Auf dem Weg zur Parität : Schwacher Euro, starker Dollar
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Der Dollar ist stark, der Euro schwach. Die Parität des Währungspaares ist zum Greifen nahe. Zuletzt war das vor 20 Jahren der Fall. Bild: Reuters
Der Euro wird immer schwächer und der Dollar immer stärker. Zu sehr lasten der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise auf der Gemeinschaftswährung. Doch das Blatt könnte sich wenden, der Dollar gilt als überbewertet.
Es ist so wie damals vor 20 Jahren: Kurz nach der Eurobargeldeinführung am Neujahrstag 2002 rutschte der Euro unter die Parität. Die noch junge Gemeinschaftswährung war weniger wert als der Dollar. Dabei war Ende 2002 der Spuk schon wieder vorbei. Die Schwächephase begann schon Anfang 2000 als es den Euro nur als Buchgeld gab. „Wechselkurse werden von Wirtschaftsaktivität und Geldpolitik geprägt. Damals, zur Euroeinführung, war die US-Wirtschaft in einer deutlich besseren Verfassung. Das deutsche Jahrzehnt, in dem sich Deutschland an die Spitze des konjunkturellen Aufschwungs in der Eurozone gestellt hat, hatte gerade erst begonnen“, sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank.
Und doch unterscheidet sich die Situation, in der das Kurspaar sich jetzt wieder der Parität annähert, von der vor 20 Jahren. Heute herrscht Krieg in Europa. Denn Kater hält die konjunkturelle Entwicklung in beiden Wirtschaftsräumen, der Eurozone wie den USA, für „eine Enttäuschung“. Dort rechnen die Ökonomen der Deka auch nur mit einem Anstieg der Wirtschaftsleistung um 1,5 Prozent. Aber die USA haben eben kein Problem mit der Energieversorgung. Für den Deka-Chefvolkswirt der Knackpunkt: „Die Belastungsprobe steht uns im Herbst bevor, und das kann tatsächlich prekär werden.“
So sieht es auch Antje Praefcke, Devisenanalystin bei der Commerzbank: „Die Schwäche des Euros ist auch Ergebnis der Risikoaversion der Marktteilnehmer.“ Gleichzeitig gibt sie aber zu bedenken, dass vor 20 Jahren der Euro „bis zu einem gewissen Grad als die neue D-Mark gesehen“ wurde. „Jetzt belasten die unterschiedlichen Haushalts- und Wirtschaftspolitiken innerhalb der Staaten der Eurozone zusätzlich.“ Es lässt sich nicht wegdiskutieren, der Euro ist schwach, sehr schwach. Und der Dollar ist stark, sehr stark. Das zeigt der handelsgewichtete Dollar-Index, der die Stärke des Greenbacks gegen den Euro und fünf weitere Währungen abbildet: Er liegt mit rund 107 Punkten auf einem Mehrjahreshoch.Für einen Euro mussten am Donnerstag nur noch 1,0158 Dollar gezahlt werden und damit so wenig wie seit 2002 nicht mehr.
Aber ist das gerechtfertigt? Der Deka-Chefvolkswirt meint: nein. „Ich erwarte den Euro-Dollar-Kurs zum Jahresende um die Parität herum, perspektivisch ins nächste Jahr aber darüber. Die US-Währung ist schon seit Jahren überbewertet. Nimmt man Kaufkraftberechnungen zugrunde, wäre 1,30 Dollar für einen Euro ein fairer Wert.“ Auch Praefcke geht von der Parität des Währungspaars aus, vielleicht auch ein bisschen tiefer. Einen Euro-Dollar-Kurs von 0,90 hält sie dann aber doch für zu hoch oder, besser, für zu tief gegriffen. Ist die bislang nur auf Ankündigungen beschränkte Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht auch schuld? „Es wäre hart, der EZB die Schuld dafür zu geben, aber es gibt Stimmen, die meinen, die EZB hätte schneller handeln sollen, um ihre Politik zu normalisieren, und wenn das der Fall gewesen wäre, würde der Euro jetzt vielleicht von einer höheren Basis aus fallen. Dem kann man im Nachhinein nur schwerlich widersprechen“, meint Adam Cole, in London ansässiger leitender Währungsanalyst bei der Royal Bank of Canada.
Einig sind sich Kater, Praefcke und Cole aber in einem: Der schwache Euro nützt der exportorientierten deutschen Wirtschaft kaum. „Wenn Rezessionsdruck herrscht, ist nichts gewonnen. Die wenigen Prozente, die deutsche Waren in Drittländern im Moment preiswerter werden, sind nett. Aber was nützt das, wenn in der Produktion die Energiekosten um erheblich mehr Prozente steigen?“, meint Praefcke.