Friedrich Merz im Interview : „5 Euro am Tag reichen, um reich zu werden“
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Friedrich Merz, 62, war Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ist heute Aufsichtsratschef für Deutschland des Vermögensverwalters Blackrock. Bild: Andreas Pein
Der frühere CDU-Politiker Friedrich Merz arbeitet heute für Blackrock, den größten Vermögensverwalter der Welt. Er warnt vor China, wirbt für deutsche Aktien – und stellt eine interessante Rechnung auf.
Herr Merz, was ist besser für Deutschland: eine Neuauflage der großen Koalition oder eine Minderheitsregierung?
Jeder Zustand ist besser als der gegenwärtige. Eine Regierung kann ja nicht unbegrenzt geschäftsführend im Amt bleiben. Die Verantwortlichen müssen zusehen, dass sich dies so schnell wie möglich ändert.
Man hat nicht den Eindruck, Deutschland wäre paralysiert, weil wir noch keine neue Regierung haben.
Zugestanden: In Belgien ging es der Wirtschaft in dem Jahr ohne Regierung sogar richtig gut. Das kann man aber nicht auf Deutschland übertragen. Eine geschäftsführende Bundesregierung ist eben nur begrenzt handlungsfähig. Ein Staat von der Größe der Bundesrepublik Deutschland darf sich das nicht allzu lange erlauben.
Könnten Sie sich auch eine Minderheitsregierung vorstellen, falls CDU, CSU und SPD sich nicht einigen?
Das Grundgesetz sieht eine Minderheitsregierung ausdrücklich vor. Dies ist ja nichts, was am Rande der Verfassung stattfinden würde. Im Gegenteil: Unser Grundgesetz räumt die Möglichkeit ein, dass ein Bundeskanzler mit einfacher Mehrheit gewählt werden kann. Dies wäre neu für Deutschland, in der Tat. Aber allein dass es neu ist, kann noch kein Grund dafür sein, eine Minderheitsregierung grundsätzlich abzulehnen. Ich gehöre jedenfalls nicht zu denen, die finden, dass man diese Option von vornherein ausschließen sollte.
Hat man Sie um Ihren Rat gebeten?
Ich stehe mit dem ein oder anderen in Kontakt. Das ist aber keine Tätigkeit, der ich regelmäßig nachgehe. Und bevor die Frage kommt: Ich habe nicht die Absicht, in die aktive Politik zurückzukehren.
Sie bleiben aber ein politischer Mensch. Was bringt das Jahr 2018 an Herausforderungen mit sich?
Wir befinden uns gerade in einer Phase großer Unsicherheiten und Veränderungen. Wir sind Zeitzeugen geradezu tektonischer Verschiebungen der politischen und ökonomischen Machtzentren. Wir Deutsche neigen dazu, die Welt sehr eurozentrisch zu sehen, allerhöchstens noch transatlantisch. Doch die Welt besteht nicht nur aus Europäern und Amerikanern. Die großen Wachstumsregionen befinden sich in Asien. Wir sollten uns viel mehr damit beschäftigen, was sich insbesondere in China tut.
Müssen wir China fürchten?
Die Chinesen verfolgen einen strategischen Plan: Sie wollen eine autoritäre politische Führung einer Einparteienherrschaft mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung verbinden und erheben dabei zugleich einen globalen Machtanspruch. Den Schneid sollten wir uns nicht abkaufen lassen, wir müssen unser Modell liberaler Gesellschaften und offener Märkte dagegenhalten. Das Beunruhigende ist nur, dass dies praktisch nicht geschieht. Auf Chinas strategischen Plan hat Europa erkennbar keine Antwort, während die Vereinigten Staaten vor allem mit sich selbst ringen.
Soll die Welt etwa keine Geschäfte mit China mehr betreiben?
Es ist vollkommen richtig, mit China im Geschäft zu bleiben. Sehen Sie nur die deutsche Autoindustrie an: Ohne China hätte sie niemals die starke Stellung erreichen können, die sie heute hat. Die Frage ist nur, ob wir das alles einfach nur so hinnehmen, was in China gerade geschieht – etwa die immer stärkere Einflussnahme staatlicher Funktionäre direkt in den Unternehmen, die wieder zunehmende Zensur im Internet und in den Medien sowie die Unterdrückung der grundlegenden Freiheitsrechte der Bürger. Europa und Amerika müssen darauf eine gemeinsame politische Antwort finden.
Wie soll die aussehen?
Einigkeit im Auftreten der Europäer wäre schon einmal ein Anfang. Es war im Übrigen ein gravierender politischer Fehler, die beiden Freihandelsprojekte TTIP zwischen Amerika und Europa und TTP zwischen Amerika und Asien scheitern zu lassen. Amerika hat mit dem Austritt aus TPP ohne Not auf seinen politischen Einfluss in der am schnellsten wachsenden Region der Welt verzichtet. Da es in der Politik aber kein Vakuum gibt, besetzt jetzt China die frei gewordene Stelle als Initiator einer großen Freihandelszone in Asien. Die strategische Bedeutung von Handelsverträgen wird allerdings nicht nur in Amerika falsch eingeschätzt, sondern auch hierzulande.