E-Yuan und digitaler Euro : Deutschland will von China lernen
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China wirbt für seine Digitalwährung: „e-CNY“ ist das Kürzel fürs Gegenstück zum digitalen Euro. Seit April wird dieses Geld öffentlich getestet. Bild: Reuters
Die Bundesbank und Chinas Notenbank tauschen sich auf einer gemeinsamen Konferenz über den E-Yuan und den digitalen Euro aus. Bundesbankpräsident Weidmann warnt: Der digitale Euro wird womöglich kein Alleskönner sein.
Die chinesischen Teilnehmer schildern es recht eindrücklich: Wenn man in China jetzt einkaufen geht, nimmt man überhaupt kein Portemonnaie mehr mit, auch nicht für Kreditkarten – sondern nur noch das Smartphone. Ohnehin sei es nur dem mobilen Telefon mit seinen außergewöhnlichen Möglichkeiten zu verdanken, dass China so schnell aus der Corona-Krise gekommen sei und vor den meisten anderen Ländern der Welt wieder beeindruckende Wachstumsraten aufweise, sagt Jianguang Shen, ein früherer Ökonom der Europäischen Zentralbank, der heute für den chinesischen Online-Shopping-Riesen JD tätig ist. „Für das Einkaufen mit dem Smartphone gab es keinen Lockdown – die offene Einstellung der Menschen in China gegenüber allem Digitalen hat deshalb zu einem besonders starken Schub für die Digitalisierung während der Pandemie geführt.“
Es waren die Unterschiede, bei allen Parallelen, die eine gemeinsame Konferenz der Bundesbank und der chinesischen Notenbank über Fintechs, Künstliche Intelligenz und digitales Geld am Dienstag so spannend machten. Schon das Format selbst war bemerkenswert: In China trafen sich die Konferenzteilnehmer schon wieder physisch, insgesamt aber schaltete man sich als Videokonferenz zusammen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann merkte bedauernd an, wie gern er den chinesischen Teilnehmern in normalen Zeiten in Frankfurt das Geldmuseum gezeigt hätte.
Digital-Vorreiter China
Der Bundesbankpräsident stellte in seiner Eröffnungsrede den digitalen Euro in den Mittelpunkt: Weidmann hob gleichsam als Honneur an die Gäste aus Fernost hervor, dass China bei den digitalen Zentralbankwährungen die Nase vorn habe und Deutschland und die Eurozone insgesamt deshalb sehr an einem Austausch mit den Chinesen interessiert seien: „Die People’s Bank of China hat bei der Entwicklung einer solchen digitalen Währung eine Vorreiterrolle gespielt, und wir freuen uns auf neue Einblicke in ihre Projekte.“
Das eigene Projekt der Europäischen Zentralbank (EZB), der digitale Euro, bekam von Weidmann etwas nachdenkliche Worte. Im Juli hatte sich die EZB entschlossen, dieses Vorhaben vertieft anzugehen, und für die Zeit bis zur Realisierung etwa fünf Jahre veranschlagt. Weidmann wies darauf hin, dass man die Auswirkungen auf das Bankensystem ebenso im Blick haben müsse wie die Sorgen und Ängste der Menschen. Ohnehin sei bislang nur vage zu erkennen, wie ein solches Digitalgeld aussehen könne. Weidmann warnte vor zu hohen Erwartungen: „Der digitale Euro wird womöglich kein Alleskönner sein.“
Weidmann beschrieb ein Spannungsfeld aus Chancen und Bedenken. Einerseits könnte der digitale Euro den Menschen mehr Sicherheit bringen. Verbraucher und Unternehmen könnten dann in einem digitalen Umfeld mit Zentralbankgeld bezahlen. „Dies ist ein einzigartiges Merkmal, das der private Sektor nicht nachahmen kann.“ Anders als herkömmliche Bankguthaben wäre Zentralbankgeld im Falle von Bankenpleiten und Finanzkrisen nicht gefährdet.
