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Kapitalmarkt : Der Klimawandel wird zum Anlagerisiko

Klimawandel: Ein schmelzender Eisberg treibt im Kongsfjord bei Spitzbergen Bild: dpa

Vermögensverwalter setzen auf nachhaltige Kapitalanlagen zum Schutz gegen Kurskorrekturen. Vor allem in einem Land sind die Fondsgesellschaften besonders aktiv.

          3 Min.

          Als Gesprächsthema steht der Klimawandel derzeit ganz weit oben: Freunde schicken Fotos vom Sonnenschein am Nordkap, wo es 26 Grad warm ist. „Dem Klimawandel sei dank“, schreiben sie leicht zynisch dazu. Auf der Grillparty unterhalten sich Bewohner des Frankfurter Nordends immer häufiger darüber, wie sich die Altbauwohnungen in den heißen Sommermonaten am besten abkühlen lassen. Wie die Wohnung im Winter warm wird, ist dagegen kein Thema mehr. Auch am Kapitalmarkt spielt der Klimawandel eine stetig wachsende Rolle. Nachhaltige Anlagen wachsen im atemberaubenden Tempo. Nicht nur zur Imagepflege von Banken und Vermögensverwaltern.

          Markus Frühauf
          Redakteur in der Wirtschaft.

          „Wir sind in dieser Frage an einem Wendepunkt angelangt“, sagt Frédéric Samama, der für die französische Fondsgesellschaft Amundi institutionelle Kunden betreut. Langfristig orientierte Investoren wie zum Beispiel Pensionsfonds oder Lebensversicherer berücksichtigten den Klimawandel zunehmend in ihren Anlageentscheidungen, weil er ein großes Risiko darstelle.

          Diesen Bedarf bedient Amundi, die Vermögen von 1,5 Billionen Euro verwaltet und von der französischen Großbank Crédit Agricole kontrolliert wird. „Wird dieses Risiko falsch bepreist, dann droht eine Korrektur“, warnt Samama. Gerade französische Vermögensverwalter bemühen sich auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit gegenwärtig auffallend stark. Das liegt auch an dem Klimagipfel, der im Dezember 2015 in Paris stattgefunden hatte. Dort wurden Maßnahmen beschlossen, um die Erwärmung rund um den Erdball auf deutlich unter 2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

          Frankreich in einer Führungsrolle

          Samama sieht Frankreich hier in einer Führungsrolle, was er auch mit dem politischen Willen begründet. Ein Gesetz verpflichtet die französischen Vermögensverwalter, ihre nachhaltigen Anlagen sowie ihr auf den Klimawandel bezogenes Risiko auszuweisen. Ein Risiko kann dabei die von Samama erwähnte falsche Bepreisung von Aktien oder Anleihen sein. „Viele Akteure an den Finanzmärkten sind noch immer zu kurzfristig ausgerichtet, weshalb die Klimarisiken in den Kursen noch längst nicht vollständig berücksichtigt sind“, sagt er. Das könne sich als großer Fehler erweisen, wie das Beispiel der Kohleunternehmen zeige. Deren Marktkapitalisierung sei in den vergangenen Jahren massiv gesunken.

          Auch die französische Fondsgesellschaft Ostrum setzt verstärkt darauf: „Die Kriterien der Nachhaltigkeit werden immer bedeutender“, sagt der Vorstandschef Matthieu Duncan zur F.A.Z. Ostrum verwaltet 315 Milliarden Euro an Vermögen und gehört zu Natixis, der Investmentbank der französischen Volksbanken und Sparkassen (Groupe BPCE).

          Bislang hat Ostrum schon rund 1,7 Milliarden Euro in grüne Anleihen investiert. Das ist gemessen am Volumen des Gesamtmarkts für Green Bonds von 155 Milliarden Dollar viel. Allerdings ist der Markt für Anleihen, die ökologischen Zwecken dienen, noch immer klein. Der Gesamtmarkt für Anleihen hat nach Schätzung der amerikanischen Fondsgesellschaft Pimco ein Volumen von 100 Billionen Dollar.

          Bereitschaft zu nachhaltigen Anlagen

          Die Vorschläge der EU-Kommission, den Finanzmarkt nachhaltig auszurichten, gehen nach Ansicht von Duncan in die richtige Richtung: „Kriterien für den Schutz der Umwelt und des Klimas sind gut für die Menschheit.“ Grundsätzlich hält Duncan das kapitalistische System für sehr effektiv, weil es den Einzelnen dazu bringt, eigenverantwortlich zu handeln. „Daraus können aber auch Risiken für die Allgemeinheit entstehen, weshalb Rahmenbedingungen nötig sind.“ Anreize für nachhaltige Investitionen gehörten dazu, verteidigt er die Vorschläge der Kommission, die mit Hilfe eines nachhaltig orientierten Finanzmarkts die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent senken will. Den dafür erforderlichen Investitionsbedarf schätzt Brüssel auf 180 Milliarden Euro im Jahr.

          Deshalb ist es notwendig, Banken, Versicherer und Vermögensverwalter für die Finanzierung zu gewinnen. Die Vorschläge der Kommission sehen auch Kapitalerleichterungen vor, wenn Banken ökologische Projekte finanzieren. „Wir sind der festen Überzeugung, dass die Bereitschaft zu nachhaltigen Anlagen freiwillig erfolgen muss, aber nicht von oben verordnet werden darf“, sagt Bernhard Matthes, Portfoliomanager der Bank für Kirche und Caritas (BKC). Auch deutsche Bankenverbände haben die in Brüssel diskutierten Kapitalnachlässe für grüne Kredite bislang kritisiert.

          Die in Paderborn ansässige Bank, die Kirchengemeinden, das Erzbistum Paderborn oder caritative Einrichtungen zu ihren Kunden zählt, orientiert sich in der Vermögensverwaltung an ökologischen und sozialen Kriterien sowie guter Unternehmensführung. Diese Kritierien werden am Finanzmarkt nach den englischen Begriffen (Environment, Social, Governance) mit ESG abgekürzt. Nach Ansicht von Matthes gehören sie zur DNA seiner Bank: „99 Prozent unserer Anlagen sind nachhaltig.“

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