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Versorgungseinrichtungen : Zusatzversorgungskassen in der Zange

Finanzstark, aber vom Niedrigzins ausgebeutet: Auch Beschäftigte des Erzbistums Köln spüren die neue Normalität der Kapitalmärkte. Bild: Edgar Schoepal

Angestellte der Kirchen und der öffentlichen Verwaltung sind vom Niedrigzins betroffen. Eine Studie erklärt, was Versorgungseinrichtungen besonders belastet.

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          Die Geschäftsberichte der Lebensversicherer werden regelmäßig von Institutionen wie dem Map-Report oder Assekurata analysiert. Deshalb herrscht eine gewisse Transparenz über ihre Leistungskraft. Über Pensionseinrichtungen lassen sich immerhin Informationen der Bafin zusammentragen. Doch ein Überblick über die Zusatzversorgungskassen (ZVK) lässt sich kaum ohne größeren Aufwand verschaffen. Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht die größte Einrichtung, die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL), schon vor 16 Jahren ermahnt hat, das Satzungswerk habe „eine Komplexität erreicht, die es dem einzelnen Versicherten kaum mehr ermöglicht, zu überschauen, welche Leistungen er zu erwarten hat“. Seither sind die Regeln nicht einfacher geworden. Zudem gewährt weniger als die Hälfte der Einrichtungen ihren Mitgliedern oder anderen Interessierten einen Einblick in die Geschäfte auf ihrer Internetseite.

          Philipp Krohn
          Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.

          Das ist der Ausgangspunkt für eine neue Untersuchung der beiden Vorsorgefachleute und Mathematiker Werner Siepe und Friedmar Fischer, die der F.A.Z. exklusiv vorliegt. Die Kassen stünden „angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase und der stetig steigenden Lebenserwartung unter erheblichem Handlungsdruck“, heißt es darin. Die niedrigen Anleihezinsen träfen insbesondere Kassen, die ihre Leistungen vollständig durch Kapital decken.

          Um ihre künftigen Verpflichtungen zu bewerten, verwendeten sie zudem häufig Sterbetafeln, die den Trend zu einer immer stärkeren Alterung noch weit weniger berücksichtigt hätten als die Tafeln von Versicherern. Viele Kassen allerdings gäben keine Auskunft darüber, welche Sterbetafeln sie einsetzen. „Weniger Komplexität und mehr Transparenz – beides sollte künftig im Vordergrund stehen“, fordern die Autoren.

          Von den vielen Trägern der Altersvorsorge in Deutschland zählen die Zusatzversorgungskassen zu den kompliziertesten. Für 5,3 Millionen Angestellte im öffentlichen Dienst und bei Kirchen kümmern sie sich um Zahlungen, welche die gesetzliche Rente ergänzen. Hinzu kommen 6,2 Millionen beitragsfrei Versicherte, die nach dem Ausscheiden aus dem öffentlichen oder kirchlichen Dienst aktuell keine Beiträge einzahlen. Anders als in den artverwandten Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung sind die Mitglieder allerdings pflichtversichert.

          Die 23 Kassen setzen teilweise auf ein Umlageverfahren, teilweise sind die Anwartschaften aber auch kapitalgedeckt. Anders als Lebensversicherer oder Pensionskassen unterstehen sie nicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), sondern des Bundesfinanzministeriums oder den Landesministerien für Finanzen oder Inneres.

          Etliche Einrichtungen haben Beitragssatz erhöht

          Anders als Lebensversicherer kalkulieren die Kassen nicht mit einem Höchstrechnungs- (oder Garantie-)Zins. 2002 wurde ein einheitliches Punktesystem eingeführt. Für den Übergang mussten die Einrichtungen Startgutschriften gewähren, um die es viele rechtliche Auseinandersetzungen gibt (F.A.Z. vom 23. Juni). Durchschnittlich rechnen sie mit einem Rechnungszins von vier Prozent (3,25 Prozent in der Ansparphase und 5,25 Prozent in der Rentenphase). Beide Zinssätze sind zu hoch, gemessen an den derzeitigen Kapitalmarktbedingungen. Deshalb heben die meisten Kassen ihre Umlagen und Beiträge seit 2015 deutlich. Das Punktemodell sieht einen Beitragssatz von vier Prozent des Bruttogehalts vor. Wie sich das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufteilt, hängt von der Kasse ab.

          Etliche Einrichtungen haben den Beitragssatz inzwischen erhöht: die ZVK der bayerischen Gemeinden auf 4,8 Prozent, die kommunale ZVK Westfalen-Lippe von 4,8 auf 5,9 Prozent. Die Kirchliche ZVK Köln sträubte sich lange dagegen, den Beitragssatz zu erhöhen, hob ihn dann aber ab 2013 auf 4,8 Prozent und ab diesem Jahr auf 5,3 Prozent – bis 2025 könnte er sogar auf 7,1 Prozent steigen. Andere Kassen sind umlagefinanziert. Die VBL hat einen Beitragssatz von 8,16 Prozent, den mit 6,45 Punkten der Arbeitgeber trägt. Auch andere Einrichtungen haben für den umlagefinanzierten Teil einen Zusatzbeitrag der Arbeitgeber von bis zu vier Prozent festgelegt.

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