Nach der Zinserhöhung : EZB-Präsidentin Lagarde sieht noch einen langen Weg vor sich
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EZB-Präsidentin Christine Lagarde erwartet einen langen Kampf gegen die Inflation. Bild: Lucas Bäuml
Nach der Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte im Dezember soll noch keineswegs Schluss sein: In dieser Größenordnung soll es nächstes Jahr weitergehen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag nicht nur die Leitzinsen um 0,5 Prozent angehoben. Sie kündigte auch an, dass im neuen Jahr weitere Schritte folgen sollen. Und im März will die Notenbank damit anfangen, ihre großen Anleihebestände Schritt für Schritt zu reduzieren.
Die EZB hob ihre Leitzinsen damit um denselben Wert an wie die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) am Mittwoch, sowie die Schweizerische Nationalbank und die Bank of England am Donnerstag. Das Zinsniveau in den verschiedenen Ländern unterscheidet sich zum Teil jedoch erheblich.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde deutete in der Pressekonferenz nach der Dezember-Sitzung des EZB-Rates an, dass die Entscheidung nicht unumstritten gewesen sei. Im Grundsatz, in der Richtung und hinsichtliches der Strategie seien sich die Ratsmitglieder zwar einig gewesen. Aber bei der Taktik, was den aktuellen Zinsschritt betreffe, habe es Ratsmitglieder gegeben, die einen größeren oder eine kleineren Schritt befürwortet hätten.
Offenbar gab es auch Mitglieder, die jetzt noch mal einen Zinsschritt um 0,75 Prozentpunkte wie in den vergangenen Sitzungen befürwortet hätten – um der ungewöhnlich hohen Inflation Herr zu werden.
Die Inflationsrate im Euroraum lag im November bei 10,0 Prozent; etwas niedriger zwar als im Oktober, aber doch sehr deutlich vom Ziel der EZB von 2 Prozent entfernt.
Inflationsprognose nach oben revidiert
Die Ökonomen der EZB haben ihre Inflationsprognose noch einmal nach oben revidiert. Sie erwarten jetzt für dieses Jahr eine durchschnittliche Inflationsrate von 8,4 Prozent, für 2023 von 6,3 Prozent, für 2024 von 3,4 Prozent und für 2025 von 2,3 Prozent. Damit würde die Inflation selbst in drei Jahren noch nicht wieder das Ziel der Notenbank erreichen. Lagarde führte auf Nachfrage aus, dass es möglich sein könnte, dass die Inflationsrate jetzt im Dezember etwas niedriger ausfallen werde als zuvor.
Für Januar und Februar nächsten Jahres rechne sie aber wieder mit höheren Raten. Vor allem deshalb, weil zumindest in einigen Euroländern die im Frühjahr und Sommer stark gestiegenen Energiepreise nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben worden seien; da dürften im Januar Abrechnungen kommen, die die Inflationsrate hoch treiben. Für Deutschland wird insbesondere im Dezember mit einer vorübergehend niedrigeren Inflationsrate gerechnet, weil die Statistiker entschieden haben, die Übernahme des Abschlags beim Erdgas durch den Staat mit in die Inflationsmessung einzubeziehen. Das dürfte die Rate erheblich senken, im Januar aber wieder steigen lassen.
Anleihen sollen erst mal vier Monate lang reduziert werden
Die EZB will im kommenden Jahr damit beginnen, ihre gewaltigen Anleihebestände abzubauen. Seit Juli kauft die Notenbank zwar keine neuen Anleihen mehr hinzu. Aber das Geld aus fällig werdenden Anleihen wird noch in neue investiert. Von März nächsten Jahres an sollen die Bestände verringert werden. Zunächst soll das nur das ältere Anleihekaufprogramm APP betreffen. Bei diesem Programm soll von März an nur ein Teil des Geldes aus fällig werdenden Anleihen wieder investiert werden.
Bis Ende Juni sollen die Bestände auf diese Weise monatlich um 15 Milliarden Euro reduziert werden. Nach diesen vier Monaten will die Notenbank dann die Ergebnisse analysieren und über das weitere Vorgehen entscheiden. Ein Verkauf von Anleihen, wie es ihn zuletzt in Großbritannien gab, ist wohl zunächst nicht vorgesehen. Details zu diesem „QT“ („Quantitative Tightening“) genannten Programm zur Anleihenreduktion sollen im Februar vorgelegt werden, kündigte Lagarde an.
Die EZB-Präsidentin führte aus, dass die Notenbank bei Nahrungsmitteln durchaus noch einen Anstieg der Teuerung erwartet. Auch die Kerninflation, das ist die Teuerung ohne stark schwankende Preise wie die für Energie und Lebensmittel, werde zunehmen. Für das laufende Jahr erwartet die Notenbank eine Kerninflation von 3,9 Prozent, für das nächste von 4,2 Prozent.
In einzelnen Monaten könnte die Rate sinken
Lagarde hob hervor: „Wir müssen den Kampf gegen die Inflation fortsetzen.“ Auch wenn in einzelnen Monaten die Inflationsrate jetzt sinken sollte, dürfte sich die Zinsentscheidungen nicht daran orientieren, sondern an dem Ziel, die Inflation wieder zum Ziel von 2 Prozent zu bringen. „Wir lassen nicht nach – wir müssen eine längere Strecke gehen“, sagte die EZB-Präsidentin. Es sei ein „langes Spiel“. Dafür sollten die Zinsen signifikant und in konstantem Tempo steigen. Auf aktueller Datengrundlage bedeute dies, dass die Leitzinsen eine Zeit lang um 0,5 Prozentpunkte steigen müssten. Also etwa um 0,5 Prozentpunkte bei der nächsten Sitzung und vielleicht auch noch bei der danach und der danach – „immer datenabhängig.“
Ökonomen reagierten gemischt. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank fragte, warum die EZB denn die Zinsen jetzt nicht stärker angehoben habe, wenn sie selbst für 2025 noch eine Inflationsrate oberhalb ihres Ziels erwarte. Jens-Oliver Niklasch von der Bank LBBW sagte, es dürfte manche überrascht haben, dass die EZB vermutlich auch in dem Tempo im nächsten Jahr mit Zinserhöhungen weitermachen wolle.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag nannte die EZB-Entscheidungen einen „notwendigen Schritt“. An den Finanzmärkten reagierten der Euro und die Kapitalmarktzinsen mit deutlichen Aufschlägen auf die Notenbank-Entscheidungen.Und der deutsche Aktienindex Dax rutschte am Donnerstagnachmittag zeitweise auf weniger als 14.000 Punkte.