Faule Kredite : Folgen der Krise überdauern das Jahrzehnt
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Kommt schon bald die nächste Krise auf die Banken zu? Bild: dpa
Vor zehn Jahren brach die Finanzkrise aus. Was ist seither geschehen und ist eine neue Krise wahrscheinlich? Das sagen Ökonomen.
Am zuversichtlichsten ist Janet Yellen. Die Präsidentin der amerikanischen Notenbank Federal Reserve hat sich vor kurzem weit aus dem Fenster gelehnt, als sie sagte, dass sie zu ihren Lebzeiten keine neue Finanzkrise erwartet. Deutsche Ökonomen sind da weniger optimistisch. Doch alle sind sich einig, dass die Finanzwelt ein Jahrzehnt nach dem Ausbruch der Finanzkrise in den Vereinigten Staaten nicht mehr dieselbe ist. Im Sommer 2007 kamen die Ausfälle amerikanischer Immobilienkredite auch in Deutschland an, als für die IKB Deutsche Industriebank ein Rettungspaket geschnürt werden musste.
Yellen stützt ihre Zuversicht auf die jüngsten Belastungstests amerikanischer Banken. Diese haben ihr Eigenkapital deutlich aufgestockt und können so hohe Verluste besser abfedern als in der Finanzkrise. In Europa sieht es anders aus: Hier kämpfen die Banken in Südeuropa, insbesondere in Italien, gegen ihre hohen Berge an faulen Krediten an. Erst kürzlich genehmigte die EU-Kommission für drei italienische Banken, darunter Monte dei Paschi di Siena, wieder staatliche Hilfen.
Die notleidenden Forderungen, an denen die Banken in den Euro-Krisenländern litten, stimmen Clemens Fuest, Präsident des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, skeptisch: „Wir werden die Folgen der Krise noch lange spüren“, sagte er dieser Zeitung. Seiner Ansicht nach hat sich die Wirtschaft nur sehr zögerlich erholt. Vor allem aber sei die Staatsverschuldung in vielen Ländern deutlich höher als vor der Krise, was die Handlungsspielräume in künftigen Krisen stark beschränke.
Die Bonner Ökonomin Isabel Schnabel, die als „Wirtschaftsweise“ im Sachverständigenrat des Bundesregierung sitzt, sieht die größten akuten Risiken ebenfalls im europäischen Bankensektor: „Die Altlasten der Krise sind noch nicht beseitigt.“ Viele Schwächen der Bankenregulierung wurden in der Vergangenheit zwar adressiert, etwa durch höhere Eigenkapitalanforderungen oder die Einführung spezieller Abwicklungsregeln für Banken. Doch seien die Banken noch immer nicht hinreichend kapitalisiert, um wirklich widerstandsfähig gegen Schocks zu sein.
Die jüngsten Staatshilfen für italienische Banken hat Bundesbankpräsident Jens Weidmann scharf kritisiert. Als eine wichtige Lehre aus der Finanzkrise bezeichnete er vor einigen Wochen, dass der ökonomische Grundsatz des Haftungsprinzips beachtet werden müsse. Dieses Prinzip beschrieb Walter Eucken, Gründer der Freiburger Schule und ordnungspolitischer Vordenker, einst so: „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen.“ Genau das war vor zehn Jahren nicht der Fall: Die Investmentbanker, die in den Jahren vor der Finanzkrise exorbitante Boni kassiert hatten, mussten nicht für den Schaden aufkommen, den sie mit komplexen Kreditverbriefungen und verschachtelten Risikostrukturen angerichtet hatten. Auf beiden Seiten des Atlantiks bewahrten stattdessen die Steuerzahler Banken vor dem Untergang. Allein für den deutschen Staat belaufen sich die Verluste daraus auf mindestens 50 Milliarden Euro.
Peter Bofinger, ebenfalls „Wirtschaftsweiser“, sieht den Bankensektor unterdessen auf einem guten Weg. „Die notwendigen Maßnahmen sind eingeleitet“, sagt er. In den vergangenen Jahren hätten die deutschen Banken ihr Eigenkapital deutlich erhöht. Allerdings hält er die engen Verflechtungen der Banken untereinander nach wie vor für riskant. Axel Weber, Weidmanns Vorgänger an der Spitze der Bundesbank und heutiger Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS, hält Entwarnung noch längst nicht für angebracht. „Wir befinden uns nach wie vor in der Auflösung der Krise“, sagte er kürzlich. Die Ursache der Finanzkrise liege in einer zu lockeren Regulierung. Um Ansteckungseffekte zu verhindern, hält er international abgestimmte Regeln und einheitliche Wettbewerbsbedingungen für unerlässlich.
Eine internationale Harmonisierung der Bankenregulierung, etwa durch den erfolgreichen Abschluss der Eigenkapitalregeln (Basel III), hält auch Ökonomin Schnabel für essentiell, jedoch weist sie auch auf die schwierige Umsetzbarkeit hin. „Jedes Land versucht, in den Verhandlungen die Wettbewerbsposition der heimischen Institute zu stärken, statt sich darauf zu konzentrieren, die Finanzstabilität zu sichern“, sagte sie dieser Zeitung. Auch nach Einschätzung von Ifo-Präsident Fuest sind die Vereinigten Staaten und Europa noch weit von gemeinsamen Bankenregeln entfernt. „Derzeit gibt es in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien Forderungen nach einer laxeren Regulierung des Finanzsektors“, sagt Fuest. Das berge die Gefahr eines Unterbietungswettbewerbs.
Die größten Bedenken äußert Schnabel allerdings mit Blick auf die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank, die ebenfalls eine Folge der Finanzkrise sei. „Sie gefährdet die Geschäftsmodelle von Banken und Versicherungen und trägt zum Aufbau neuer Risiken im Finanzsystem bei.“ Stabilitätsgefährdend seien vor allem die hohen Zinsänderungsrisiken, die sich zum Beispiel in den Bankbilanzen aufgebaut hätten. „Ein abrupter Zinsanstieg könnte die Solvenz der Banken bedrohen“, warnt Schnabel.