Bilanzskandal : DSW bringt 30 .000 Wirecard-Anleger gegen EY in Stellung
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Außergewöhnlicher Bilanzskandal: Viele Wirecard-Privatanleger kauften bis zuletzt Aktien nach, weil ihr Glaube an das später insolvente Unternehmen unerschütterlich war. Bild: AFP
Anlegerschützer wollen die Wirtschaftsprüfung EY zu einem Vergleich außerhalb der Gerichte zwingen. Auf dem Spiel steht ein Schaden von 1,5 Milliarden Euro. Privatanleger haben im Schnitt 45.000 Euro pro Kopf im Feuer.
Die deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) will die Wirtschaftsprüfung EY auf einen Weg zur Entschädigung von Wirecard-Anlegern außerhalb der Gerichte drängen. Zu diesem Zweck hat die DSW nach rund einem Jahr Vorbereitung eine gemeinnützige Stiftung nach holländischen Recht gegründet. Der niederländische Entschädigungsfonds soll laut DSW nicht nur EY Deutschland ins Visier nehmen. sondern auch EY Global, also das internationale Prüfernetzwerk, dem der für die Prüfung der Wirecard-Geschäftszahlen zuständige deutsche Arm von EY angehört.
Mit diesem Instrument will die DSW Ansprüche von 30.000 registrierten Privatanlegern und eine Schadenssumme von insgesamt 1,5 Milliarden Euro bündeln. Weitere Anleger können sich kostenlos anschließen, falls sie nicht schon auf anderem Weg EY auf Schadenersatz für ihre Wirecard-Verluste verklagt haben. Das gilt auch für Anleger, die nicht in Deutschland sitzen. DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler bezeichnete die Stiftung am Mittwoch als eine „vielleicht ein wenig smartere Lösung“ im Vergleich zu anderen Alternativen. Gemeint ist das Kapitalanlegermusterverfahren gegen EY, dessen Eröffnung aktuell durch das Bayerische Oberste Landesgericht geprüft wird. Darüber hinaus liegen am Landgericht München, Stand März, 900 Einzelklagen von Wirecard-Geschädigten gegen EY.
Dritter Weg zum Ziel eröffnet
Es gibt für Anleger nun also drei Wege zum möglichen Schadenersatz von den Wirtschaftsprüfern: Die niederländische Stiftung mit dem Entschädigungsfonds, das Kapitalanlegermusterverfahren und die Einzelklage. Deren Gemeinsamkeit besteht darin, dass Aktionäre und Gläubiger des im Juni 2020 insolvent gegangenen ehemaligen Dax-Mitglieds Wirecard Schadenersatz von der für das Unternehmen zuständigen Wirtschaftsprüfung EY verlangen. EY hatte seit 2009 die jährlichen Bilanzen von Wirecard geprüft und testiert, sprich den Einklang der Geschäftszahlen mit den gesetzlichen Vorschriften bestätigt. Erst für den Jahresabschluss des Jahres 2019 verweigerte EY das Testat, und Wirecard musste einräumen, dass 1,9 Milliarden Euro fehlten. Kurz darauf folgte der Insolvenzantrag.
Nach Einschätzung von Andreas Lang, Partner bei der Rechtsanwaltsgesellschaft Nieding+Barth, hätte Wirecard daher schon im Jahr 2017 einen Verlust statt eines Gewinns ausweisen müssen. Die später als Sonderprüferin hinzugerufene Wirtschaftsprüfung KPMG habe dann auf Anhieb und ohne forensische Methoden erkannt, dass Bestätigungen für die Existenz angeblicher hoher Bankguthaben fehlten. EY habe es versäumt, diese Bestätigungen von unabhängigen Dritten einzuholen. Für den zum DSW-Präsidium gehörenden Wirtschaftsprüfer Ulrich Harnacke sei daher sehr früh klar gewesen, dass EY an dieser Stelle gegen grundlegende Prüferroutine verstoßen habe.