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Betrugsverfahren : S&K-Prozess endet mit langen Haftstrafen

Endlich Urteile: Ein Mammutprozess ist zu Ende. Bild: dpa

Ein Gericht verurteilt die S&K-Gründer wegen Untreue. Auf freien Fuß kommen sie dennoch. Nun drohen ihnen zahlreiche Zivilklagen der geprellten Anleger.

          3 Min.

          Was mit Bildern von zwei Jungunternehmern, ihren Luxusautos und rauschenden Champagner-Festen, auf denen einmal ein leibhaftiger Elefant auftrat, begann, endete am Mittwoch vor dem Landgericht Frankfurt wie ein normaler Strafprozess. Zu jeweils achteinhalb Jahren Haft verurteilte die Wirtschaftsstrafkammer die beiden Gründer der Immobiliengruppe S&K, Stephan Schäfer und Jonas Köller, wegen Untreue.

          Marcus Jung
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Ein früherer leitender Angestellter von S&K wurde ebenfalls wegen Untreue zu sechs Jahren Haft verurteilt, ein Hamburger Unternehmer erhielt wegen Beihilfe viereinhalb Jahre. Mit einem dubiosen Schneeballsystem um Kapitalanlagen haben die Männer über 90 Millionen Euro Anlegergelder veruntreut; die ursprüngliche Anklage, die den Angeklagten darüber hinaus Betrug vorgeworfen hatte, ging von einem Schadensvolumen von mindestens 240 Millionen Euro aus.

          Kein „einzigartiges“ Wirtschaftsstrafverfahren

          Und trotzdem konnten Schäfer und Köller, die dem Urteil zufolge als Hauptinitiatoren „mit krimineller Energie“ und „rücksichtslos“ handelten, das Gerichtsgebäude ohne Handschellen und freien Fußes verlassen – Richter Alexander El Duwaik hob ihre über vier Jahre dauernde Untersuchungshaft auf. Das ist Urteil noch nicht rechtskräftig.

          Nach 18 Monaten Prozess, 1700 Seiten Anklageschrift, einer umfangreichen Beweisaufnahme mit Tonbandaufnahmen, Zeugen und Sachverständigen kam El Duwaik zum Ergebnis, dass der S&K-Prozess zwar ein aufwendiges, aber kein „einzigartiges“ Wirtschaftsstrafverfahren gewesen sei, wie es vonseiten der Justiz und in den Medien dargestellt worden wäre.

          Trotzdem, während seiner zweistündigen Urteilsverkündung genoss der Vorsitzende sichtlich die Aufmerksamkeit des überfüllten Sitzungssaals I und setzte sich dezidiert mit jedem Angeklagten auseinander. Er wolle es spannend machen, sagte El Duwaik an einem Punkt, nach der Verhandlung könnte schließlich jeder weglaufen.

          Mit achteinhalb Jahren Haft für Schäfer und Köller blieb das Strafgericht am unteren Rahmen dessen, auf was man sich vor kurzem mit der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung in einer „Absprache“ verständigt hatte. Die Juristen machten vom sogenannten Opportunitätsprinzip Gebrauch, die ursprünglichen Vorwürfe des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs der Kapitalanleger wurden eingestellt, dafür legten die Angeklagten Geständnisse ab.

          Das verhängte Strafmaß – im Fall der besonders schweren Untreue wären für beide S&K-Gründer Haftstrafen von bis zu zehn Jahren möglich gewesen – hielt El Duwaik für angemessen. Oberstaatsanwalt Noah Krüger hatte vergangene Woche für Schäfer und Köller jeweils neun Jahre und drei Monate gefordert.

          Vier Jahre Untersuchungshaft

          Warum die Strafkammer in ihrer Strafzumessung zu einem anderen Ergebnis kam, schlüsselte der Vorsitzende im Rahmen der Strafzumessung auf: Das Geständnis, fehlende Vorstrafen, Reue, vier Jahre Untersuchungshaft und die lange Prozessdauer, die Vorverurteilung in der Öffentlichkeit sowie das zur Delinquenz anreizende Umfeld des „grauen Kapitalmarkts“ – all diese Punkte, die dem Strafgesetzbuch zufolge zwingend zugunsten eines Straftäters berücksichtigt werden müssen, wertete die Strafkammer auch so. Gerade die vier Jahre Untersuchungshaft seien absolut unüblich, ließ El Duwaik abermals durchblicken und blieb in diesem Punkt seiner kritischen Linie im gesamten Strafprozess treu.

          Bis zur Rechtskraft des Urteils und der Aufforderung zum Strafantritt durch die Staatsanwaltschaft sind die Angeklagten auf freiem Fuß: Schäfer plant, in einem Fitness-Studio zu arbeiten, Köller will ein abgebrochenes Studium wiederaufnehmen. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft könnten beide bei guter Führung schon nach knapp einem Jahr Haft mit dem offenen Vollzug rechnen.

          Lob und Kritik für die Staatsanwälte

          In seiner beruflichen Laufbahn habe er noch keine solche persönliche Ansprache durch einen Vorsitzenden gehört, sagte Ulrich Endres, stellvertretend für die Riege der Strafverteidiger. „Erhofft, aber nicht erwartet“ – so fiel das Fazit von Schäfers Anwalt unmittelbar nach dem Urteil aus.

          Von Journalisten darauf angesprochen, dass er zum Prozessauftakt im September 2015 noch vehement von der Unschuld seines Mandanten ausgegangen sei, sagte Endres, dass sich der Sachverhalt im Laufe des Verfahrens geändert habe. Als Wendepunkt machte der erfahrene Verteidiger einen Personalwechsel in der Staatsanwaltschaft aus.

          Die neue Konstellation unter Oberstaatsanwalt Krüger lobte Endres als lösungsorientiert, die früheren Strafverfolger, die eine Anklageschrift von deutlich über 3000 Seiten vorlegten, kritisierte er abermals scharf: Mit ihnen hätte der Strafprozess „noch Jahre gedauert“. Nun wollen die Strafverteidiger prüfen, ob sich eine Revision zum Bundesgerichtshof lohnt. Die Möglichkeit besteht auch für die Staatsanwaltschaft, die eine längere Haft gefordert hatte. Krüger deutete gegenüber Journalisten an, dass er den vom Gericht nicht ausgereizten Strafrahmen für schuldangemessen hielt.

          Er wies darauf hin, dass Anleger vor Zivilgerichten Ansprüche gegen S&K geltend machen können. Knapp 17 Millionen an Vermögenswerten sind bei den S&K-Machern und zehn Gesellschaften „arrestiert“ worden, davon stammen 2,5 Millionen Euro aus Schäfers Vermögen, 1,5 Millionen Euro von Köller. Die Summe soll laut Urteil den Geschädigten zugutekommen, die teilweise Altersvorsorgen auflösten, um in S&K-Fonds zu investieren. Insgesamt setzt sich der „zweistelligen Millionenbetrag“ aus sichergestellten Fahrzeugen, Schmuck, Gebäuden und Grundstücken zusammen.

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