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Sparkassen-Kommentar : Liebe/r Kunde/*In, ...

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Marlies Krämer vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe Bild: dpa

Eine Sparkasse weigert sich, eine Kundin auch Kundin zu nennen. Warum eigentlich – und ist das schlimm?

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          Das Urteil fasst der Bundesgerichtshof kurz zusammen: „Kein Anspruch auf weibliche Personenbezeichnungen in Vordrucken und Formularen.“ Konkret geht es um Folgendes: Marlies Krämer, eine 80 Jahre alte Rentnerin aus dem Saarland, ärgert sich darüber, dass sie in den Formularen und Vordrucken ihrer Sparkasse Saarbrücken zum Beispiel als „Kontoinhaber“ statt als Kontoinhaberin genannt wird, als „Einzahler“ statt Einzahlerin und „Sparer“ statt Sparerin. In persönlichen Gesprächen und in individuellen Schreiben nennt die Sparkasse Saarbrücken die Klägerin aber richtigerweise auch „Frau Krämer“. Wie schlimm oder unschlimm das ist, soll jeder für sich entscheiden. Der BGH meint jedenfalls, dass der Klägerin durch „die Verwendung generisch maskuliner Personenbezeichnungen keine Benachteiligung“ entsteht.

          Zur Erinnerung für alle, die im Deutschunterricht nicht so gut aufgepasst haben: Ein generisches Maskulinum wird immer dann verwendet, wenn das Geschlecht unklar ist oder keine Rolle spielt oder beide Geschlechter gemeint sind – so der Duden. Seit den 1970er Jahren steht das generische Maskulinum immer wieder in der Kritik, weil gefühlt damit öfter Männer gemeint sind, wie eine Untersuchung aus dem Jahr 2006 zeigt. Ob zu Recht oder Unrecht – das sieht wohl jeder anders. Argumente wie „Das wird seit 2000 Jahren so gemacht“, wie sie das Gericht vorgebracht hat, sind zumindest sehr fragwürdig. Nur weil etwas lange schon so gemacht wird, ist es weniger richtig oder falsch. Zeiten ändern sich.

          Die Klägerin jedenfalls teilt nicht die Meinung des BGH und will notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof weiter streiten. Nun ist es natürlich Marlies Krämer freigestellt, was sie mit ihrer Rente und mit ihrer Zeit macht. Mit ihren 80 Jahren hat sie auch schon genug gesehen, um für sich selbst zu entscheiden, was für sie wichtig ist und was nicht. Schon zuvor kämpfte sie darum, dass auch meteorologische Hochs nach Frauen benannt werden dürfen – und nicht etwa nur Tiefs; oder dass es auch eine „Inhaberin“ eines amtlichen Personalausweises geben kann.

          Das IT-System könnte das einfach erledigen

          Es fällt naturgemäß Menschen schwerer, Sachen zu beurteilen, von denen sie nicht betroffen sind. Dieselfahrer lassen sich von Radfahrern ungern sagen, einfach auf das Rad umzusteigen. Hartz-4-Empfänger hören es von Ministern nicht gern, dass sie nicht wirklich arm seien. Manche fühlen sich betroffen, andere nicht. Genau deshalb lässt sich über den Sinn und Unsinn eines solchen Urteils vortrefflich streiten, oder über die Frage, ob sich darüber überhaupt jemand streiten muss und die überlasteten Gerichte sich auch noch damit beschäftigen müssen.

          Aber andersrum gefragt: Ist es für Banken im Jahr 2018 wirklich ein Problem, Formulare in zwei Geschlechtern zu drucken? Man müsste das ja nicht durch Gesetze, Vorschriften und Urteile regeln. Banken könnten es einfach als Dienstleistung an ihren Kundinnen begreifen, sie so zu nennen. Es ist heutzutage ja nicht mehr so, dass der Bankberater in seinem holzgetäfelten Büro mit schwerem, dunklem Teppichboden sitzt, seinen Füller auspackt und in schönster Sütterlin-Schrift seinen Kunden persönliche Nachrichten schreibt. Der Bankberater sitzt in seinem Büro, klickt auf das richtige Formular und es wird ausgedruckt an den Mann – oder die Frau gebracht. Das IT-System könnte den Rest erledigen.

          Der deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) als Interessenvertretung der Sparkassen ist anderer Meinung. Es würde die Komplexität der Formulare erhöhen. Warum, das kann der DSGV nicht so genau erklären – denn die Klägerin fordert ja nicht, irgendwelchen Gender-Quatsch zu machen mit Sternchen und Schrägstrichen, sondern eben nur als Frau angesprochen zu werden. Dass das aber offensichtlich nicht möglich ist oder nur unter hohen Aufwand, zeigt nicht, wie schlecht es um die Gleichstellung zwischen Mann und Frau in diesem Land gestellt ist. Es zeigt einmal mehr, wie schlecht es um die IT-Systeme deutscher Banken steht.  

          Franz Nestler
          Redakteur in der Wirtschaft.

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