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Internationale Finanzmärkte : „Europa ist Weltklasse“

Neil Dwane, Chefanlagestratege der Fondsgesellschaft Allianz Global Investors in Frankfurt. Bild: Wolfgang Eilmes

Neil Dwane, Chefanlagestratege von Allianz Global Investors, über attraktive europäische Aktien, Gefahren in Amerika und Mario Draghis schwieriges Erbe.

          4 Min.

          Herr Dwane, die Zinswende ist abgesagt, die Europäische Zentralbank (EZB) könnte ihre Geldpolitik bald noch weiter lockern. Ist das eine gute Idee?

          Dennis Kremer
          Redakteur im Ressort „Wert“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Nein. EZB-Präsident Mario Draghi hat damit alle überrascht. In der Sprache der Notenbanken, in der eine Taube symbolisch für eine lockere Geldpolitik steht, könnte man sagen: Er hat sich wie eine aggressive Taube verhalten. Damit wirkt Draghis Politik über das Ende seiner Amtszeit im Oktober hinaus. Das ist nicht die feine Art.

          Hat Draghi an der Spitze der Notenbank gute Arbeit geleistet?

          Abschließend lässt sich das noch nicht sagen, aber ich kann mir vorstellen, dass die Geschichte zu zwei Arten von Urteil kommen wird. Zum einen wird man sagen, dass er den Euroraum in der Krise zu Anfang des Jahrzehnts gerettet hat. Sein Satz, man sei bereit, alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu bewahren, bleibt eine kommunikative Meisterleistung. Zum anderen wird er aber auch als derjenige EZB-Präsident in Erinnerung bleiben, der Negativzinsen eingeführt hat – also Strafzinsen auf Einlagen bei der Zentralbank. Diese Negativzinsen belasten Europas Bankensystem erheblich. Durch sie hat sich die Profitabilität unserer Banken in etwa halbiert.

          Negativzinsen sollten dazu führen, dass Banken mehr Kredite vergeben und so die Konjunktur besser läuft.

          Der Gedanke mag gut gewesen sein, aber in der Praxis war er kontraproduktiv. Die Banken haben eben nicht mehr Kredite vergeben, weil sie in einer Welt niedriger Zinsen nicht das Gefühl hatten, damit Erträge zu verdienen, die dem dahinterstehenden Risiko gerecht würden. Und auch die Menschen haben, anders als von der EZB beabsichtigt, eben nicht mehr konsumiert, sondern stattdessen noch mehr gespart. Besonders in Deutschland ist dieses Phänomen zu beobachten. Auch das gehört zu Mario Draghis Bilanz. Vergessen wir darüber hinaus eines nicht: Bevor Draghi EZB-Chef wurde, war er Präsident der italienischen Notenbank. Und ausgerechnet Italiens Banken zählen zu den schwächsten im Euroraum.

          Die Schwäche der Banken ist nicht die einzige Sorge, die Anleger gerade umtreibt. Auch die Handelskonflikte in aller Welt belasten. Wie stellt man sich als Anleger darauf ein?

          Das ist keine einfache Aufgabe. Wir versuchen auf folgende Weise an die Sache heranzugehen: Zunächst einmal beobachten wir ständig, wo sich potentielle Ungleichgewichte in der Außenhandelsbilanz zwischen Amerika und dem Rest der Welt auftun. Präsident Trump ist darauf fixiert, es lässt sich also gut ablesen, wo sich die nächsten Spannungen ereignen werden – in Japan und Europa beispielsweise. Dann sprechen unsere Analysten mit den betroffenen Unternehmen, um abzuschätzen, wie diese darauf vorbereitet sind. So erhalten wir ein einigermaßen kohärentes Bild.

          Und was genau zeigt Ihnen dieses Bild?

          Die Weltwirtschaft ist leider nicht mehr im besten Zustand. Mit Blick auf das zweite Halbjahr frage ich mich: Wo soll das Wachstum herkommen? Amerikas Wirtschaftswachstum verlangsamt sich, der Stimulus durch Trumps Steuerreform läuft nun endgültig aus. Chinas Boom ist vorbei. Und in Europa haben wir zu allem Überfluss die Unsicherheit wegen des Brexit, der einfach in die zweite Jahreshälfte verschoben wurde. Unsere Analysten erwarten nur für Indien und Indonesien eine wirklich überzeugende wirtschaftliche Entwicklung.

          Das macht nicht gerade Lust auf Geldanlage!

          Ich sehe das anders. Das Schöne an unserem Geschäft ist doch, dass sich in jeder erdenklichen Situation immer Gelegenheiten auftun.

          Als Chefstratege einer Fondsgesellschaft sind Sie zu diesem Zweckoptimismus verpflichtet.

          Nein, da würden wir uns doch nur unglaubwürdig machen. Wir haben eine klare Überzeugung: Bei Aktien gefallen uns europäische Aktien derzeit deutlich besser als amerikanische.

          Amerikas Börsen haben zuletzt Rekorde erzielt, Europas Börsen aber nicht.

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