Mehr Angst vor Überwachung in Deutschland
Anderseits sorgten die Menschen sich, dass mit dem Digitalgeld alle Zahlungsbewegungen überwacht werden könnten. Das ist offenbar eine Befürchtung, die es in Deutschland sehr viel stärker gibt als in China – aber auch dort beschäftigt man sich mit dem Thema Anonymität, wie die chinesischen Teilnehmer hervorhoben. Weidmann sagte, der Schutz der Privatsphäre sei in der Eurozone eine der wichtigsten Voraussetzungen, um das Vertrauen der Menschen für die neue Währung zu gewinnen. Zugleich müssten die Behörden aber zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in begründeten Einzelfällen in der Lage sein, Transaktionen nachzuverfolgen. „Ein digitaler Euro wäre nicht so anonym wie Bargeld“, sagte Weidmann.
Die chinesischen Teilnehmer präsentierten ihrerseits die Pläne für einen digitalen Yuan, „e-CNY“ genannt. Die Vorbereitungen sind schon weiter gediehen als die für den digitalen Euro – seit April wird die chinesische Digitalwährung sogar öffentlich getestet.
In einem eingeblendeten Werbefilm zeigte die chinesische Delegation, wie leicht man sich dort das künftige digitale Leben vorstellt: Ein selbstfahrendes Auto bringt den jungen Chinesen und seinen Hund nach Hause – dort lässt sich mit dem Smartphone die Tür öffnen und alles nach Belieben bestellen und bezahlen – natürlich auch das Hundefutter.
Changchun Mu, der Generaldirektor eines eigenen, 2016 gegründeten chinesischen Instituts speziell für Digitalwährungen, berichtete Details über den E-Yuan. Ähnlich wie wohl bei der EZB hat man in China eine Wallet-Lösung im Blick, bei der das neue Geld in einer elektronischen Geldbörse auf dem Smartphone gehalten wird. Damit sollten drei Ziele erreicht werden: erstens ein „Back-up“ für bisherige elektronische Bezahlsysteme wie Alipay, die einen sehr großen Marktanteil errungen hätten. Zweitens „finanzielle Inklusion“: In China gebe es immer noch Menschen in armen Gegenden, die kein Bankkonto hätten und damit keinen Zugang zum elektronischen Bezahlen. Und drittens wolle man die Effizienz der Zahlungsverkehrssysteme auf diese Weise erhöhen.
Technik-Fortschritte seit Marco Polo
Fintechs und Banken aus China und Europa beschrieben ihre aktuelle Situation. Jan Kupfer, Vorstandsmitglied der Bank Unicredit, hob eine veränderte Einstellung in Europas Banken hervor: Anfangs hätten diese die Fintechs als Wettbewerber ängstlich beäugt – mittlerweile habe sich das gedreht, nun bemühten sich alle um Kooperationen mit und Investitionen in Fintechs. Junfeng Dong von der chinesischen NetsUnion Clearing Corporation schilderte, dass der elektronische Zahlungsverkehr im Zuge der Pandemie stark zugenommen habe und die beteiligten Unternehmen fordere. Und Miriam Wohlfarth, Gründerin von Ratepay, einem Zahlungsdienstleister im Onlinehandel, wies auf die Revolution in der Wertschöpfungskette der Zahlungsdienstleister durch Künstliche Intelligenz hin: Die Auswertung gewaltiger Datenmengen biete enorme Chancen für diese Branche – man habe aber lernen müssen: „Diese Algorithmen sind nur gut, wenn man sie gut füttert.“
Neue Formen des Geldes entstünden nicht über Nacht, hob Bundesbankvorstand Burkhard Balz zum Abschluss der Konferenz hervor. Es sei typisch für Europa, dass alles rund um den digitalen Euro sehr gründlich abwogen werde: „Wir unterstützen etwas nicht nur deshalb, weil die Digitaltechnik es möglich macht.“ Gleichwohl sei es natürlich beeindruckend, was die Technik heute leiste: Als im 13. Jahrhundert der Händler und Entdecker Marco Polo viel Wissen aus China nach Europa gebracht habe, sei dafür eine lange Reise notwendig gewesen: „Heute können wir uns einfach in China dazuschalten.“