Supermacht Indexfonds : Wie Blackrock & Co Unternehmen beeinflussen
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Der größte unter den Riesen: Auch an Dax-Unternehmen hält keiner mehr Anteile als Vermögensverwalter Blackrock. Bild: Reuters
Von wegen passiv und harmlos: Vermögensverwalter wie Blackrock pochen auf marktgerechte Unternehmenspraktiken und hemmen gleichzeitig den Wettbewerb.
Der Siegeszug von Indexfonds und den dahinterstehenden Vermögensverwaltern beeindruckt: Mehr als eine Billion Dollar sind ihnen seit 2009 zugeflossen. Für rund ein Drittel des täglichen amerikanischen Aktienhandels sind sie verantwortlich.
Auch in Deutschland ist Branchenprimus Blackrock der mit Abstand größte Aktionär. Zunächst als simple und harmlose Anlageform gefeiert, wird zunehmend deutlich: Wenn Indexfonds entgleisen, bedeutet das Unruhe an den Finanzmärkten. Ihr Einfluss auf Unternehmen fand bisher wenig Beachtung. Neue Studien verheißen wenig Gutes.
Nach der Finanzkrise kamen die leicht verständlichen und vermeintlich neutralen Indexfonds gerade recht. Neutral deshalb, weil sie die Zusammensetzung eines Indexes wie dem Dax lediglich nachbilden, statt aktiv auf einzelne Unternehmen oder Branchen zu wetten. Verständlich, da sich die Meldung in der Tagesschau, der Dax habe zugelegt, direkt für den Anleger auf dem eigenen Konto nachvollziehen lässt.
Indexfonds wurden als willkommene Antithese zu komplexen und aggressiven „Heuschrecken“ präsentiert - Hedgefonds, die erfahrungsgemäß nur selten den Markt schlagen und hohe Gebühren verschlingen. Dass Indexfonds für Sparer eine attraktive Anlagealternative sind, bestreitet weiterhin kaum jemand. Die Sorgen über die möglichen Gefahren dieser gewaltigen Kapitalkonzentration werden jedoch immer größer.
Gefährlich aktiv oder gefährlich passiv?
Indexfonds kaufen und verkaufen Aktien, um die schwankenden Marktwerte von Unternehmen abzubilden. Weil sie dies im Gleichschritt und riesigem Umfang tun, können sie an volatilen Tagen Kursausschläge verschärfen und so Panik entfachen.
Der 24. August des vergangenen Jahres gab einen Vorgeschmack darauf, wie heftig dieser Verstärkereffekt sein kann. Der Dow Jones stürzte um mehr als 1000 Punkte, um nur Minuten später fast 600 Punkte wieder gutzumachen.
Auch die amerikanische Börsenaufsicht SEC beobachtet die Indexfonds schon länger mit Argwohn, erst recht seit der heftigen Marktbewegung vom August 2015.
Statt Märkte zu überhitzen, können Indexfonds sie auch ersticken - das behaupten zumindest Analysten des amerikanischen Vermögensverwalters Bernstein. Die Argumentation leuchtet ein: Damit ein Markt effizient ist - also Preise akkurat ermittelt - müssen möglichst viele Teilnehmer sich bewusst für oder gegen Produkte entscheiden, um so gemeinsam zur „unsichtbaren Hand“ zu werden.
Wenn nun immer mehr Papiere aufgrund bloßer Portfolioanpassungen von Indexfonds, statt aktiver Entscheidungen von Investoren, gehandelt werden, untergräbt das die Funktion der Märkte. Werden sie einmal von passiven Investoren dominiert, sind nach Ansicht von Bernstein sogar marxistische Planwirtschaften effizienter, da hier wenigstens der Staat bewusste Entscheidungen trifft.
Überraschend aktive „Verwalter“
Kürzlich erschienene Studien der University of Pennsylvania legen nahe, dass Indexfonds weder passiv noch neutral sind. Ganz im Gegenteil: Die Vermögensverwalter nehmen Einfluss auf die Unternehmen, an denen sie beteiligt sind, und befeuern sogar Aktionärs-Aktivismus.
Dass Indexfonds das tun, ist paradoxerweise ihrem neutralen Geschäftsmodell geschuldet. Herkömmliche Investoren können ihre Mittel abziehen, wenn ihnen etwas missfällt. Vermögensverwalter haben diese Option des Ausstiegs nicht. Schließlich bilden sie Indizes unabhängig davon ab, wie sich einzelne Unternehmen aus ihrer Sicht entwickeln.
Dass Vermögensverwalter tatsächlich Einfluss haben, begründen die Ökonomen mit der so wohl noch die dagewesenen Konzentration von Unternehmensanteilen. Die „großen Drei“ Blackrock, Vanguard und State Street sind die größten Anteilseigner von 438 der 500 größten börsennotierten amerikanischen Unternehmen, wie Forscher von der Universität von Amsterdam jüngst dokumentiert haben. In Deutschland ist Blackrock bei einem Drittel der Dax-Unternehmen größter Aktionär. Wenn diese Riesen ihre Stimme erheben, finden sie Gehör.
