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EZB zur Zinswende : Höhere Sparzinsen hängen auch von den Sparern ab

Isabel Schnabel ist Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank. Bild: Frank Röth

EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel diskutiert mit der bankenkritischen Bürgerbewegung Finanzwende über die drückende Inflation, hohe Bankengewinne – und die notwendige grüne Transformation.

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          Raus aus den Hinterzimmern, rein in die offene Weite des Internets: Das will die vom früheren grünen Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick gegründete „Bürgerbewegung Finanzwende“ erklärtermaßen auch für die geldpolitische Diskussion erreichen. Am Dienstagabend stellte sich EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel in einem Webcast von Finanzwende („Wir kämpfen für ein nachhaltigeres und ge­rechteres Finanzsystem“) der netzweiten Diskussion um Inflation, Bankengewinne und grüne Transformation.

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Wer gehofft hatte, Schnabel könne hinsichtlich der Inflation schon etwas Entwarnung geben, sah sich getäuscht: „Meine zentrale Sorge ist, dass die Inflation mittelfristig zu hoch bleibt“, hob die EZB-Vertreterin hervor. Den schon etwas zu­rückgehenden Inflationsraten stellte sie die sogenannte zugrundeliegende Inflation („ein etwas sperriger Begriff“) gegenüber, die eine höhere Persistenz aufweise, also einen unerfreulichen Hang zum Bleiben zeige. Gemessen werde diese etwa an der Rate der Kerninflation, das ist die Teuerung ohne stark schwankende Preise wie die für Lebensmittel und Energie.

          Schnabel nannte aber nicht nur das dauernde Auf und Ab der Lebensmittel- und Energiepreise als Nachteil für einen Maßstab der Inflation. Über diese Preise werde auch vielfach außerhalb des Euroraums entschieden, wie etwa den Ölpreis. Sie entzögen sich deshalb in erheblichem Maße der Beeinflussung durch die EZB. Deshalb widme die Notenbank der Kerninflation derzeit besondere Aufmerksamkeit. Diese aber sei zuletzt weiter „außerordentlich hoch“ gewesen – 5,2 Prozent, Rekord seit Einführung des Euros.

          Löhne sind gestiegen - aber nicht die Reallöhne

          Auch die Lohnentwicklung habe die EZB genau im Blick, sagte Schnabel. Zwar seien die Reallöhne, also die Löhne nach Abzug der Inflation, zuletzt gesunken. Genau das aber werde Arbeitnehmer und Gewerkschaften bei den nächsten Tarifverhandlungen zu dem Versuch bewegen, den Kaufkraftverlust ausgleichen zu wollen. Wenn man über Löhne spreche, müsse man aber auch über die Gewinne der Unternehmen sprechen, hob die EZB-Vertreterin hervor. Über die Fiskalpolitik der Staaten im Euroraum sagte sie, diese sei zuletzt „außerordentlich expansiv“ gewesen. Ein großer Teil der Energiepreishilfen seien Subventionen für fossile Energieträger gewesen – nur ein geringer Teil entfalle auf Investitionen: „Das wird mittelfristig inflationär wirken“, meinte Schnabel. Über die geldpolitische Straffung der EZB sagte sie, es werde dauern, bis man Auswirkungen davon auf die Inflation sehen werde – bislang lasse sich das noch nicht ausmachen.

          Michael Peters von Finanzwende sprach die für Bankkunden unerfreuliche Situation an, dass Banken die höheren EZB-Zinsen zwar relativ schnell an Kreditnehmer weitergeben, Sparer aber weiter sehr wenig Zinsen bekommen. Schnabel sah dafür jedenfalls nicht die EZB in der Verantwortung. Die Gruppe der Banken sei sehr heterogen, hob sie hervor. Es gebe ja auch schon Banken, die höhere Zinsen zahlten. Die Entwicklung hänge natürlich stark von der Wettbewerbssituation ab: Wenn Einleger begönnen, ihre Einlagen zinsabhängig zu verschieben, werde es nicht lange dauern, bis Banken reagierten: „Das hängt also auch davon ab, wie zinssensibel die Einleger reagieren.“

          Finanzwende beschäftigen Fragen wie die Regulierung von Banken und Schattenbanken sehr. Schnabel stimmte sofort zu, dass es keine gute Lösung sei, wenn die Zentralbanken immer als „Feuerwehr“ einspringen müssten, wo Prävention besser gewesen wäre. Sie meinte gleichwohl: „Im Bereich der Bankenregulierung hat man viel erreicht.“ Das sei ein Grund gewesen, warum die Banken in der Pandemie relativ stabil dagestanden hätten. Gleichwohl seien in diesem Prozess Risiken in den nicht regulierten Teil des Finanzmarktes abgewandert. Das müsse man im Auge haben: Die jüngsten Turbulenzen in Großbritannien um die Pensionsfonds hätten gezeigt, wie schnell eine Instabilität des Systems aus einem Bereich entstehen könne, den man so „nicht auf dem Schirm gehabt“ habe.

          „Grüne“ Kriterien bei Unternehmensanleihen

          Teilnehmer des Webcasts erkundigten sich auch nach der Rolle der Geldmenge für die Geldpolitik. Schnabel sagte, einen ganz einfachen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation gebe es offenkundig nicht. Zeitreihen zeigten etwa, dass es Phasen gegeben habe, in denen die Geldmenge stark zugenommen habe, ohne dass es zu Inflation kam. Die EZB verfolge das nicht mehr so stark wie früher die Bundesbank. „Ich will nicht sagen, dass die Geldmenge nicht informativ ist“, sagte sie. Im Moment aber spielten andere, aussagekräftigere Faktoren eine wichtigere Rolle.

          Ausführlich widmete sich Schnabel auch den Fragen von Finanzwende zur grünen Transformation. Die EZB tue schon etwas, aber sie müsste mehr machen, um den Pariser Klimazielen gerecht zu werden, war ihre Botschaft. Sie erwähnte, dass die Notenbank etwa „grüne“ Kriterien anlege, wenn sie Geld aus fällig werdenden Unternehmensanleihen wieder investiere. Zur Begründung, warum die Währungshüter sich um solcherlei Dinge jenseits der Inflationsbekämpfung überhaupt kümmern dürfen, führte Schnabel aus, die EZB habe neben dem sogenannten Primärziel auch noch ein Sekundärziel: „Wenn es die Preisstabilität nicht beeinträchtigt, dann sind wir sogar verpflichtet, die allgemeine Wirtschaftspolitik der EU zu unterstützen.“

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