„Nachfrage fördern“ : Masterplan für langfristige Aktienanlage
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Sitz der DVFA in Frankfurt Bild: Marcus Kaufhold
Die von der EU gewünschte Kapitalmarktunion kommt nicht so recht voran. Der Verband der Finanzprofis DVFA fordert nun mehr nationale Anstrengungen: Etwa weniger Kapitalertragsteuer und flexiblere Anlagerichtlinien.
Die Corona-Krise hat einige Trends verstärkt. Dabei auch jenen, dass der Staat sich aktiver in die Wirtschaft einmischt. Nicht jeder findet die Entwicklung positiv. „Jetzt, im Zuge der fortschreitenden Normalisierung und gerade vor den Bundestagswahlen, ist es an der Zeit, die Stärken des Marktes hervorzuheben“, sagt Thorsten Müller, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management DVFA, der Standesorganisation der Investmentprofis, der F.A.Z.
Was die DVFA dabei brennend interessiert, ist eine Vertiefung der Kapitalmarktunion, die die EU seit nunmehr sechs Jahren anstrebt. Auf der Angebotsseite sei zwar einiges passiert, aber man habe es versäumt, auch die Nachfrage zu fördern. Ko-Vorstand Ingo Mainert ist kritischer: „Seit fünf Jahren dreht sich die Diskussion wenig konkret auf einer Metaebene. Vielleicht ist das neben dem Brexit auch ein Grund, warum das Projekt nicht so recht vorangekommen ist.“
Bislang seien die Maßnahmen eher von oben gekommen. Mit einem 7-Punkte-Plan will die DVFA eine Diskussion von unten anstoßen. Dazu müsse man in den Nationalstaaten ansetzen, wobei Mainert gerade in Deutschland „in einigen Segmenten Aufholpotenzial“ sieht.
Sparer-Pauschbetrag an Inflation koppeln
So fordert die DVFA Erleichterungen für professionelle und private Anleger, um die Aktienanlage mit Bezug auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die auch im Fokus der Kapitalmarktunion stehen, attraktiver und langfristiger zu gestalten. Das sei nicht nur mit Blick auf mehr Eigeninitiative in der Altersvorsorge geboten, für die Zinseinkünfte kaum noch eine Rolle spielten.
Vielmehr gehe es auch um eine Verbreiterung der Unternehmensfinanzierung, die in Europa gerade bei KMU immer noch zu stark bankenabhängig sei. Konkret denkt man etwa an eine Lockerung der Vorschriften für Versicherer (Solvency II), die derzeit in Deutschland so weniger als 5 Prozent überhaupt noch Aktien hielten.
Vor allem aber in der Besteuerung muss sich aus Sicht der Organisation einiges ändern. So unterstützt die DVFA den Vorschlag des Fondsverbandes BVI, den Sparer-Pauschbetrag nicht nur deutlich aufzustocken, sondern auch diesen an Inflations- und Lohnentwicklung zu koppeln und ein Vortragen nicht genutzter Beträge zuzulassen. Das könne auch für weniger Vermögende ein Anreiz sein, mit dem Aktiensparen zu beginnen. Weiter plädiert man für die Wiedereinführung einer Spekulationsfrist sowie dafür, die Nachteile etwa gegen Bitcoin abzubauen, deren Verkauf schon nach einem Jahr steuerfrei ist. Dabei denkt die DVFA an eine Frist von 5 Jahren für Aktien.
Spekulationsfrist für Aktien
„Wir versprechen uns angesichts der aktuell viel kürzeren Haltedauern auch eine Signalwirkung für die Aktie als Langfristanlage“, sagt Mainert. Aus seiner Sicht habe in der jüngeren Phase der Regulierung der Liquiditätsaspekt die realwirtschaftlichen Aspekte dominiert. Mit der Vorgabe der jederzeitigen Veräußerbarkeit seien Investmentfonds aus KMU förmlich hinausgedrängt worden.
Hier fordert die DVFA Lockerungen. Auch eine Heraufsetzung der Schwelle für die Klassifikation von KMU von 200 Millionen auf eine Milliarde Euro könne zu mehr Attraktivität dieser Unternehmen beitragen. Speziell mit Blick auf KMU wirbt die Organisation auch für eine reduzierte Besteuerung von Dividenden und Anleihezinsen.
Dabei will die DVFA selbst aktiv werden, indem man künftig eine Zertifizierung für kleine Researchhäuser anbietet. Das sende ein positives Signal an Investoren und stärke die Nachvollziehbarkeit der Analysen. Europaweit könnte diese Zertifizierung über den europäischen Analystenverband EFFAS erfolgen.
Mit gutem Beispiel vorangehen müssten aber die Nationalstaaten, ist Müller überzeugt. Denn die Märkte für Aktien kleiner und mittlerer Unternehmen seien national. „Dort müssen wir die Weichen stellen, ohne starke nationale Märkte wird eine Kapitalmarktunion nicht funktionieren. Dabei muss man in Deutschland keineswegs alles neu erfinden“, sagt er. Italien, Schweden oder Norwegen hätten für Börsengänge bereits erfolgreiche Lösungen gefunden, an denen man sich orientieren könne.