Isländische Banken : Auf der Suche nach dem verschollenen Geld
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Leere Villa: Michael Kramer im Frankfurter Büro von Kaupthing Bild: Marcus Kaufhold
Vor einem Jahr brachen Islands große Banken zusammen. Seither laufen deutsche Sparer, Anleger und Banken immer noch ihrem Geld hinterher. Es geht um Milliarden.
Natürlich hätte sie vorsichtiger sein müssen, hätte der vollmundigen Werbekampagne und dem exotischen Namen der Bank misstrauen müssen. Nachher lässt sich das leicht sagen. Aber damals, im September vor einem Jahr, dachte Nathalie Ender, sie mache alles richtig, als sie bei Kaupthing Edge ein Tagesgeldkonto eröffnete: Tausend Euro hatte die alleinerziehende Mutter aus Esslingen gespart als künftiges Schulgeld für ihren Sohn, der bald in eine Waldorfschule kommen sollte.

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
„Das ist viel Geld für mich, ein ganzes Monatsgehalt“, berichtet die 31 Jahre alte Industriekauffrau heute. Aber keine der einschlägigen Verbraucherhilfen habe vor dem konkurrenzlos hohen Zinssatz von 5,6 Prozent gewarnt, und dass sie mit einer zu diesem Zeitpunkt schon taumelnden Bank aus dem fernen Island Geschäfte machte, sei ihr überhaupt nicht bewusst gewesen. „Die hatte ihren Sitz schließlich in Frankfurt und war mit einem deutschen Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen.“
Abschuss eines Shooting-Stars
Nur drei Wochen nach Nathalie Enders Kontoeröffnung war es trotzdem die Finanzaufsicht in Reykjavík, die über Nacht die Notbremse zog. In Deutschland war Michael Kramer der Erste, der davon erfuhr. Morgens um 4 Uhr klingelte am 9. Oktober sein Telefon, es war ein Donnerstag. „Wir mussten umgehend das Online-Banking, unser Callcenter und das Back-Office abschalten“, rekonstruiert der Geschäftsführer der deutschen Niederlassung den Anruf. „Das kam völlig überraschend“, beteuert er.
Kaum sieben Monate hatte es Kaupthing Edge in Deutschland gegeben. Kramer und seine vier Mitarbeiter hatten stolze 34.000 Sparer mit einer Einlagensumme von 308 Millionen Euro angeworben. Sie waren die vermeintlichen Shootingstars der Branche. Hätten auch sie dem Erfolg misstrauen sollen? „Der Einstieg in den deutschen Markt hat alle Erwartungen übertroffen“, schrieb Kramer in jenem Sommer in einer E-Mail. „Das bestärkt uns, weiter intelligente Anlageprodukte zu kreieren.“
Morddrohungen inklusive
Jetzt ist er der Letzte, der in den großzügigen Frankfurter Büroräumen noch Wache hält. Auf dem Parkettboden und den Tischen stapeln sich Kartons mit Kundenpost. Es geht um Details der Rückzahlungen aus dem isländischen Einlagensicherungsfonds.
Mit der Gründung von Online-Banken hatte Michael Kramer schon Erfahrung, als ihn im Sommer 2007 ein Headhunter zu Kaupthing lotste. Nun weiß er auch, was die Abwicklung einer Bank für den Mann an ihrer Spitze bedeutet: 580.000 E-Mails, 150.000 Anrufe, Demonstrationen, Morddrohungen sogar.
Dramatische Tage im Oktober
Als ob er selbst solche Exzesse erklären wolle, verweist Kramer auf die Lage im vergangenen Herbst und Winter: Innerhalb von nur einer Woche werden Islands Großbanken Kaupthing, Landsbanki und Glitnir verstaatlicht, deren Verbindlichkeiten dem Zehnfachen der Wirtschaftsleistung entsprechen und das Land an den Rand des Bankrotts bringen.
Die Meldungen überschlagen sich: Das deutsche Finanzministerium bietet Island ein Darlehen zur Entschädigung der Sparer an. Islands Präsident zieht seinerseits in Zweifel, dass ausländische Kunden überhaupt berücksichtigt werden. Schließlich heißt es, nur die DZ Bank, die für Kaupthing den Zahlungsverkehr zwischen Deutschland und Island abwickelte und nun Sparguthaben als Sicherheit für ihre offenen Forderungen blockiere, verhindere die Auszahlung. „Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, tagelang überhaupt nicht zu kommunizieren“, sagt Kramer.