Milliarden verschwunden? : 62 Festnahmen im Skandal um türkische Krypto-Börse
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„Bitcoin-Münzen“ auf einem großen türkischen Bazar Bild: EPA
Die türkische Handelsplattform für Digital-Währungen Thodex ist geschlossen, Tausende Anleger kommen nicht an ihr Geld. Der Betreiber ist auf der Flucht - und beschwichtigt.
Der Skandal um die Schließung einer der größten lokalen Handelsplattformen für Digitalwährungen erschüttert die Türkei. Die Plattform Thodex, über die täglich Geschäfte in Höhe mehrerer hundert Millionen Dollar abgewickelt wurden, ist seit Donnerstag nicht mehr zu erreichen. Ihr Gründer und Geschäftsführer hat sich ins Ausland abgesetzt. Die türkische Finanzaufsicht blockierte alle Geschäftskonten der Krypto- Börse, an der 391.000 Kunden aktiv gehandelt haben sollen. Sie haben keinen Zugriff mehr auf ihre Konten. Unklar ist die Höhe des möglichen Schadens. Türkische Medien spekulieren auf bis zu 2 Milliarden Dollar. Die Staatsanwaltschaft hat laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu 78 Haftbefehle ausgestellt. Die Polizei durchsuchte die Geschäftsräume des Betreibers in Istanbul und nahm 62 Personen fest.
Laut einer auf der Thodex-Website veröffentlichten Nachricht verhandelt Plattformgründer Faruk Fathi Özer angeblich mit internationalen Investoren. Der 27-Jährige war am Mittwochabend zuletzt auf dem Istanbuler Flughafen gesichtet worden, die Polizei vermutete ihn in Albanien. Berichte, es seien 391.000 Kunden betroffen und bis zu 2 Milliarden Dollar verschwunden, seien falsch, hieß es auf der Thodex-Website ohne Nennung eines Autors. Sorgen der Anleger seien unbegründet, der Handel nur vorübergehend unterbrochen. Doch gebe es nach einem Hacker-Angriff bei 30.000 Konten Probleme.
Forderungen nach stärkerer Regulierung werden laut
Tausende potentiell Geschädigte trauen den Versicherungen nicht und haben landesweit Anzeigen gegen Özer gestellt, berichten Anwälte. Forderungen nach einer stärkeren Regulierung der Handelsplätze für Digitalwährung wurden laut. Cemil Ertem, ein Wirtschaftsberater von Präsident Recep Tayyip Erdogan, sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg, die Regierung müsse „so schnell wie möglich“ handeln, um „Schneeballsysteme“ zu verhindern. Strikte Regulierungen seien unabdingbar.
Erst vor einer Woche hatte die türkische Notenbank das Bezahlen mit Krypto-Währungen im Land ab dem 30. April untersagt. Der Handel und das Bezahlen mit digitalem Geld böten „signifikante Risiken“ und führten möglicherweise zu „irreparablen“ Schäden. Digitale Währungen seien nicht reguliert und unterlägen nicht der Aufsicht durch eine Notenbank, hatte sie argumentiert. Auch die Nachricht dürfte, wie zuletzt Ankündigung einer hohen Besteuerung aus Amerika, das Krypto-Währungen stark an Wert verloren haben.
Das türkische Verbot wie die mutmaßliche Insolvenz der Thodex-Plattform werfen indes auch ein Licht auf die besondere Lage in der Türkei. Die hohe Nachfrage nach Krypto-Währungen dort wird auch mit der latenten Schwäche der Landeswährung Lira in Verbindung gebracht. Die Inflationsrate beträgt 16,2 Prozent, die Lira wertet im Trend stark ab, weil die Märkte nicht an die, wenn auch oft versprochene, entschiedene Bekämpfung der Inflation glauben und wiederkehrende Entlassungen an der Spitze der Notenbank das Vertrauen nicht stäken. Am Freitag kostete ein Dollar 8,35 Lira, am Vortag waren es nur 8,20 gewesen, der Euro schoss erstmals seit der Krise im vergangenen November wieder auf ein Niveau von 10 Lira. Viele Türken halten ihre Reserven lieber in Dollar und Euro, Edelmetallen oder zuletzt zunehmend auch in Krypto-Währungen wie Bitcoin oder Ethereum.
Nach Daten der Analyseplattform Coinmarketcap waren an der Thodex-Börse an letzten Handelstag umgerechnet 538 Millionen Dollar umgesetzt worden. Laut Coingecko.com hatte sich das Volumen aller in der Türkei gehandelte Krypto-Währungen am Freitag vergangener Woche auf 1,2 Milliarden Dollar belaufen, dreimal so viel wie in der Vorwoche. Thodex-Betreiber Özer hatte die Nachfrage erst im März noch einmal angeheizt, indem er versprach 4 Millionen „Dogecoins“ kostenfrei an Neukunden zu verteilen. In den Sozialen Medien finden sich jedoch viele Beschwerden darüber, dass dies nie passiert sei.