Geldpolitik-Theorie : Monetäre Staatsfinanzierung durch die Hintertür
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Euro und Dollar können die dahinterstehenden Zentralbanken in beliebiger Höhe erschaffen – theoretisch. Bild: dpa
Vertreter der sogenannten modernen Geldtheorie betonen, dass ein Staat in der eigenen Währung nicht pleitegehen kann. Populistische Politiker werden ihre Theorie nutzen.
Dirk Ehnts ist ein deutscher Vertreter der sogenannten modernen Geldtheorie (Modern Monetary Theory – MMT), die nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern zunehmend auch in Europa diskutiert wird. In einem Gastbeitrag, der am 11. Mai auf FAZ.NET erschienen ist, zitiert er mich mit folgender Aussage: „Verfechter der ‚modernen Geldtheorie‘ fordern, dass sich Staaten nach Bedarf durch die Notenpresse finanzieren.“
Ehnts schreibt nun, dass diese Aussage von mir unwahr ist. Unwahr ist, dass dieser Satz von mir kommt. Stattdessen stammt er aus einem redaktionellen Vorspann, an den sich ein Gastkommentar von mir anschließt, der am 15. April in der „Europlatz Frankfurt“-Kolumne der F.A.Z. erschienen ist.
Aber der Satz fasst den impliziten Appell der neuen Lehre ganz gut zusammen. Die Äußerungen der amerikanischen Vertreter dieser Lehre (auf diese habe ich mich bezogen) erwecken nämlich den Eindruck, dass sich Staaten durch die Notenpresse finanzieren sollten.
Das folgt zunächst aus den Kernthesen der MMT. Deren amerikanische Vertreter betonen, dass ein Staat in eigener Währung nicht pleite gehen kann, weil die Zentralbank ja Teil des Staates ist und in einem Papiergeldsystem beliebig viel Geld für den Finanzminister schaffen kann. Außerdem empfehlen sie, dass der Staat deutlich höhere Defizite fahren sollte, um mit mehr Staatsausgaben für eine ordentliche Auslastung der Wirtschaft zu sorgen.
Die implizite Botschaft ist klar: Der Staat kann sich ruhig hoch verschulden, weil die Zentralbank ihn im Falle der Fälle rauspauken wird. Das ist zumindest potentielle Staatsfinanzierung durch die Notenpresse.
Aber die MMT-Ökonomen gehen noch weiter. So antwortete Stephanie Kelton, eine amerikanische MMT-Vertreterin, am 4. April auf die Frage eines deutschen Journalisten, ob Politiker nicht teure, aber nutzlose Wahlgeschenke finanzieren, wenn sie Zugriff auf die Notenpresse bekommen: „Auch die Notenbank Federal Reserve ist Teil des Staates, am Ende untersteht sie dem amerikanischen Kongress. Wenn das Parlament morgen 30 Milliarden Dollar mehr ausgeben wollte, dann könnte es das einfach tun.“
Herr Ehnts wird jetzt einwenden, dass Frau Kelton damit monetäre Staatsfinanzierung nicht explizit gefordert hat. Explizit hat sie das in der Tat nicht.
Aber populistische Politiker werden ihre Theorie nutzen, um die Finanzierung von Staatsausgaben durch die Notenpresse zu rechtfertigen. Wissenschaftler tragen auch Verantwortung dafür, wozu ihre Theorien verwendet werden. Deshalb habe ich in meiner Kolumne vom 15. April kritisch analysiert, was monetäre Staatsfinanzierung für eine Volkswirtschaft bedeuten würde.
Dr. Jörg Krämer ist Chefvolkswirt der Commerzbank AG.