Altersvorsorge in Japan : Pensionsfonds im Dienst der Abenomics
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Gut versorgt im Alter: Japaner haben eine der höchsten Lebenserwartungen überhaupt Bild: AP
Private, kapitalgedeckte Altersvorsorge spielt in Japan lange schon eine wichtige Rolle. Jetzt entdeckt die Politik sie als Wachstumsmotor. Öffentliche Vorsorgeeinrichtungen sollen riskanter anlegen.
In keinem anderen Land der Welt altert die Bevölkerung so dramatisch wie in Japan. Schon jetzt ist jeder vierte Japaner älter als 65. In den Ballungsräumen des Landes wie in der Hauptstadt Tokio fällt das dem Betrachter kaum auf, weil durch die Zentralisierung der Wirtschaft auf wenige Orte der Zuzug junger Menschen in die Metropolen ungebrochen ist. In Kleinstädten der Provinz finden sich dagegen kaum noch junge Menschen. Das hat auch Auswirkungen auf die Altersversorgung dieser Generation, die jetzt ins Erwerbsleben startet.
Japans Ministerpräsident Shinzo Abe will den Ausbau der privaten Altersvorsorge zu einem zentralen Teil seiner Wachstumsstrategie machen. Bis Ende 2014 plant die Regierung ein Programm vorzulegen, das die Japaner mit Steuervorteilen dazu bewegen soll, ihre 1,5 Billionen Yen Spargroschen stärker als bislang ohnehin schon in die private Altersvorsorge zu stecken. Vor allem Haushalte, die ihr Vermögen während der siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts angehäuft haben, in denen Japan sich anschickte, die Volkswirtschaft Nummer eins zu werden, haben bis heute große Sparvermögen. Wer in Japan älter ist als 69 Jahre, der hat im Schnitt mehr als 10 Millionen Yen (76000 Euro) auf der hohen Kante, dazu sehr oft noch Immobilienvermögen. Bei den 60 bis 69 Jahre alten Japanern sind es immerhin noch 8,6 Millionen Yen. Ganz anders sieht es bei denen aus, die heute jünger sind als 35. Jeder dritte junge Japaner arbeitet in einem ungesicherten Arbeitsverhältnis. Mittelfristig ist das die größte Herausforderung für das japanische System der Alterssicherung.
Ein Anreiz zur Privatvorsorge
Die gute Position japanischer Pensionäre hat auch damit zu tun, dass kapitalgedeckte Altersvorsorge in Japan neben dem staatlichen Rentensystem schon lange einen hohen Stellenwert hat. Das staatliche System bietet allein eine Grundversorgung. Dies wirkt als Anreiz zur Privatvorsorge. Die wichtigste Rolle spielen neben der Grundversorgung aber die Betriebe. Ihre Versorgungssysteme, oft gekoppelt an große Pensionsfonds, sind für viele Menschen der wichtigste Bestandteil ihrer Altersvorsorge – und einer der Gründe dafür, warum die Bindung zwischen Arbeitnehmer und Betrieb in Japan immer noch stark ist.
Die japanische Altersvorsorge ist in drei Schichten aufgebaut. Die Volksrente sichert für alle die Grundversorgung. Sie ist eine Pflichtversicherung für alle Japaner zwischen 20 und 59 Jahren. Mehr als rund 600 Euro bringt diese Rente auch nach 40 Beitragsjahren nicht. Wichtig ist daher die zweite Ebene. Sie ähnelt mit ihren einkommensabhängigen Beiträgen und Beitragsbemessungsgrenzen dem deutschen Rentensystem. Sie ist für die meisten Japaner die eigentliche Altersrente. Derzeit machen diese beiden Staatsrenten knapp 70 Prozent des Einkommens der japanischen Rentner aus.
Die private – zumeist betriebliche – Ebene ist die dritte. Die japanischen Pensionsfonds haben in den Jahren der Babyboomer, die in den kommenden Jahren in Rente gehen, beträchtliche Kapitalpolster angespart. Auf die hat Regierungschef Abe jetzt die begehrlichen Augen der Politik gerichtet. Private Altersvorsorge soll dabei helfen, der japanischen Wirtschaft mehr Schwung zu verleihen. Die Fonds, die ihr Geld ihrem Auftrag gemäß eher in sichere Staatsanleihen investierten, sollen riskantere Anlagestrategien wagen. Deswegen sollen sie in der nach dem Regierungschef als Abenomics bezeichneten Wirtschaftspolitik der Regierung auch eher der Förderung des Wachstums als der sicheren Altersversorgung der Anleger dienen.
Druck auf öffentliche Pensionsfonds wird größer
Japans Regierung hat das mehr als deutlich gemacht, als sie den staatlichen Pensionsfonds im vergangenen Jahr eine riskantere Anlagestrategie verordnete. Japans größter Pensionsfonds hat angekündigt, unter Druck der Regierung seine Anlagestrategie spürbar zu verändern und künftig deutlich weniger japanische Staatsanleihen zu halten. Wie der Government Pension Fund (GPIF) und das Arbeitsministerium im Spätsommer bemerkenswerterweise gemeinsam mitteilten, will der Regierungsfonds den Anteil japanischer Staatsanleihen von 67 auf 60 Prozent seiner gesamten Anlagen senken. Der Fonds, der die Altersruhegelder der Staatsangestellten verwaltet, hält etwa 112 Billionen Yen (830 Milliarden Euro) an Kapitalanlagen. Der Anteil japanischer Aktien soll von derzeit 11 auf 12 Prozent steigen, vor allem soll der Fonds jedoch im Ausland investieren. So sollen ausländische Anleihen statt 8 künftig 11 Prozent der Anlagen ausmachen, ausländische Aktien statt 9 nun 12 Prozent.
Japans Regierung erhöht seit einiger Zeit den Druck auf die öffentlichen Pensionsfonds des Landes, sich aus japanischen Staatsanleihen zurückzuziehen und verstärkt andere Anlagemöglichkeiten zu suchen. Rund 190 öffentliche Pensionsprogramme verwalten derzeit rund 200 Billionen Yen. Der GPIF gilt als der größte Pensionsfonds der Welt. Um die japanischen Fonds zu riskanteren Anlagestrategien zu bringen, erwägt das Arbeitsministerium verschiedene Maßnahmen. So sollen nicht nur Zielgrößen vorgegeben werden. Der Fonds soll künftig auch mehr Investmentspezialisten beschäftigen. Bis die neuen Zielgrößen erreicht werden, dürften auch nach Schätzungen der Regierung ein bis zwei Jahre vergehen.
Auch wenn sich Regierungschef Shinzo Abe mit der Neuausrichtung der Anlagestrategie der öffentlichen Pensionsfonds Rückenwind für die nach ihm benannte Abenomics erhofft, ist die Strategie nicht ohne Risiko. Japan ist heute bereits mit 240 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung verschuldet. Rund 90 Prozent der japanischen Staatsanleihen werden von inländischen Anlegern wie Banken oder Pensionsfonds gehalten.