Technische Analyse : Für den Euro sieht es düster aus
- -Aktualisiert am
Zum Dollar hat sich der Euro zuletzt deutlich verbilligt. Bild: Bloomberg
Die technische Analyse sieht für den Kurs zum Dollar eine kritische Marke gefallen – und auch dem DAX sind die jüngsten Entwicklungen nicht unbedingt gut bekommen.
Die Frage nach dem Warum ist der Technischen Analyse fremd. Warum Kurse fallen oder steigen, warum sie abstürzen oder durch die Decke gehen oder warum sie einfach nur ereignislos dahindümpeln, spielt für sie keine Rolle. Begründungen aus der realwirtschaftlichen oder politischen Welt sind für die technische Analyse vor allem eines: irrelevant. Sie müssen es sogar sein. Sonst wird der Erfolg im Regelfall ausbleiben. Technische Analysten, die sich erst, bewusst oder unbewusst, eine Meinung beispielsweise über die zu erwartende Entwicklung der Weltkonjunktur bilden und dann auf Charts schauen, werden nach meinen Beobachtungen selten dauerhaft gute Prognosen liefern. Zu sehr sehen sie erfahrungsgemäß die Charts nicht mehr objektiv, sondern im Licht ihrer realwirtschaftlichen Einschätzung.
Nichtsdestoweniger lebt man auch als technischer Analyst nicht auf dem Mond. Wenn in diesem Beitrag Fußnoten möglich wären, müsste ich in einer solchen ergänzen: „für den einen oder anderen überraschenderweise“. Zu sehr ist man beispielsweise einem ständigen Strom von wirtschaftlichen oder politischen Informationen ausgesetzt, die man fast unmerklich bewertet und Schlüsse aus ihnen zieht. Aber auch fast jede Diskussion hört früher oder später mit Fragen zur realwirtschaftlichen Welt auf oder fängt mit ihnen an. Was ich mir deshalb – nach der Fertigstellung meiner Einschätzung – erlaube, ist die Überlegung, von welchen „realen“ Entwicklungen die von mir erwarteten Kursentwicklungen begleitet werden könnten. Manche Antworten finden sich dabei schnell: Ein steigender Ölpreis, das ist bestimmt keine Raketenwissenschaft, geht entweder mit einer brummenden Weltwirtschaft oder einer Krise in Nahost oder beidem einher.
Als ich dem Euro hier vor ein paar Monaten eine schwere Zeit prognostizierte, konnte ich mir einmal mehr ein sehr uneiniges Europa als Begründung vorstellen, Probleme in Griechenland, weiter wachsende Zinsdifferenzen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa, eine Konjunkturabschwächung in Europa oder Ähnliches. Nicht im Traum wäre ich darauf gekommen, dass die türkische Lira den Euro das Fürchten lehren würde. Aber genau das ist geschehen: Den erwarteten Fall des Euros unter die extrem massive Unterstützung bei 1,15 Dollar darf sich die türkische Lira auf ihre Fahnen schreiben. Ich würde diese Entwicklung hier gern pointiert kommentieren. Aber ich weiß mich zu bremsen. Das ist nicht meine Aufgabe.
Wenn ein Chart unter eine Unterstützung wie die bei 1,15 Dollar fällt, dann liegt oft genug eine ziemlich spaßbefreite Situation vor. Unterstützungen sind schließlich nichts anderes als Zonen erhöhter Aufnahmebereitschaft der Investoren. Je besser die Unterstützung, desto größer die Aufnahmebereitschaft. Die Unterstützung bei 1,15 Dollar war von herausragender Qualität. Die Aufnahmebereitschaft hätte proportional dazu sein sollen. Das war sie aber nicht. Man kann sich deshalb gut vorstellen, wie sehr die Anleger beeindruckt sind und wie sehr sie deshalb Probleme auf den Euro zukommen sehen.
Als technischer Analyst kann ich wenig mehr machen, als zu konstatieren, dass dieser Chart für den Euro nichts Gutes verheißt. Auch seine technische Gesamtverfassung legt einen weiteren Kursrückgang sehr nahe. Dabei wird sich der Euro wohl nicht gleich auf die nächsten wirklich tauglichen Unterstützungen zwischen 1,035 und 1,05 Dollar zurückziehen. Aber wenigstens der halbe Weg bis dorthin wird wahrscheinlich kaum zu vermeiden sein. Ich schenke mir die Antwort auf die Frage, was den Euro auf Niveaus um oder sogar noch unter 1,10 Dollar fallen lassen könnte.
Wenn man auf der Suche nach guten Botschaften für den Euro ist, dann kann man sie durchaus bei anderen Austauschrelationen finden. Zwar dürfte sich gerade der japanische Yen gegenüber dem Euro weiter verfestigen. Ein Abschlag von weiteren 10 Prozent von aktuell etwa 127 Yen auf 115 Yen ist zumindest im Bereich des gut Möglichen. Aber gegenüber der chinesischen Währung oder aber auch beispielsweise der norwegischen Krone oder dem britischen Pfund wird man seine technische Situation als stabil bezeichnen dürfen.
Auch dem Dax sind die jüngsten Entwicklungen nicht unbedingt gut bekommen. Sie haben ihn bislang rund 700 Punkte oder 5 Prozent gekostet. Für sich genommen ist das nicht unbedingt viel. Man könnte es verschmerzen. Aber diese Entwicklung trifft ihn in einer gerade mit Blick auf die nächsten zwei bis drei Monate unverändert labilen technischen Verfassung. Nach dem heutigen Stand meiner Einschätzung müsste man es deshalb fast schon als Glücksfall bezeich-nen, wenn die Bären nur 200 bis 300 Punkte und nicht deutlich mehr draufsatteln. Hinzu kommen saisonale Aspekte: Im Durchschnitt der letzten 40 Jahre hat der Dax sich weder im August noch im September mit Ruhm bekleckert. Mit ein wenig Fatalismus geschrieben: Letztlich ist es egal, was dem Dax noch mehr zusetzen könnte. Wenn es wirklich so kommt, werden wir es nolens volens schon noch erfahren.