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Zinsentscheidung : EZB hebt die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte an

EZB-Zentrale in Frankfurt: Der EZB-Rat ist zur Mai-Zinssitzung zusammengekommen. Bild: dpa

Die Zinsen im Euroraum steigen weiter. Allerdings geht die Notenbank jetzt etwas langsamer vor als bislang. Was heißt das für Sparer?

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          EZB-Präsidentin Christine Lagarde wirkt ein bisschen angespannt, als sie an diesem Donnerstag die Beschlüsse des EZB-Rats verkündet. Offenbar hat es durchaus unterschiedliche Meinungen in dem obersten geldpolitischen Gremium der Eurozone gegeben, wie man nun weiter vorgehen soll.

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Anscheinend gab es durchaus Ratsmitglieder, die gern die Zinsen stärker angehoben hätten, um 0,5 Prozentpunkte. Die Zinsen gar nicht zu erhöhen, habe, soweit sie es mitbekommen habe, dagegen niemand vorgeschlagen, sagt Lagarde.

          Am Ende verständigte der Rat sich auf eine Lösung, die man von außen betrachtet vielleicht als einen Kompromiss bezeichnen könnte, auch wenn Lagarde selbst das Wort „Deal“ weit von sich wies: Die EZB erhöht die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte – verkündet aber zugleich, dass sie voraussichtlich von Juli an ihre billionenschweren Anleihebestände stärker als bislang geplant reduzieren will.

          Auswirkungen auf das „Greening“ der Notenbank

          Schon im vorigen Sommer hatte die Notenbank aufgehört, noch netto neue Anleihen zu kaufen. Auslaufende Anleihen waren aber zunächst noch ersetzt worden. Seit März war das für das ältere Anleihekaufprogramm APP nur noch zu einem Teil passiert. Von Juli an, so erwartet der EZB-Rat zumindest jetzt, sollten für das ältere Anleihekaufprogramm APP gar keine Anleihen mehr ersetzt werden, sagte Lagarde. Bei dem Krisenprogramm PEPP wolle man das jedoch mindestens bis Ende 2024 noch weiter machen. Die EZB will sich dabei die „Flexibilität“ bewahren, bei Bedarf notfalls Anleihen einzelner Eurostaaten bevorzugt zu kaufen.

          Das voraussichtliche Ende der Anleihekäufe im APP-Programm hat dabei eine bemerkenswerte Konsequenz: Die EZB hatte die Käufe von Unternehmensanleihen in dem Programm zuletzt  genutzt, um ihr Anleiheportfolio stärker an Klimakriterien auszurichten. Wenn man bald keine dieser Anleihen mehr kauft, fällt die Möglichkeit dieses sogenannten „Tilting“  weg.

          Lagarde sagte, man sei sich im Klaren darüber, dass man sich in dieser Frage noch eine Lösung überlegen müsse. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte bereits als Möglichkeit  ins Gespräch gebracht, dann eben nicht mehr bei neuen Anleihen die „grünen“ Kriterien anzusetzen, sondern die Bestände umzuschichten.

          Die EZB-Präsidentin hob hervor, die EZB habe im Kampf gegen die Inflation „noch Boden gutzumachen“ und werde nicht „pausieren“. Das dürfte heißen, dass es noch nicht die letzte Zinserhöhung  gewesen ist. Konkret festlegen, wie der Kurs weitergehen soll, wollte sie sich aber nicht. Man werde weiter „datenabhängig“ entscheiden.

          EZB folgt der Fed mit der Zinserhöhung

          Die EZB folgt mit der Höhe der Zinsanhebung der amerikanischen Notenbank Fed, die am Mittwoch ebenfalls eine Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte angekündigt hatte. Lagarde hob aber hervor, die EZB richte ihre Entscheidungen nicht an der Fed aus, sondern verfolge unabhängig ihr eigenes Ziel, nämlich die Inflation in Richtung  von 2 Prozent zu bringen. Auch, wenn es natürlich Auswirkungen der Geldpolitik in Amerika auch auf die Eurozone gebe, beispielsweise über den Wechselkurs.

          Vor der Entscheidung hatte es Diskussionen an den Finanzmärkten und unter Ökonomen gegeben, ob die EZB ihren Pfad aus den letzten Zinssitzungen beibehalten werde, die Zinsen um 0,5 Prozent anzuheben, oder ob jetzt, wie es dann passierte, ein kleinerer Zinsschritt anstehe.

          Jari Stehn, der Europa-Chefvolkswirt der Investmentbank Goldman Sachs, hatte gemeint, es werde „knapp“. Lagarde sagte nun, es habe unterschiedliche Einschätzungen gegeben, aber am Ende habe man recht einmütig entschieden.

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