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UBS-Chefvolkswirt im Gespräch : „Die Inflation kommt zurück“

Reinhard Cluse ist Europa-Chefvolkswirt der Schweizer Bank UBS. Bild: Rainer Wohlfahrt

Reinhard Cluse, Europa-Chefvolkswirt der UBS, ist optimistisch: Dank Draghis lockerer Geldpolitik sieht er die Inflation bald bei zwei Prozent. Das ist sogar gut. Denn dann gibt’s mehr Zinsen.

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          Herr Cluse, niemand ist so optimistisch für Bundesanleihen gestimmt wie die UBS. Sie erwarten eine doppelt so hohe Rendite wie Ihre Kollegen. Warum?

          Die Renditen amerikanischer Staatsanleihen werden zulegen, und davon kann sich Deutschland nicht abkoppeln. Zudem erwarten wir, dass – wie lange erhofft – die Inflation zurückkehrt. Am Jahresende könnte sie bei 0,9 Prozent liegen, Ende kommenden Jahres schon bei 1,7 Prozent und damit in der Nähe des Niveaus, das sich die Europäische Zentralbank (EZB) vorstellt.

          Die Inflation steigt? Das wird schon lange prognostiziert und passierte nicht. Wieso gerade jetzt?

          Dyrk Scherff
          Redakteur im Ressort „Wert“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Der Ölpreis wird nicht weiter sinken und damit nicht mehr die Inflationsrate drücken. Wir erwarten einen leichten Anstieg, im Schnitt wird ein Fass Rohöl 2016 42,50 Dollar kosten. Und die Nahrungsmittel werden nicht mehr günstiger wie in den vergangenen Jahren, als hohe Ernten und der russische Importstopp für europäische Produkte die Preise drückten. Und schließlich wächst Deutschland ordentlich mit 1,4 Prozent, und die Auslastung in den deutschen Fabriken steigt.

          Woher kommt dieses Wachstum?

          Die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank unterstützt das Wachstum, genauso wie der immer noch niedrige Ölpreis. Hinzu kommen höhere Ausgaben des  deutschen Staats, vor allem für Flüchtlinge und für Infrastruktur, die gut ein Drittel des Wachstums 2016 ausmachen. Darüber hinaus sorgen Steuererleichterungen, zusammen mit Lohn- und Rentenerhöhungen sowie steigender Beschäftigung, für ein kräftiges Wachstum beim privaten Konsum.

          Müssten die Renditen dann nicht stärker zulegen als auf ein Prozent, wie Sie es für Ende 2016 erwarten?

          Früher hätten die Renditen ungefähr dem nominellen Wirtschaftswachstum entsprochen, also vor Abzug der Inflation. Bundesanleihen hätten dann Ende des Jahres mit etwa 2,4 Prozent rentiert. Doch wir leben in einer neuen Zeit mit dauerhaft niedrigeren Renditen.

          Sollte die Inflation wirklich zurückkommen, dann hat die EZB mit ihren umstrittenen Anleihekäufen also alles richtig gemacht?

          Klar ist, dass die Mittel der klassischen Geldpolitik, etwa der früheren Bundesbank, in der Finanz- und Euro-Krise nicht mehr ausreichten. Die EZB hatte keine andere Wahl, als ihren Instrumentenkasten zu modernisieren. Dazu gehörten riesige Liquiditätsspritzen, Anleihekäufe und Strafzinsen für Einlagen der Banken bei der EZB.

          Das wird heute sogar von den Banken kritisiert, die bisher immer hinter der EZB-Geldpolitik standen.

          Heute sehen wir klarer als vor ein oder zwei Jahren die negativen Folgen. Die Maßnahmen haben negative Verteilungswirkungen. Und EZB-Präsident Draghi sagt selbst, dass die Banken leiden, weil ihre Erträge dadurch schrumpfen.

          Waren denn die Anfang März angekündigte Ausweitung der Anleihekäufe und die Zinssenkung auf null wirklich nötig?

          Die EZB musste handeln, nachdem sich die Aussichten für China und damit Europas Exportindustrie eintrübten und der Ölpreis weiter fiel. Das Ausmaß hat uns aber überrascht.

          Die Finanzmärkte hat das trotzdem kaum beeindruckt.

          Draghi hat auch betont, dass weitere Zinssenkungen unwahrscheinlich sind. Das hat den Börsen nicht gefallen. Man muss aber auch klar sagen, dass sich der psychologische Effekt von noch mehr Anleihekäufen abnutzt. Man muss die Dosis immer mehr erhöhen, um eine Wirkung zu erzielen.

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