Damit kommt eine neue Dimension potentieller Gefahren zur Diskussion um Indexfonds hinzu: Wofür setzen Blackrock & Co ihre Macht in den Unternehmen ein? Die Ökonomen aus Pennsylvania zeigen, dass Vermögensverwalter häufig bei Kampagnen von aggressiven Minderheitsaktionären, sogenannten Shareholder Activists, aufspringen. Diese pochen bevorzugt auf geringere Hürden für feindliche Übernahmen und höhere Dividendenzahlungen - zumeist mit dem Ziel, den Aktienkurs in die Höhe zu treiben.
Enorme Kapitalkonzentration hemmt Wettbewerb
Dieser Kanon erinnert stark an das Shareholder-Value-Mantra. Was in den achtziger und neunziger Jahren noch den Zeitgeist bestimmte, sehen heute viele kritisch. Das Einfordern hoher Dividenden gehe zu Lasten langfristig notwendiger Forschungsausgaben. Die Überbetonung von Gehältern als Motivationsfaktor für Unternehmensspitzen habe eine Entkoppelung von Unternehmenserfolg und Vergütung bewirkt, lauten Kritiken.
Derlei Bedenken über ihren Einfluss auf Unternehmen weisen Vermögensverwalter von sich. Erst im Sommer dieses Jahres hatten sich die Chefs von Blackrock und Vanguard gemeinsam mit Warren Buffet und anderen Finanzgrößen in einem offenen Brief für marktorientierte und betont nachhaltige "Corporate Governance Prinzipien" starkgemacht. „Öffentlich sprechen sich die großen drei passiven Vermögensverwalter zwar für langfristige Unternehmensstrategien aus. Schaut man sich jedoch ihr Abstimmungsverhalten bei Aktionärsversammlungen an, verfolgen sie eher einen klassischen Shareholder Value Ansatz“, sagt der Politikwissenschaftler Jan Fichtner, der an der Universität Amsterdam zu dem Thema forscht.
Die Debatte darüber, wie nachhaltig der Ansatz von Aktionärs-Aktivisten und nun Vermögensverwaltern ist, wird schnell vor allem politisch. Dass Vermögensverwalter überbordende Gehälter befördern, ist dagegen eindeutig belegt - paradoxerweise liegt dies an ihrer markthemmenden Dominanz. Die „großen Drei“ sind häufig gleich in mehreren Unternehmen aus derselben Branche in großem Stile beteiligt.
Blackrock ist beispielsweise der größte Anteilseigner von vier der fünf größten amerikanischen Banken. Laut den Ökonomen Axel Ockenfels und Martin Schmalz liegt Konkurrenz in einer Branche daher nicht in ihrem Interesse: „Der Gewinn einer ganzen Branche ist dann am größten, wenn der Drang jedes einzelnen Unternehmens, den anderen Unternehmen in derselben Branche Konkurrenz zu machen, wirksam ausgeschaltet wird. Dies untergräbt den Wettbewerb und hemmt den Wohlstand der Nationen“.
Wächter des Finanzkapitalismus' aufgepasst
Dass dieses Wettbewerbshemmnis in der Konsequenz zu höherer Bezahlung von Spitzenmanagern führe, legte Schmalz gemiensam mit anderen Forschern in einem kürzlich erschienenen Aufsatz dar. Wo Vermögensverwalter eine dominante Rolle spielen, werden Manager vor allem für die Entwicklung ihrer Branche belohnt, nicht so sehr für die des eigenen Unternehmens.
Geht es beispielsweise für die Automobilindustrie insgesamt nach oben, verdienen die Spitzen von BMW selbst dann mehr, wenn ihr Unternehmen mit schlechten Ergebnissen heraussticht. Die brisante Schlussfolgerung der Ökonomen: „Große Vermögensverwalter unterstützen hohe und leistungsunabhängige Vergütung“.
Zusammen ergeben die neuen Befunde ein kurioses Bild: Einerseits fordern die vermeintlich passiven Vermögensverwalter marktgerechte Unternehmenspraktiken aktiv ein; andererseits hemmen sie den Wettbewerb und bewirken damit hohe, beinahe leistungsunabhängige Gehälter. Was die Wettbewerbspolitik vermag, bleibt vorerst abzuwarten. An politischem Gewicht dürfte es den großen Vermögensverwaltern kaum mangeln: Larry Fink, der Vorstandsvorsitzende von Blackrock, wurde als Schatten-Finanzminister von Hillary Clinton gehandelt und Donald Trump hat groß in Indexfonds des Unternehmens investiert.