Deutsche Mode im Niedergang : Warum die Gerry-Weber-Insolvenz nicht überraschend kommt
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Gerry Weber: Zeitlose Mode ist doch nicht immer gefragt. Bild: dpa
Gerry Weber ist insolvent. Der Gang zum Amtsrichter war spätestens nach der Kursentwicklung am Donnerstag absehbar. Es ist aber auch eine weitere Etappe im Niedergang eine Branche.
Gerry Weber hat einen Insolvenzantrag gestellt. Das kommt nicht überraschend, stand das Unternehmen doch spätestens seit November mit dem Rücken zur Wand, nachdem die Schuldscheingläubiger ihre fälligen Forderungen noch bis Ende Januar gestundet hatten.
Beobachter des Aktienkurses mussten es allerdings schon am Tag vorher ahnen, als der Aktienkurs gegen Mittag unvermittelt und ohne sichtbaren Anlass um 13 Prozent auf ein Allzeittief einbrach.
Die Vermutung liegt nahe, dass zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung gefallen sein könnte, den Gang zum Insolvenzrichter anzutreten. Dann hätten einige Eingeweihte noch rechtzeitig Aktien verkauft, was wohl den Tatbestand des Insiderhandels erfüllen würde. Ohne zu wissen, wer aber verkauft hat und ob die Verkäufer von einem möglicherweise geplanten Insolvenzantrag etwas wussten, kann der Vorwurf nicht ohne weiteres erhoben werden. Es ist eben doch nur eine naheliegende Vermutung.
Dass Gerry Weber am Donnerstag die Kursbewegung nicht kommentieren wollte und sagte, es gebe keine Nachrichten, entspricht dem üblichen Procedere in diesen Fällen. Denn diese Information an einzelne Beobachter weiterzugeben, entspräche gleichfalls der Weitergabe von Insider-Informationen.
Insofern konnten Beobachter am Donnerstag aus der Kursbewegung schließen: Es kommt etwas Großes, Negatives, womöglich ein Insolvenzantrag. Das wäre immer noch ein ausreichendes Argument, um sich noch rasch von Aktien zu trennen.
Niedergang eine Branche
Die Insolvenz von Gerry Weber ist insgesamt eine weitere Etappe im Niedergang der deutschen Modebranche, der schon lange währt. Und es zeigt einmal mehr das Muster, nachdem Branchen schrumpfen: Zunächst ist der Abstieg schleichend. Die Umsätze stagnieren im Trend oder gehen leicht zurück. Preisdruck lässt die Erträge sinken, dagegen geht man mit Kostensenkungen an. Irgendwann fällt die Branche von der Klippe: Verschlechterte Bilanzen belasten die Investitionskraft, die Sparmaßnahmen verschlechtern das Markenimage. Die Umsätze geraten ins Rutschen und das Aus kommt schnell.
Die deutsche Modebranche reagierte in vielen Fällen zu wenig konsequent und hielt oft zulange wichtige Unternehmensbereiche wie Design, aber auch Produktion in Deutschland aufrecht, was aufgrund der Konkurrenzsituation nicht durchzuhalten war. So konnte sie nicht konkurrenzfähiger werden und das trieb sie auf die Klippe zu.
Unter Druck von allen Seiten
Es traf dabei vor allem die mittleren Hersteller und Händler wie eben Gerry Weber. Marken, die stark genug waren, um nicht beim Discounter vertrieben zu werden, die aber zu schwach waren, um große Margen erzielen zu können.
Auf „zeitlose Qualitätsmode“ zu setzen, war nicht zielführend. Denn am Ende möchte heute auch die Mitt-Fünfzigerin modisch angezogen sein. Sie trägt vielleicht keine oder weniger Hotpants, Miniröcke oder Spaghetti-Träger-Tops, doch was sie anzieht, soll modern sein.
Doch was modern ist, ändert sich zu rasch. Mit der Aussicht, das Kleidungsstück in einem Jahr nicht mehr tragen zu können, sinkt die Zahlungsbereitschaft. Letztlich stimmt dann das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht: Der Status nicht hoch genug für den Preis, für aktuelle Mode aber zu teuer
Und so scheiterten nacheinander Escada, der Nachfolger Laurèl, René Lézard und jetzt Gerry Weber. More&More und Peine flüchteten sich in ausländische Hände. Mit den Mode-Unternehmen scheiterten auch die Handelsketten Steilmann-Boecker und Rudolf Wöhrl, die obendrein den Online-Handel versäumt hatten.
Gerry Weber hatte sich zudem mit einer allzu üppigen nationalen und internationalen Expansion mit eigenen Läden verhoben. Gerade erst vor wenigen Tagen mussten deutlich Abschreibungen auf skandinavische Tochtergesellschaften bekannt gegeben werden.
Für das Unternehmen Gerry Weber muss der Insolvenzantrag nicht das endgültige Aus bedeuten. Doch betrachtet man das Schicksal der anderen genannten deutschen Mode-Unternehmen, so dürften die notwendigen Veränderungen einschneidend werden.
Peine gehört mittlerweile mehrheitlich einem chinesischen Investor. More&More gehört seit 2018 mehrheitlich dem türkischen Textilkonzern Cemsel. Auch die Mehrheit von René Lezard wird an diesen gehen. Gut möglich, dass Cemsel-Gründer und -Eigentümer Yasar Esgin auch an Gerry Weber interessiert ist.