet wurde der ungewöhnliche Schritt mit Software-Problemen. Diese sollen im Zusammenhang mit einer „Revision“ aufgetreten sein, einer regelmäßig vorgenommenen Rebasierung für den Verbraucherpreis-Index. Schon die einzelnen Bundesländer hatten Schwierigkeiten, ihre Inflationsraten zu berechnen.
Das europäische Statistikamt Eurostat, das normalerweise den Wert aus Deutschland braucht, um die europäische Inflationsrate auszurechnen, hat deshalb mit einer Schätzung für Deutschland gearbeitet, die aber nicht veröffentlicht wurde. Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank, sagte, so etwas habe er in der langen Zeit seiner Berufstätigkeit noch nicht erlebt. Er äußerte kein Verständnis dafür, dass, wenn es eine Schätzung für Deutschland gebe, mit der Eurostat jetzt arbeite, diese nicht veröffentlicht werde.
Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass die Inflationsrate im Laufe des Jahres weiter sinken wird. Das muss aber nicht bedeuten, dass die Inflation damit weitgehend verschwindet. In vielen Prognosen wird damit gerechnet, dass die Teuerung im Jahresdurchschnitt bei 5 bis 7 Prozent verbleibt.
Wie reagiert die Europäische Zentralbank?
Diese weitere Entwicklung der Inflation ist auch für die Europäische Zentralbank wichtig: Am Donnerstag trifft sich der EZB-Rat, um über die künftige Geldpolitik der Notenbank des Euroraums zu entscheiden. Es wird damit gerechnet, dass die EZB die Zinsen abermals um 0,5 Prozentpunkte anhebt. Zudem dürfte sie Details zu Reduzierung ihrer billionenschweren Anleihebestände veröffentlichen.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zuletzt beim Jahresauftakt der Deutschen Börse recht klar gesagt, die Zinsen müssten weiter steigen. Ähnlich hatte sich Bundesbankpräsident Joachim Nagel geäußert. Es hatte aber auch schon Stimmen aus dem EZB-Rat gegeben, die etwas zurückhaltender klangen.
Jari Stehn, Europa-Chefvolkswirt der Investmentbank Goldman Sachs, sagt nun eine Zinserhöhung der EZB um jeweils 0,5 Prozentpunkte im Februar und März vorher – sowie eine vorerst letzte Zinserhöhung im Mai um 0,25 Prozentpunkte.