„Home bias“ : Patriotismus kostet Geld
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Menschen legen ihr Vermögen am liebsten dort an, wo sie sich auskennen - also im eigenen Land. Besser wäre es, das Geld überall in der Welt zu verteilen.
Der deutsche Anleger hört und staunt seit Wochen, was sich an Amerikas Börsen tut. Die größten Indizes in den Vereinigten Staaten haben Rekordhochs erreicht, besonders die Entwicklung des Dow Jones wurde sehr gebannt verfolgt, schließlich näherte er sich langsam, aber sicher der psychologischen Marke von 20.000 Punkten.
Die Rekordjagden infolge von Donald Trumps Wahlsieg sind vor allem für amerikanische Investoren sehr aufregend, geht es doch vorwiegend um ihr eigenes Geld. Die Deutschen, sofern sie überhaupt in Aktien investieren, sind dagegen nicht die großen Nutznießer. Denn sie haben den Großteil ihres Geldes nicht in Übersee, sondern gewissermaßen vor der eigenen Haustür angelegt. Durch diese Heimatverbundenheit verzichten sie auf Rendite. Und das schon seit Jahren.
Nicht nur die Deutschen bleiben im Lande
So hinkt der deutsche Aktienindex Dax in diesem Jahr mit einem Zuwachs von sieben Prozent beispielsweise dem Dow Jones (plus 15 Prozent) hinterher. Ganz zu schweigen davon, dass in manchen Schwellenländern wie Brasilien die Kurse um 35 Prozent nach oben schossen, indes von einem niedrigen Niveau aus.
„Home Bias“ wird in der ökonomischen Verhaltensforschung die Neigung von Anlegern genannt, ihr Geld eher in Aktien sowie Anleihen von Unternehmen ihrer Heimat zu investieren. Zwar wird hierzulande immer mal wieder behauptet, dass der deutsche Privatanleger besonders anfällig ist für den Home Bias.
Doch zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass die Heimatorientierung ein globales Phänomen ist. Ob Amerikaner oder Australier, Japaner oder eben wir Deutsche - in vielen Ländern stecken Anleger mehr als die Hälfte ihres Vermögens in heimische Aktien. Und das, obwohl der jeweilige Anteil der nationalen Papiere am globalen Aktienmarkt sehr viel geringer ist.
So haben deutsche Unternehmen, gemessen an der Marktkapitalisierung, nur einen Weltmarktanteil von 2,4 Prozent. Der Anteil heimischer Aktien in einem durchschnittlichen deutschen Depot liegt allerdings um ein Vielfaches höher: In Untersuchungen wurde eine Quote von 60 bis 70 Prozent ermittelt.
Vermeintlicher Trumpf der Informiertheit
Einer starken Heimatorientierung erliegen im Übrigen nicht nur Privatanleger, sondern auch professionelle Investoren. Also Experten, die das Geld anderer Leute nach bestem Wissen und Gewissen vermehren sollen. So hat das Investment Company Institute unlängst errechnet, dass die Manager amerikanischer Aktienfonds beinahe dreimal mehr Geld in heimische Aktien angelegt haben als in Titel aus dem Rest der Welt. Laut einer anderen Studie neigen Fondsmanager in Amerika sogar dazu, jede zehnte Firma vor allem deshalb im Portfolio zu haben, weil sie in derselben Stadt ansässig ist wie sie selbst. Klingt das nicht verrückt?
Im Prinzip erscheint es erst einmal verständlich, dass ein Anleger sich bei heimischen Unternehmen am besten aufgehoben fühlt. Schließlich weiß er über das, was in seiner direkten Umgebung passiert, am besten Bescheid. Ein deutscher Anleger kommt leichter an Informationen über einheimische Unternehmen, kann weitgehend einschätzen, welche Quellen verlässlich sind, versteht im Zweifel deshalb das Geschäft von VW, Bayer oder RWE besser als von ausländischen Unternehmen wie Toyota, ChemChina oder Petrobras.
Die vielen kleinen Dinge
Dazu kommt noch eine Reihe weiterer Motive, weshalb die Heimatvorliebe auf viele Portfolios durchschlägt. Die Schweizer Großbank Credit Suisse hat die gängigsten Gründe kürzlich in einer Studie aufgelistet. So spielen neben der bereits genannten Informations-Asymmetrie auch unterschiedliche Regulierungen sowie sprachliche Hürden eine Rolle, weil sie die Informationskosten in die Höhe treiben können.