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Vinyl als „schwarzes Gold“ : Von der Performanz der Plattensammlung

Schwerer zu liquidieren als ein Schiffsfonds: Schallplatten als Geldanlage

Schwerer zu liquidieren als ein Schiffsfonds: Schallplatten als Geldanlage Bild: Kai Nedden

Wohin mit dem Ersparten in der Krise? Viele Anleger flüchten in Gold, doch wären echte Sachwerte nicht viel besser? Philipp Krohn hat ein Experiment gewagt und seine Plattensammlung schätzen lassen. Hat sich der Wert in den vergangenen 17 Jahren besser entwickelt als der des populären Templeton Growth Fonds?

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          „Hast du schon wieder eine Schallplatte gekauft?“ Die Frage meiner Großmutter war ich schon gewohnt, wenn ihre Geldspenden wieder in Tonträger geflossen waren. Gerade so eben konnten sich die Kleinsthändler durch die Vinylkrise der neunziger Jahre retten. Inzwischen aber kann man in Internet-Auktionen erstaunliche Preise für rare Stücke erzielen. Während die vermeintlich seriöse Geldanlage in der Finanzkrise in Verruf geraten ist, stellt sich die Frage: Waren die Plattenkäufe mehr als ein Hobby? Haben sich die Tonträger auch als Sparplan bewährt?

          Philipp Krohn
          Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.

          „Meinen Sie CDs oder Vinyl“, vergewissert sich Martin Reichold. Er ist Chefredakteur der Zeitschrift Oldie-Markt, in der Sammler ihre Schallplatten auktionieren können. Sie gilt als Marktplatz, an dem realistische Preise ermittelt werden. CDs seien Schrott, dafür könne ich gerade mal 2 bis 4 Euro je Stück kalkulieren, sagt er. Vinyl sei anders; aber nur für Originalpressungen, also Erstausgaben, könne man hohe Erlöse erzielen. Kein Kriterium dagegen sei die musikalische Qualität. Selbst wenn ich mir etwas darauf einbilden würde, dass der estnische Komponist Arvo Pärt bei mir von „Charlie Parker with Strings“ und von den amerikanischen Alternativrockern Pavement eingerahmt ist, nützt mir das für die Rendite nichts.

          Vorteile und Nachteile des Plattenhandels

          Stattdessen lasse sich mit Gruppen, die nur Sammlern bekannt sind, ein echter Reibach machen: Für eine Live-LP der Band Chicken Bones bekomme man locker 60 Euro - und das als Nachpressung. Das Original wäre geradezu unerschwinglich. Einen Nachteil dieser Anlageform sieht Reichold aber darin, sie in liquide Mittel umzuwandeln. Das gelinge über Auktionen im Internet und in Fachblättern oder auf Plattenbörsen. Am besten ließen sich tatsächliche Preise ermitteln, indem man auf Europas größter Messe ausstelle. An drei Tagen im April kommen dazu Jahr für Jahr rund 100.000 Plattenliebhaber ins niederländische Utrecht.

          Als Sammlerobjekt kann eine Schallplatte eine Rendite abwerfen, von der Aktionäre nur träumen
          Als Sammlerobjekt kann eine Schallplatte eine Rendite abwerfen, von der Aktionäre nur träumen : Bild: Kai Nedden

          Grundsätzlich sei ein Einzelverkauf dem Angebot im Paket vorzuziehen, sagt Reichold. Dadurch steigen allerdings die Transaktionskosten, was die LP im Vergleich zu anderen Sachwerten wie Gold oder Schiffsfonds benachteiligt. Verringern lassen sie sich durch einen direkten Verkauf an den Händler. „Aber der gibt dir natürlich nur einen Bruchteil des Werts“, sagt Jochen Sperber vom Kölner Geschäft „Normal“. Weil Neuware nur eine geringe Marge bringe, müsse man sie über Second Hand erwirtschaften.

          Werte im Plattenschrank

          „Ich kenne nicht die Pressung und auch nicht den Zustand; da geht das Problem schon los“, antwortet Herbert Sembritzki auf die Frage, wie ich den Wert meiner Sammlung ermitteln könne. Er betreibt in Hamburg den Laden „Plattenrille“. Vor allem für neuere Scheiben müsse ich Verluste einkalkulieren, denn hohe Preise erzielten nur ältere Raritäten. Um aber ihren Wert abzuschätzen, könne nur ein Fachmann vor Ort helfen: „Jemand muss eine Expertise erstellen, und dafür muss er die Platten in der Hand halten.“

          Thomas Rhein kann das offenbar leisten, einer der Inhaber von „Parallel“ in der Kölner Innenstadt. Von den rund 40.000 Tonträgern in seinem Geschäft sind gut 90 Prozent Schallplatten: 65 Prozent davon Rock, Pop, Drum 'n Bass, Independent, Soul und Hip-Hop - der Rest Klassik und Jazz. „Auf die Boards of Canada kannst du locker 35 Euro schreiben, auf die Kruder & Dorfmeister gern auch 60“, sagt er nach einem ersten oberflächlichen Blick auf die gut 720 Stücke in meinem Plattenschrank. Hört sich schon mal gut an: für die Erste hatte ich 17 Euro bezahlt, für die Zweite 20.

          Wertsteigerungen sind also offensichtlich mit neuen Exemplaren nicht ausgeschlossen. „Ganz im Gegenteil: gerade die geringen Auflagen der Neunziger-Jahre-Platten machen sie wertvoll“, sagt Rhein, nachdem er die Massenware von U2 und Peter Gabriel in die sprichwörtliche Billigkiste einsortiert hat. „Wer mit Plattensammeln eine Wertsteigerung erzielen will, muss Raritäten zu einem Zeitpunkt kaufen, zu dem sie noch nicht rar sind“, erklärt Martin Reichold von Oldie-Markt.

          Investition in Vinyl

          Offenbar ist mir das zumindest teilweise gelungen, obwohl es nie so gedacht war. „Mit dieser Sammlung verlierst du definitiv kein Geld“, sagt Rhein schließlich. „Wenn du es gut anstellst, kannst du damit 8000 Euro verdienen“ - eine positive Rendite also, nachdem ich insgesamt 6700 Euro investiert habe. Und als Ratschlag verweist er mich noch auf die Internetseite Popsike, auf der Ebay-Auktionen beobachtet werden. Für eine meiner Smashing-Pumpkins-Platten hätte ich demnach bis zu 350 Dollar bekommen können.

          „Ihre Investition in Vinyl über die 17 Jahre von 1992 bis 2009 hat sich mit einer Rendite von 1,943 Prozent per anno verzinst“, schreibt daraufhin Yan Steinschen in einer Vermögensanalyse. Halte man das den Ergebnissen eines Alternativprodukts entgegen, könne es sich durchaus sehen lassen, urteilt das Vorstandsmitglied im Finanzplaner Deutschland Bundesverband. Hätte ich zum gleichen Datum einen Sparplan mit monatlichen Einzahlungen in den weitverbreiteten Templeton Growth Fonds abgeschlossen, hätte die Rendite zum aktuellen Zeitpunkt nur 0,19 Prozent betragen. Allerdings betont Steinschen, dass der Veräußerungsmoment sehr entscheidend sei. Mit einem Verkauf der Templeton-Anteile Ende 2006 hätte man 10,6 Prozent Rendite erwirtschaftet. Das Ergebnis meines Plattensparplans fällt also vor allem wegen der Finanzkrise positiv aus. Darüber hinaus dürfe man aber auch die Glücksrendite nicht vergessen, ergänzt Vermögensberater Steinschen.

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