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Kritik an „Best in Class“ : Nachhaltigkeitsbranche zieht Lehren aus BP-Desaster

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Die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte der Ölförderung: Die Explosion der Deep Water Horizon im April 2010 Bild: dpa

Der Ansatz „Best in Class“, bei der die nachhaltigsten Unternehmen aus einer Branche ausgewählt werden, steht bei Fondsmanager in der Kritik. Sie wollen gezielt Druck auf die Unternehmen ausüben, damit diese nachhaltiger wirtschaften.

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          Das Öl-Desaster im Golf von Mexiko, das vor bald drei Jahren begann, hat nachhaltige Geldanlagen stark verändert. Besonders der Ansatz „Best in Class“ steht in der Diskussion. Daneben haben Methoden an Bedeutung gewonnen, bei denen die Fondsmanager Einfluss auf die Führung der Unternehmen nehmen wollen, um nachhaltigeres Wirtschaften zu erreichen.

          „Best in Class ist seit Deep Water Horizon einer grundlegenden Prüfung unterzogen worden“, sagt Manuela von Ditfurth, Fondsmanagerin bei der amerikanischen Fondsgesellschaft Invesco in Frankfurt und zuständig für nachhaltige Anlagen.

          Ölleck erst nach sechs Monaten geschlossen

          Im April 2010 explodierte die Ölplattform Deep Water Horizon im Golf von Mexiko - es dauerte sechs Monate, bis die amerikanische Regierung das Ölleck für geschlossen erklären konnte. Damit war dies die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte der Ölförderung. Im Zentrum des Skandals stand der britische Ölkonzern BP, der die Plattform gemietet hatte.

          „Beyond Petroleum“, jenseits des Öls - mit diesem Slogan hatte BP um die Gunst von Managern nachhaltiger Aktienfonds geworben. Da Rohstoffunternehmen in Nachhaltigkeitskreisen kontrovers diskutiert werden, warb BP mit einer angeblich umweltfreundlichen und nachhaltigen Unternehmenspolitik.

          Bild: F.A.Z.

          Das brachte BP in die Portfolios vieler nachhaltiger Aktienfonds, besonders jener, die „Best in Class“ anwenden. Bei dieser Methode wählt der Fondsmanager aus einer Branche jene Unternehmen heraus, die am nachhaltigsten wirtschaften. Es steht also nicht im Vordergrund, ob das Unternehmen tatsächlich nachhaltig ist oder nicht. Es genügt, dass es sich im Vergleich zu den anderen Unternehmen der Branche nachhaltiger verhält.

          Dieses Konzept war bis zu Deep Water Horizon bei vielen Fondsmanagern beliebt. „Best in Class hat den Vorteil, dass es für die Fondsmanager eine sehr einfache Methode ist“, sagt Ditfurth. Sie könnten sich an einem der zahlreichen Aktienindizes für Nachhaltigkeit wie dem Dow Jones Sustainability World oder dem FTSE 4 Good orientieren und aus diesen die vielversprechendsten Titel wählen.

          Anleger können Branchen gezielt ausschließen

          Doch Ditfurth sieht auch viele Nachteile: „Bei Best in Class kann es immer wieder vorkommen, dass der Fondsmanager in fragwürdige Branchen investiert.“ Deshalb bevorzugt sie einen individuellen Ansatz, bei dem sie direkt mit dem institutionellen Kunden, beispielsweise einer kirchlichen Institution oder Stiftung, festlegt, nach welchen Kriterien er anlegen will. So könnten die Anleger bestimmte Themen, Branchen oder Unternehmen gezielt ausschließen und andere bewusst einschließen. „Die meisten Anleger wählen eine Kombination aus Ausschluss und Einschluss“, sagt Ditfurth.

          Typische Ausschlusskriterien sind Alkohol, Drogen, Pornographie, Waffenproduktion, Sklaven- und Kinderarbeit. So einprägsam die Liste ist, so schwierig ist die Praxis. Denn die Frage, ob schon eine Werbung mit leichtbekleideten Frauen pornographisch ist oder nicht, beurteilen nicht alle Anleger gleich.

          Um diese Fragen zu beantworten, haben sich die ESG-Kriterien als weit akzeptierter Standard durchgesetzt. ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Menschen- und Arbeitsrechte) und Governance (Unternehmensführung). Nach gut 250 Einzelkriterien werden die Unternehmen daraufhin untersucht, wie ethisch sie agieren.

          Direkte Einflussnahme auf das Unternehmen

          Dass Unternehmen diese einhalten, dafür sorgen viele Fondsmanager mehr und mehr durch direkte Einflussnahme auf die Unternehmen. „Engagement“ heißt diese Form der Durchsetzung von Nachhaltigkeit. „Ziel ist es, Druck auf die Unternehmen auszuüben, damit diese nachhaltiger wirtschaften“, sagt Ditfurth. Sie bevorzugt den individuellen Ansatz und Engagement. „Best in Class hat seine Bedeutung, bei uns jedoch weniger.“

          Eine andere Position nimmt Ingo Speich, Nachhaltigkeitsexperte der Fondsgesellschaft Union Investment, ein. „Best in Class hat seit Deep Water Horizon an Bedeutung gewonnen“, hat er beobachtet. Allerdings sieht er in den vergangenen drei Jahren eine tiefgreifende Weiterentwicklung des Konzepts. „Die Unternehmen berichten viel transparenter und lassen sich besser untereinander vergleichen“, sagt Speich. Heute müsse ein Fondsmanager nicht mehr von vornherein ganze Branchen ausschließen, sondern könne dies gezielt auf Ebene der Unternehmen tun.

          Zusätzlich werte die Union täglich alle negative Meldungen zu kritischen Themen über jene Unternehmen aus, in denen die Nachhaltigkeitsfonds Anteile halten. „Diese Informationen müssen mit Vorsicht ausgewertet werden, weil sich darin viel interessengetriebenes Grundrauschen verschiedenster Interessengruppen verbirgt.“

          Doch mit dieser Methode ließen sich bestimmte Risiken, zum Beispiel für die Reputation des Unternehmens, besser eingrenzen. Außerdem führe die Union eine Negativliste mit Unternehmen, in die nach „Best in Class“ zwar investiert werden könne, die aber dennoch nicht in Frage kommen.

          Das gilt für Rio Tinto. Der Rohstoffkonzern stehe wegen fragwürdiger Praktiken in Bezug auf Umwelt und Menschenrechte in der Kritik. Nachdem der Vorstandsvorsitzende im Gespräch mit der Union nicht überzeugen konnte, habe man entschieden, vorläufig keine Aktien zu halten.

          „So kombinieren wir heute Best in Class mit Engagement“, sagt Speich. Obwohl sie andere Methoden bevorzugt, sieht auch Ditfurth Vorzüge bei Best in Class: „Es schafft einen starken Anreiz für die Unternehmen, nachhaltiger zu wirtschaften.“

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