https://www.faz.net/aktuell/finanzen/ezb-chefoekonom-hoehepunkt-der-inflation-ueberschritten-18711273.html

Euro-Geldpolitik : EZB-Chefvolkswirt: Zinserhöhungen beginnen zu wirken

  • Aktualisiert am

EZB-Chefvolkswirt Phlip Lane sieht die Inflation in der Nähe ihres Höhepunkts. Bild: Reuters

Ist der Höhepunkt der Inflation überschritten? Ja, sagt der Chefökonom der Europäischen Zentralbank – und gibt mehrere Hinweise.

          3 Min.

          Nach dem Teuerungsschub im vergangenen Jahr beginnt der Inflationsdruck in der Europäischen Währungsunion nach Angaben des EZB-Chefvolkswirts Philip Lane langsam nachzulassen. Die kräftigen Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) entfalteten allmählich ihre Wirkung, sagte Lane in einem am Dienstag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters.

          „Für Energie, Lebensmittel und Waren gibt es viele vorausschauende Indikatoren, die anzeigen, dass der Inflationsdruck in all diesen Kategorien ziemlich deutlich zurückgehen dürfte“, führte er aus. „Wir haben auch die Bestätigung erhalten, dass unsere Geldpolitik wirkt.“

          Die EZB vollzog im Kampf gegen die hohe Inflation im Juli 2022 die Zinswende und hat seitdem die Schlüsselsätze im rasanten Tempo bereits fünf Mal um insgesamt 3,0 Prozentpunkte angehoben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt inzwischen bei 2,50 Prozent. Für die nächste Zinssitzung im März hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits eine weitere Anhebung um 0,50 Prozentpunkte in Aussicht gestellt.

          Zwei Prozent Inflationsziel

          Lane zufolge wird die preisdämpfende Wirkung des Straffungskurses mit der Zeit stärker. „Jeden Monat, jedes Quartal werden mehr und mehr Menschen mit dem neuen Zinsumfeld konfrontiert und so nimmt die Wirkung der Geldpolitik zu“, sagte Lane. Bislang sei nur eine Minderheit an Unternehmen und Haushalten den Zinserhöhungen voll ausgesetzt. „Deshalb wird die zweite Hälfte dieses Jahres sehr wichtig sein, denn dann wird es ein ganzes Jahr her sein, seit wir mit den Zinserhöhungen begannen“, führte er aus. Die EZB strebt zwei Prozent Inflation für die Euro-Zone an – davon ist sie aber noch weit entfernt.

          Lane zufolge wird die EZB erst dann von ihrem Straffungskurs abrücken, wenn sie zuversichtlich ist, dass die Inflation zur Notenbankzielmarke von zwei Prozent zurückkehren wird. Der Chefökonom nannte drei Kriterien, die erfüllt sein müssten, damit die Notenbank ihre Zinserhöhungen beenden werde. „Ein Element sind unsere Inflationsprojektionen, und hier meine ich den ganzen Pfad, nicht nur den Endpunkt“, sagte er.

          Dazu müssten Fortschritte bei der Senkung der Kerninflation, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet sind, in den Daten zu sehen sein. Und es müsse drittens bewertet werden, wie kraftvoll und schnell der Straffungskurs der Notenbank wirke.

          Zinsniveau für einige Zeit halten

          Die EZB habe vor, sobald die Zinsen ein Plateau erreicht haben, die Sätze dort erst einmal für eine gewisse Zeit zu belassen, sagte Lane. Aus seiner Sicht könnten sie für eine Reihe von Quartalen auf einem sogenannten restriktiven Niveau gehalten werden. Darunter verstehen Volkswirte ein Zinsniveau, das die Wirtschaft bremst. Am Finanzmarkt wird derzeit darauf gesetzt, dass die EZB den Einlagensatz bis zum Jahresende noch bis auf fast 4,0 Prozent anheben könnte. Dahinter stehen unter anderem Befürchtungen, dass die Kerninflation noch längere Zeit auf einem zu hohen Niveau verharren könnte. Im Januar war dieses Inflationsmaß sogar auf 5,3 Prozent gestiegen nach 5,2 Prozent im Dezember, während die allgemeine Teuerungsrate im Euro-Raum auf 8,6 Prozent von 9,2 Prozent im Dezember gesunken war.

          Lane zufolge sind es nicht nur die Energiepreise, die hinter dem jüngsten Rückgang der Teuerungsrate stehen. Dabei verwies er auf positive Entwicklungen in frühen Stufen der Preisbildung. Auch lasse der Preisdruck bei Dienstleistungen nach. So könnten beispielsweise Fluggesellschaften inzwischen wieder besser Kapazitäten planen. „Somit sollte der angebotsseitige Bestandteil der Inflation bei Dienstleistungen schwächer werden“, erläuterte er. Ein wichtiges Thema sei aber die Entwicklung der Löhne, die es zu beobachten gelte. Denn viele Dienstleistungen seien sehr arbeitsintensiv.

          Die EZB wird zu ihrer nächsten Zinssitzung am 16. März neue Inflations- und Konjunkturprognosen veröffentlichen. Lane deutete an, dass die Inflationsprojektionen dann womöglich etwas niedriger ausfallen könnten. Dabei verwies er auf sinkende Öl- und Gaspreise, das Abklingen von Lieferengpässen sowie auf die Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft. Auch die Zinserhöhungen der EZB müssten neu einberechnet werden.

          Die Straffung sei deutlich stärker ausgefallen als in der Dezember-Prognose enthalten gewesen sei. An der in Aussicht gestellten Zinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte im März hat Lane keinen Zweifel. Die Argumente für einen solchen Schritt sind aus seiner Sicht weiterhin solide.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Wladimir Putin nimmt am 1. Juni online an einem Treffen mit Familien teil, die mit dem Orden für elterlichen Ruhm ausgezeichnet wurden.

          Angriffe auf Russland : Putin, der Präsident im Kokon

          Für Russlands Präsidenten häufen sich die schlechten Nachrichten. Er gibt sich unbeeindruckt. Doch sein Bild der Stärke bekommt immer mehr Risse.
          Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla am 9. Mai im Bundestag

          ARD-Deutschlandtrend : Umfrage sieht AfD gleichauf mit SPD

          Das Ansehen der Ampel hat zuletzt stark gelitten. Fast vier von fünf Befragten sind nach der Eskalation des Heizungsstreits unzufrieden mit der Regierung. Es profitieren die Rechtspopulisten.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.