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Vierte Erhöhung in diesem Jahr : EZB hebt Zinsen um 0,5 Prozentpunkte

Notenbankzentrale in Frankfurt: Die EZB hat sich nochmal zu einer Zinserhöhung durchgerungen. Bild: dpa

Noch einmal verständigt sich der EZB-Rat auf eine Zinserhöhung. Die nächsten Schritte dürften umkämpfter sein. Die Anleihebestände in Billionenhöhe sollen vom nächsten Jahr an reduziert werden – aber langsam.

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          Die Europäische Zentralbank hebt die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte an. Das hat die Notenbank am Donnerstag nach der Dezembersitzung des EZB-Rates mitgeteilt. Zugleich beschloss der Rat in Grundzügen die Reduzierung der billionenschweren Anleihebestände.

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Mit ihrem Zinsschritt folgt die EZB anderen großen Notenbanken: Auch die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte am Mittwoch ihre Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte angehoben – in der gleichen Größenordnung erhöhte am Donnerstag auch die Schweizerische Nationalbank ihre Zinsen.

          Kampf gegen Inflation soll weitergehen

          Es war die vierte Zinserhöhung der EZB in diesem Jahr. Die Notenbank hatte spät, aber dann doch spürbar auf die stark gestiegene Inflation reagiert. Die Inflationsrate im Euroraum betrug zuletzt im November 10,0 Prozent. Sie war gegenüber Oktober leicht zurückgegangen, vor allem aufgrund eines niedrigeren Ölpreises.

          Bis die Zinserhöhungen der EZB ihre volle Wirkung entfalten, dürfte aber noch einige Zeit vergehen. Möglicherweise allerdings hat man erste leichte Wirkungen über den Wechselkurs zum Dollar zuletzt schon gesehen. In Deutschland könnte die Inflationsrate im Dezember durch die staatliche Übernahme des Erdgasabschlags vorübergehend deutlich sinken. Die Commerzbank rechnet „nur“ noch mit 7 statt 10 Prozent.

          Zum weiteren Umgang mit den Anleihekäufen legte die EZB am Donnerstag die Grundzüge fest. Die Notenbank hat in der Vergangenheit Anleihen für rund 5 Billionen Euro erworben. Seit Juli erhöht sie ihre Bestände nicht mehr. Allerdings werden für auslaufende Anleihen aktuell noch neue gekauft. Das soll sich nun im nächsten Jahr ändern: Zumindest beim älteren Anleihekaufprogramm APP sollen nicht mehr alle fällig werdenden Anleihen komplett durch neue ersetzt werden.

          „QT“ nennt sich dieser Schritt, „Quantitative Tightening“, also quantitative Straffung – das Gegenteil von „QE“, „Quantitative Easing“, den Anleihekäufen. Verkäufe von Anleihen, wie zuletzt in Großbritannien, soll es aber wohl zumindest vorerst nicht geben.

          Beim Krisenprogramm PEPP behält sich die Notenbank dagegen weiterhin vor, das Geld aus fällig werdenden Anleihen „flexibel“ wieder in neue zu investieren, um etwa auf einen starken Renditeanstieg bei einzelnen Anleihen hoch verschuldeter Staaten im Zuge der Zinswende reagieren zu können. Ökonomen weisen darauf hin, dass die EZB relativ zur Fed ihre Anleihebestände offenbar langsamer zurückfahren wolle.

          Die nächsten Zinsschritte sind umstrittener

          Spannend wird nun, wie es im neuen Jahr weitergeht. Irgendwann im Laufe des Jahres, da sind sich die meisten Beobachter einig, werden die großen Notenbanken bei ihren Zinserhöhungen zumindest eine Pause einlegen. Aber es dürfte darum gerungen werden, wie oft und wie stark die Zinsen vorher noch angehoben werden.

          Karsten Junius, Ökonom der Bank J. Safra Sarasin, meint, die Bank of England werde als Erstes eine Pause machen, danach werde die amerikanische Fed folgen und erst dann die EZB. Michael Schubert, EZB-Fachmann der Commerzbank, erwartet zumindest für die erste Sitzung des EZB-Rates im neuen Jahr noch eine Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte, gefolgt von zwei Zinserhöhungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte, bevor es zur Pause kommt.

          EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte kürzlich im Interview mit der Zeitung „Milano Finanza“ angedeutet, man gehe davon aus, dass „weitere Zinserhöhungen“ nötig seien – das klang nicht nur nach einer weiteren im Dezember.

          Berenberg-Ökonom Schmieding dagegen meint, die EZB wäre aus seiner Sicht jedenfalls „gut beraten“, die Zinsen im nächsten Jahr gar nicht mehr anzuheben – weil die Inflation von sich aus wieder kräftig zurückgehen werde, ohne dass die EZB dazu „die Rezession unnötig vertiefen oder verlängern“ müsse. Viele andere Ökonomen warnen allerdings, die Notenbank dürfe nicht zu früh nachlassen im Kampf gegen die Inflation.

          Zinsen für Sparer auf dem Tagesgeldkonto steigen auch

          Viele Banken haben bereits in den vergangenen Monaten ihre Zinsen für Kunden etwas angehoben. Am Donnerstag teilte die ING Deutschland mit, dass sie die Zinsen für Neukunden auf dem Tagesgeldkonto von 1 auf 2 Prozent anhebt, garantiert allerdings nur für vier Monate.

          Katharina Lüth, Finanzexpertin vom Zinsvermittler Raisin, kommentierte, für Sparer sei die Leitzinsanhebung eine gute Nachricht. Sie rechne damit, dass auch die Sparzinsen der Banken jetzt zulegten, während sich die Inflation auf hohem Niveau zumindest etwas stabilisiert habe und im November gegenüber Oktober sogar leicht gesunken sei.

          Die Bauzinsen hatten schon im Vorgriff auf die EZB-Zinserhöhungen in diesem Jahr einen beeindruckenden Anstieg hingelegt, von weniger als 1 Prozent für Baudarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung auf zeitweise mehr als 4 Prozent im Oktober. Zuletzt gab es nach Zahlen der Verbraucherplattform Biallo aber wieder einen leichten Rücksetzer bis auf 3,5 Prozent. Das wird überwiegend aber nur für eine vorübergehende Entwicklung gehalten.

          Mirjam Mohr, Vorstandsmitglied des Immobilienvermittlers Interhyp, jedenfalls meint: „Im Jahr 2023 werden sich die Bauzinsen aller Voraussicht nach nicht mehr so stark nach oben bewegen wie in 2022.“ Sie erwarte „moderate Steigerungen“, wobei Schwankungen wahrscheinlich seien: „Wer einen Immobilienkauf plant, sollte das beachten, denn Kreditgeber geben die Schwankungen am Zinsmarkt unterschiedlich schnell weiter.“

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