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Blockchain-Regulierung : Begrüßenswerter Alleingang mit Gefahren

  • -Aktualisiert am

Revolutionäre Technik: die Blockchain Bild: Reuters

Die Bundesregierung hat die Bedeutung der Blockchain erkannt und im Rekordtempo einen Regulierungsrahmen geschaffen. Was im Sinne des Anlegerschutzes begrüßenswert ist, birgt aber auch Probleme. Ein Gastbeitrag.

          3 Min.

          Seit Jahresbeginn werden Geschäftsmodelle reguliert, die sich mit digitalen Vermögenswerten (Kryptowerten) wie etwa Bitcoins oder anderen Kryptowährungen beschäftigen. Deutschland ist damit Vorreiter in Europa. Kurzfristig hat dies erhebliche Auswirkungen auf deutsche Finanztechnologie-Unternehmen (Fintechs); mittelfristig möglicherweise auf den gesamten Kapitalmarkt, weil blockchain-basierte Wertpapiere nunmehr reguliert werden.

          Die Blockchain-Technologie eröffnet die Möglichkeit, digitale Vermögenswerte an Kapitalmärkten zu handeln. Bitcoin, Ethereum und andere Kryptowährungen sind aktuell bedeutsame Anwendungsfälle der Blockchain-Technologie. Diese ermöglicht es zudem, digitale Wertpapiere (sogenannte Token) zu emittieren und zu handeln.

          Die Bundesregierung hat die Bedeutung der Blockchain-Strategie erkannt und im September 2019 eine solche veröffentlicht, in der sie ankündigte, „die Weichen für eine Token-Ökonomie“ stellen zu wollen. Nun lässt sie ihren Worten Taten folgen. Zum 1. Januar hat sie das erste Gesetz auf den Weg gebracht, das digitalen Anlageprodukte reguliert. Sie hat die Vorgaben der europäischen Geldwäscherichtlinie zum Anlass genommen, eine neue Erlaubnispflicht für Finanzdienstleistungen rund um Geschäfte mit Kryptowerten und blockchain-basierten Vermögensgegenständen zu schaffen.

          Reguliert wie die übrige Finanzindustrie

          Das Bundesgesetz, das Ende 2019 verabschiedet wurde, geht allerdings deutlich über das hinaus, was die Richtlinie auf europäischer Ebene vorschreibt. Diese verlangt von den Mitgliedstaaten lediglich, Anbietern von elektronischen Geldbörsen, die zur Verwahrung virtueller Währungen genutzt werden, geldwäscherechtlichen Prüfungen zu unterziehen. Der deutsche Gesetzgeber greift im Hinblick auf digitale Vermögenswerte und Kryptowährungen einer einheitlichen Regulierung auf europäischer Ebene voraus.

          Diese neuen Regulierungsvorgaben sind nicht zu unterschätzen. Viele kleine Unternehmen aus dem In- und Ausland, die Dienstleistungen rund um diese digitalen Vermögenswerte für Kunden aus Deutschland anbieten, werden nun genauso stark reguliert wie die übrige deutsche Finanzindustrie. Damit wurde aber auch eine Gesetzgebung umgesetzt, die faktisch dazu führen wird, dass mit höherem Anlegerschutzniveau in Bitcoin und andere Kryptowerte investieren werden kann.

          In einem neuen Tatbestand des Kreditwesengesetzes (KWG) wird nun die Verwahrung zur erlaubnispflichtigen Finanzdienstleistung erhoben. Der Begriff der Kryptowerte ist sehr weit zu verstehen und umfasst blockchain-basierte Bezahleinheiten wie Bitcoin oder Ethereum, aber auch tokenisierte Anlageprodukte wie digitale Wertpapiere (Security Token). Diskussionen um die aufsichtsrechtliche Einordnung solcher digitaler Finanzprodukte sind mit dem neuen Gesetz beendet.

          Nicht mehr ohne Lizenz

          Ohne auf Detailfragen einzugehen, wird schnell klar, dass eine Vielzahl von Dienstleistungen rund um Kryptowerte, also auch für Bitcoin, von dem neuen Erlaubnistatbestand betroffen sein können. So werden insbesondere die derzeit schon bestehenden Krypto-Tauschbörsen, wie etwa die Digital Exchange der Börse Stuttgart (BSDEX), Bitcoin.de, Bitstamp oder Coinbase eine Bafin-Lizenz beantragen müssen. Diesen bieten schon heute ihre Dienstleistungen Anlegern in Deutschland an; es gibt derzeit gut 800.000 Besitzer von Kryptowährungen.

          Daher muss jeder, der Dienstleistungen in diesem Umfeld anbietet, genau prüfen, ob er diese ohne Bafin-Erlaubnis weiter anbieten darf. Insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das Betreiben regulierter Finanzdienstleistungen ohne entsprechende Lizenz eine Straftat ist, die mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden kann.

          Die ganz überwiegende Anzahl von Geschäftsmodellen wird voraussichtlich von nun an einer entsprechenden Lizenz bedürfen, da zumindest die temporäre Verwahrung von fremden Kryptowerten in fast allen blockchain-bezogenen Geschäftsmodellen eine Rolle spielt. Für Unternehmen, die schon 2019 Geschäft betrieben haben, das nun erlaubnispflichtig wird, gibt es allerdings eine Übergangsregelung bis Ende November 2020.

          Da es sich bei der Digitalisierung des Kapitalmarktes durch blockchain-basierte Wertrechte um ein globales Phänomen handelt, überrascht, dass der deutsche Gesetzgeber hier nun auf nationaler Ebene vorgeprescht ist. Einerseits ist dies sicher ein bedeutendes Signal, das deutlich macht, dass sich der Gesetzgeber der unausweichlichen digitalen Transformation im Bereich der Kapitalmärkte frühzeitig annimmt. Andererseits birgt eine rein deutsche Regulierung, die nicht europäisch harmonisiert ist, natürlich auch die Gefahr, dass innovative Blockchain-Geschäftsmodelle ins (noch) nicht regulierte europäische Ausland verlagert werden.

          Deutschland versucht als eines der ersten Länder, einen rechtssicheren Rahmen für Kryptowerte zu schaffen, und gewährleistet durch diese neuen Regelungen auch ein Anlegerschutzniveau, das weltweit einzigartig sein dürfte. Hierzu sollte man der Bundesregierung gratulieren. Institutionelle Investoren werden noch in diesem Jahr eine regulatorische Basis vorfinden, um Investitionen in digitale Vermögenswerte zu tätigen. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass die Unternehmen, die Dienstleistungen rund um diese Kryptowerte anbieten, nicht unerhebliche regulatorische Vorgaben erfüllen müssen.

          Innerhalb Europas dürfte das Voranschreiten Deutschlands auch die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden erschweren und könnte der Digitalisierung der Kapitalmärkte vorerst innereuropäische Hürden bescheren, jedenfalls solange, bis die EU mit einer europaweiten Regulierung von blockchain-basierten Vermögenswerten nachzieht. Auf der anderen Seite kann man nun aber in Deutschland „live“ beobachten, wie Fintech-Startups und etablierte Banken und Börsen mit den neuen Regeln umgehen. Vielleicht lässt sich Brüssel hierbei von guten Regeln inspirieren und auch von der hohen Geschwindigkeit des deutschen Gesetzgebers beeindrucken? Wünschenswert wäre es.

          Die Autoren

          Philipp Sandner ist Professor an der Frankfurt School of Finance & Management und
          Leiter des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC).
          Johannes Blassl arbeitet als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht.

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