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Finanzinstitute : Informatiker in die Bankvorstände

Die BaFin will mehr Informatiker in die Bankvorstände bringen. Bild: dpa

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin will dafür sorgen, dass in die Führungsetagen der Finanzinstitute mehr Computerkenntnisse einziehen. Die Beweggründe sind vielfältig.

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          Funktionierende und sichere Computersysteme sind für Banken und andere Finanzinstitute inzwischen zur unerlässlichen Grundvoraussetzung geworden. Nicht nur die Kunden erledigen immer mehr Bankgeschäfte digital; auch im Hintergrund laufen kaum noch Prozesse ohne die Mithilfe von Computern und Rechenzentren ab. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin will nun dafür sorgen, dass in die Führungsetagen der Finanzinstitute mehr Computerkenntnisse einziehen und senkt dafür nun die Eintrittshürden: In der Eignungsprüfung neuer Vorstände und Geschäftsleiter lockert sie die Regeln, um Banken die Einstellung von reinen IT-Fachleuten zu vereinfachen.

          Tim Kanning
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Künftig müssen Geschäftsleiter, die sich um die Informationstechnologie (IT) in der Bank kümmern sollen, weniger Erfahrung im Bankgeschäft mitbringen als bisher. Bislang müssen auch die IT-Verantwortlichen umfassende Bankerfahrung vorweisen. Frank Annuscheit etwa, der die IT im Commerzbank-Vorstand verantwortet, hat schon lange vor seinem Aufstieg dorthin in verschiedenen Kreditinstituten gearbeitet. Kim Hammonds, die die Computersysteme der Deutschen Bank auf Vordermann bringen soll, konnte im Jahr 2016 erst drei Jahre nach ihrem Wechsel vom Flugzeugkonzern Boeing in das Kreditinstitut auf ihren Vorstandsposten aufsteigen.

          Sechs Monate an Erfahrungen reichen

          Wie die Bafin in ihrem nun veröffentlichten Monatsheft Dezember ausführt, soll es künftig reichen, wenn ein potentieller Geschäftsleiter für die IT sechs Monate vor seinem Amtsantritt Erfahrungen in verschiedenen Geschäftsteilen der Bank sammelt und sich nebenher auch theoretisches Wissen über das Metier aneignet. Diese erleichterten Bedingungen sollen aber nur gelten, wenn ein Kandidat speziell für das IT-Ressort eingestellt wird und ausreichend Kenntnisse und Berufserfahrung zu Computersystemen vorweisen kann.

          In dem Monatsheft beschreibt die Bafin die Beweggründe, die sie zu der Änderung geleitet haben. Darin wird deutlich, welchen Stellenwert die Aufseher den IT-Systemen der Banken inzwischen beimessen. Die zunehmende Digitalisierung führe dazu, dass die Informationstechnik für die Risikolage von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen eine überragende Bedeutung entwickelt habe, schreiben Constanze Wabnitz und Oliver Lange in dem Artikel. Sie arbeiten im Bafin-Referat für die Fortentwicklung nationalen Rechts im Bankensektor. Weiter warnen sie, dass Schwächen in der IT-Sicherheit kurzfristig zu existenzbedrohenden Risiken führen könnten.

          Und auch die Wettbewerbsfähigkeit der Banken und Versicherungsunternehmen könnten veraltete IT-Strukturen und -Systeme und die damit verbundenen Ineffizienzen erheblich beeinträchtigen. „Die Informationstechnik hat sich daher in den letzten Jahren zunehmend von einer Basisinfrastruktur für Bank- und Versicherungsgeschäfte zur Schlüsseltechnologie für neue Wertschöpfungsketten entwickelt“, schreiben die beiden Aufsichtsmitarbeiter weiter.

          Neue Regelung bedeutet einen Paradigmenwechsel

          Eine Rechtsänderung hält die Bafin nicht für erforderlich. Die Regelungen, die das Kreditwesengesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz für die Anforderungen an die fachliche Eignung von Geschäftsleitern bereithalten, seien ausreichend „auslegungsfähig“. Im Aufsichtsjargon schreiben die beiden Autoren, die Bafin passe die „Verwaltungspraxis in Bezug auf die erforderlichen praktischen Erfahrungen von Geschäftsleitern an“.

          Auch auf europäischer Ebene hat es schon ähnliche Anpassungen an die Neuzeit gegeben. Sowohl die Europäische Bankenaufsicht Eba als auch die Wertpapieraufsicht Esma veröffentlichten Ende September überarbeitete Leitlinien für die Eignungsbeurteilung von potentiellen leitenden Mitarbeitern, die besonders auf die gestiegene Bedeutung des IT-Wissens in den Finanzinstituten eingingen.

          Die neue Regelung bedeutet einen Paradigmenwechsel für die Auswahl von Bankvorständen: Nicht jeder muss mehr alles können, stattdessen gewinnt die „kollektive Eignung der Geschäftsleitung“ an Bedeutung, wie die beiden Autoren von der Bafin schreiben. In der Praxis ließe sich das womöglich noch auf weitere Fachgebiete innerhalb der Leitungsgremien ausweiten.

          Allerdings verweisen die Autoren auch auf die Grenzen der Flexibilisierung. Ganz ohne Bankwissen geht es dann auch nicht: Schließlich gelte für jeden Geschäftsleiter auch eine Gesamtverantwortung für das Institut, und manche Entscheidung in Banken, zum Beispiel über strittige Großkredite, müsse der Vorstand einstimmig beschließen.

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