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Geschäftsjahr der Assekuranz : Versicherer landen hart

Altersvorsorge anders: Diese Frankfurter halten sich mit einem morgendlichen Work-out fit. Bild: Tom Wesse

Die Zinswende hat die Assekuranz Geschäft gekostet. Vor allem die Lebensversicherung gegen Einmalbeitrag hat stark verloren. Sie sieht sich aber in einer guten Verhandlungsposition für die neue Altersvorsorge.

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          Die Versicherungswirtschaft war auf eine fast heimliche Art Profiteur des Niedrigzinses. Natürlich haben Lebensversicherer schwer an den niedrigeren Ertragschancen zu knabbern gehabt. Aber ihre hohen Bewertungsreserven haben sie im Vergleich aller Geldanleger oft attraktiv erscheinen lassen. Über viele Jahre konnten sie dadurch bessere Verzinsungen bieten als Wettbewerber.

          Philipp Krohn
          Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.

          Mit der Zinswende ist diese zwar herausfordernde, aber zumindest teilweise auch komfortable Ausgangslage vorbei. Denn die Reserven sind geschmolzen, der Marktzins ist höher als die laufende Verzinsung von Versicherern. Somit verliert auch das Geschäft gegen Einmalbeitrag an Schwung. Dass die deutsche Lebensversicherung im vergangenen Jahr einen starken Beitragsrückgang zu verzeichnen hatte, hat vor allem mit diesem Umstand zu tun.

          Um 18 Prozent sind die Einnahmen gegen Einmalbeitrag zurückgegangen. Zuvor waren solche Policen zum Teil zum Parken abgelaufener anderer Geldanlagen genutzt worden. Der Branche war immer klar, dass diese kurzfristigen Verträge nur so lange von Interesse sein würden, wie sie etwas höhere Zinsen abwerfen als andere Anlageformen.

          Geschäft gegen laufenden Beitrag lief stabil

          Zufrieden zeigte sich Norbert Rollinger, Präsident des Branchenverbands GDV, am Donnerstag deshalb über die relative Stabilität des Altersvorsorgegeschäfts. In einer Online-Pressekonferenz stellte er die Geschäftszahlen der 460 Mitgliedsunternehmen im vergangenen Jahr vor. Lebensversicherungen gegen laufenden Beitrag hätten sogar ein leichtes Einnahmeplus von 0,6 Prozent verzeichnet. Die Stornoquote sei mit 2,6 Prozent aller Verträge auf Jahressicht konstant geblieben. In der betrieblichen Altersvorsorge ist das Neugeschäft um 13 Prozent gewachsen.

          Dagegen ist das Geschäft mit Riester-Renten erheblich zurückgegangen. Das unterstreiche, wie nötig eine Reform der privaten Altersvorsorge sei, wie sie nun in der Fokusgruppe private Altersvorsorge unter Vorsitz des Bundesfinanzministeriums angestrebt wird. Diese hat in dieser Woche ihre Arbeit aufgenommen und soll bis zur Sommerpause ein Konzept vorlegen, das im Herbst in ein Gesetzgebungsverfahren münden soll.

          „Alle sind sich einig, nach 20 Jahren ohne grundlegende Änderungen braucht die private Altersvorsorge einen Neuanfang“, betonte Rollinger. Riester habe sich als zu komplex erwiesen. Die Kombination aus einer verpflichtenden 100-prozentigen Bruttobeitragsgarantie und einem rekordniedrigen Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent habe dazu geführt, dass das Produkt von Versicherern nicht mehr profitabel angeboten werden könne. „Es geht einfacher, renditestärker und nachhaltiger“, sagte er.

          Assekuranz für Reform von Riester oder Bürgerrente

          Die Versicherer gehen mit zwei Angeboten in die Verhandlungen: entweder das bestehende System zu reformieren und die Fördersystematik zu entschlacken oder ein ganz neues Konzept einzuführen, das sie Bürgerrente nennen. Für jeden Euro, den Haushalte sparten, solle der Staat 50 Cent Förderung drauflegen. Das Garantieniveau solle auf 80 Prozent der Beiträge gesenkt werden, um so attraktivere Renditen zu ermöglichen.

          Zu Rentenbeginn soll ein großer Teil des Kapitals in eine monatliche Rente verwandelt werden, aber mehr Geld als bisher soll auch ohne Verlust der Förderung zum Start des Ruhestands als Einmalzahlung entnommen werden können. Im Gegensatz zur Fondsindustrie bestehen die Versicherer aber generell auf der lebenslangen Leibrente. „Egal wie alt ein Mensch wird, das können nur wir Versicherer“, sagte Rollinger.

          Die stark gefallenen Einmalbeiträge haben die Geschäftszahlen der Branche insgesamt ins Minus gezogen. Über die drei Sparten Leben, Schaden und Kranken fielen die Einnahmen um 0.7 Prozent. Nach dem Rekordschadenjahr 2021 sei die Assekuranz davon ausgegangen, die Ausgaben senken zu können. Aber die Inflation hat Werkstatt-, Baustoffleistungen und Streitwerte in der Rechtsschutzversicherung verteuert. „Höhere Preise führen zu höheren Leistungen der Versicherer, ein gleicher Schaden kostet heute mehr als vor einem Jahr“, sagte Rollinger, der im Hauptamt die Wiesbadener R+V-Versicherung führt.

          Kranken- und Schadensparte sind gewachsen

          Bei einem Wachstum von 4 Prozent war die Schaden-Unfallsparte nach dem Verlustjahr durch das Unwetter Bernd diesmal profitabel. Die Einnahmen der Krankenversicherung stiegen um 1,8 Prozent. Die Pflegeversicherung kam durch eine starke Leistungsausweitung der gesetzlichen Versicherung zweistellig voran. Die Zahl der Krankenvollversicherten ging um 0,6 Prozent zurück.

          Für das kommende Jahr sorgt sich Rollinger weniger um diese beiden Sparten. „In der Lebensversicherung ist die Verunsicherung momentan am höchsten“, sagt er. Die Zinsentwicklung bremse das Geschäft, führe aber zu attraktiveren Konditionen. Das könne sich im zweiten Quartal verbessern, wenn Haushalte über Lohnerhöhungen und staatliche Unterstützungen verfügten.

          Hauptgeschäftsführer Asmussen zeigte sich optimistisch, dass die Politik die Förderung in einem neuen Vorsorgemodell dynamisieren könne und die Kinderzulage auf 300 Euro unabhängig vom Jahrgang der Kinder vereinheitlichen könne. Rollinger warb damit, dass die Versicherer als erste Branche ihren ökologischen Fußabdruck für einen Teil der Kapitalanlage von 1,9 Billionen Euro beziffern könne: Mit jedem Aktieninvestment von einer Million Euro sei der Ausstoß von 71 Tonnen CO2-Äquivalenten verbunden.

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