Der Preis des Geldes : Die neue Welt der Negativzinsen
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Die Aussichten für Sparer sind düster - wie die Wolken über Frankfurt. Bild: dapd
Wer Geld spart, zahlt jetzt drauf. Wer einen Kredit aufnimmt, muss am Ende weniger zurückzahlen. Das ist die neue Welt der negativen Zinsen. Wie verrückt ist das denn?
Das Verrückteste, was man bisher gehört hat, stammt aus Dänemark. Die dortige Bank Nordea, immerhin einer der größten Finanzkonzerne Nordeuropas, hat im Januar die ersten Hypothekenkredite mit negativen Zinsen ausgegeben. Die Bank hat das zwar bald wieder gestoppt, es sollen nur rund zwei Dutzend Verträge rausgegangen sein. Und wegen höherer sonstiger Gebühren soll es sich für die Bankkunden nicht sonderlich gelohnt haben. Aber das Unglaubliche ist damit passiert: Privatkunden konnten sich Geld für ein Haus leihen, und die Zinsen wurden für ein Jahr auf minus 0,03 Prozent festgeschrieben. Wer so einen Vertrag bekommen hat, muss also im ersten Jahr nicht nur keine Zinsen zahlen – sondern bekommt sogar Zinsen von der Bank.
Auch in der Schweiz wird es mit den negativen Zinsen immer doller. Dort haben sie das schöne Wort „Guthabenkommission“ erfunden. Dahinter verbirgt sich kein Gremium, sondern gleichfalls eine Art negativer Zinsen. Man muss sie zahlen, wenn man sein Geld zur Bank bringt. Die Credit Suisse hat diese Kommission für einige Großkunden eingeführt. Das Bankhaus Lombard Odier, immerhin die älteste Privatbank der Schweiz, verlangt jetzt eine solche Gebühr auch von wohlhabenden Privatkunden. Bei Einlagen von mehr als 100.000 Euro müssen sie jetzt negative Zinsen in Höhe von 0,75 Prozent im Jahr berappen.
Seltsame Umkehrung der Verhältnisse
Etwas, was Ökonomen lange Zeit für unmöglich gehalten hatten, geschieht derzeit in Europa: Das Verhältnis von Gebern und Nehmern von Zinsen kehrt sich um. Man zahlt, wenn man spart, und kassiert, wenn man sich Geld leiht. Das ist die neue Welt der negativen Zinsen – eine seltsame Umkehrung der Verhältnisse.
In Dänemark und der Schweiz ist es besonders extrem, aber auch bei uns gibt es Beispiele. Zunächst mussten vor allem große Unternehmen für ihre kurzfristigen Bankeinlagen Strafzinsen zahlen. Jetzt breiten sich die negativen Zinsen bei Anlageprodukten aus, fast wie ein Virus: Bei Staatsanleihen gibt es sie, bei Pfandbriefen und selbst bei den ersten Unternehmensanleihen.
Die Banken sorgen dabei dafür, dass negative Zinsen nur da eingeführt werden, wo sie ihnen nützen – zumindest, solange sie das beeinflussen können. Bei kurzfristigen Einlagen von Großkunden, an denen sie ohnehin nicht viel verdienten, schlagen sie schnell zu. Hingegen dürfte es lange dauern, bis sie Privatpersonen, die einen Kredit aufnehmen, ihrerseits richtig ernstzunehmende Beträge dafür zahlen.
Treibende Kraft dieser seltsamen Entwicklung ist die Geldpolitik der Notenbanken. Auch wenn zumindest ein Teil der Ökonomen überzeugt ist, dahinter stehe in letzter Konsequenz ein weltweiter Überhang an Ersparnissen über gute Anlagemöglichkeiten. Zumindest für die kurzfristigen Zinsen in der Eurozone aber ist die Europäischen Zentralbank verantwortlich: Sie hat die Leitzinsen immer weiter gesenkt, auf zuletzt 0,05 Prozent. Außerdem hat EZB-Präsident Mario Draghi Strafzinsen für Banken eingeführt, die Geld bei der Notenbank deponieren wollen. Erst minus 0,1, dann minus 0,2 Prozent. Jetzt geben sich die Banken alle Mühe, diese Kosten, die ihnen selbst entstehen, an ihre Kunden weiterzugeben. Das erklärt die Fälle von negativen Zinsen bei uns.