Erfolg mit Hedgefonds : Der rücksichtslose Mr. Dalio
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Ray Dalio ist Chef von Bridgewater, eines der größten und erfolgreichsten Hedgefonds der Welt. Bild: Reuters
Ray Dalio ist der erfolgreichste Hedgefondsmanager der Welt. Das verdankt er nicht nur seinem ungewöhnlichen Anlagestil. Sondern auch der totalen Überwachung seiner Untergebenen.
Es gibt nichts, was Ray Dalio in seinem Leben wichtiger findet als Offenheit. Extreme Offenheit. Der Chef des größten und erfolgreichsten Hedgefonds der Welt selbst spricht von „radikaler Transparenz“. Was sich anhört wie eine Floskel, meint dieser Mann wirklich so. Der 66-jährige Amerikaner kann sehr eindringlich dreinblicken: Dies geschieht besonders dann, wenn er anderen vormacht, wie sein Konzept in der Praxis funktioniert. Nicht wenige sagen, es sei zum Fürchten.
Aus der Zentrale von Bridgewater Associates, wie Dalio seine Firma getauft hat, sind Szenen überliefert, die sanfteren Gemütern durchaus zusetzen können. Einmal, so heißt es, habe Dalio dort in Connecticut unweit vor den Toren New Yorks einen jungen Mann zum Gespräch empfangen, der für ihn arbeiten wollte. Der Bewerber hatte hervorragende Noten vorzuweisen, doch ohne auch nur ein Wort der Begrüßung ließ Dalio ihn gleich wissen: „Sie sind für diesen Job nicht geeignet.“ Als der junge Mann zu einer kleinen Verteidigungsrede ansetzte, blieben Dalios Gesichtszüge kalt. Gedemütigt musste der Bewerber den Heimweg antreten.
Ein anderes Mal diskutierte Dalio mit seinem Team, welchen Einfluss Chinas schwächeres Wachstum auf die Weltwirtschaft habe. Einer aus der Mannschaft stand auf, versuchte sich an einer Erklärung. „Hören Sie auf zu raten! Denken Sie.“ Der andere probierte es wieder. Dalio schickte ihn aus dem Raum. Immer, wirklich immer zu sagen, was man denkt, lautet das nicht gerade angenehme Credo des Hedgefondsmanagers. Und jeder seiner insgesamt gut 1500 Angestellten muss ständig mit der Kündigung rechnen, wenn er nicht die Leistung zeigt, die der Chef von ihm verlangt. „Leute zu feuern ist für mich keine große Sache“, lautet noch so ein Satz, den Ray Dalio stets wiederholt.
„Schmerz + Reflexion = Fortschritt“
Er kann sich dieses Verhalten leisten. Denn der Erfolg seines Hedgefonds hat nicht nur ihn reich gemacht, sondern auch viele seiner Mitarbeiter. Der „Pure Alpha Fonds“ hat seit seiner Auflage in den 1970er Jahren unfassbare 45 Milliarden Dollar Gewinn erzielt. Damit ist Dalios Fonds laut einer branchenweit anerkannten Auswertung der beste Hedgefonds aller Zeiten: Sogar den legendären Investor George Soros (einst berühmt geworden durch seine Spekulation auf den Wertverfall des britischen Pfunds) verweist er in die Schranken.
Wie hat er das gemacht? Hedgefonds zeichnen sich in aller Regel dadurch aus, dass sie zumindest in der Theorie alles dürfen. Sie können auf steigende oder fallende Kurse spekulieren, nach Lust und Laune Finanzinstrumente aller Art einsetzen: Jede Wette, die man am Finanzmarkt eingehen kann - und sei sie auch noch so durchgeknallt -, steht Hedgefonds offen. In der Praxis allerdings tut dies so gut wie niemand. Mit einer Ausnahme: Dalios Firma Bridgewater. So radikal der Chef mit seinen Mitarbeitern umgeht, so radikal geht er auch bei der Geldanlage vor: Er schreckt vor nichts zurück, nimmt keine Rücksicht auf Konventionen. Auch wenn man es nicht sympathisch finden mag: Viel spricht dafür, dass Dalio deswegen so erfolgreich ist.
Er selbst jedenfalls ist sich dessen absolut sicher. Auf die Internetseite von Bridgewater hat er für jeden einsehbar ein 106 Seiten langes Dokument gestellt. „Überzeugungen“ lautet die simple Überschrift, doch der Inhalt hat es in sich. Denn hierin erläutert der Manager in einfachen Worten, warum seine, zurückhaltend ausgedrückt, ungewöhnliche Art der Menschenführung seiner Meinung nach zwangsläufig zum Erfolg an den Finanzmärkten führen muss. Sein Weltbild gipfelt in einer knappen Formel. „Schmerz + Reflexion = Fortschritt“ lautet sie.
Nur echte, rücksichtslos geäußerte Kritik könne am Ende neue und bessere Anlageideen erzeugen, ist Dalio überzeugt. Darum lässt er seinen Mitarbeitern nichts durchgehen, darum ist er stets so brutal ehrlich: weil er glaubt, dass der psychische Schmerz, den man angesichts der eigenen Fehler empfindet, zum Antrieb für bessere Arbeit wird.