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Europäische Zentralbank : Die Zeichen mehren sich für kräftig steigende Zinsen

EZB in Frankfurt: In der nächsten Woche dürfte die Notenbank die Leitzinsen noch mal um 0,5 Prozentpunkte erhöhen. Bild: dpa

Die Inflation im Euroraum erweist sich als überraschend hartnäckig. In der nächsten Woche dürfte die EZB die Zinsen deutlich erhöhen. Was lässt sich aus den Reden der EZB-Ratsmitglieder über den weiteren Kurs ablesen?

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          Kommende Woche trifft sich der EZB-Rat zur Zinssitzung – eine Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte gilt als ausgemacht.

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Umso aufmerksamer werden im Moment alle Äußerungen von EZB-Ratsmitgliedern auf die Frage hin abgeklopft, wie es danach weitergeht. Für April ist keine Zinssitzung geplant, deshalb richten sich die Blicke auf den Mai. Jari Stehn, Europa-Chefvolkswirt der Investmentbank Goldman Sachs, setzt nun, insbesondere nach Äußerungen von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane, seine Zinsprognose nach oben. Er rechnet jetzt mit einer weiteren kräftigen Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte im Mai. Bislang war er von 0,25 Prozentpunkten ausgegangen. In der Spitze werde die EZB zur Inflationsbekämpfung ihren Einlagensatz, der im Moment bei 2,5 Prozent liegt, bis auf 3,75 Prozent anheben, meint Stehn jetzt. Bislang war er von einem Maximalwert von 3,5 Prozent ausgegangen.

          Wie kräftig fällt der Zinsschritt aus?

          Die jüngsten Inflationszahlen für den Euroraum lösten eine Welle von Äußerungen von EZB-Ratsmitgliedern aus. Die Inflationsrate war zwar leicht zurückgegangen, von 8,6 Prozent im Januar auf 8,5 Prozent im Februar. Das war aber eine geringere Entlastung, als von vielen erhofft gewesen.

          Zudem war die Kernrate der Inflation, das ist die Teuerung ohne stark schwankende Preise wie die für Energie und Nahrungsmittel, von 5,3 auf 5,6 Prozent gestiegen, den höchsten Wert seit der Einführung des Euros. Damit ist klar, dass die EZB wird kämpfen müssen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Kritiker sagen, nun räche es sich, dass die EZB zu spät mit der Inflationsbekämpfung begonnen habe.

          In der bisweilen etwas verklausulierten Sprache der Notenbanker wird nun darum gerungen, ob die Zinsen nach der März-Sitzung „weiter steigen“ oder „weiter deutlich steigen“ – das könnten Chiffren für eine Zinserhöhung um 0,25 oder 0,5 Prozentpunkte im Mai sein.

          Besonders vorgeprescht ist der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann: Wenn sich die Kernrate der Inflation im ersten Halbjahr nicht wesentlich abschwäche, erwarte er in diesem Jahr noch vier Zinserhöhungen um jeweils einen halben Prozentpunkt, sagte er. Dann käme man auf 4,5 Prozent.

          Der belgische Notenbankchef Pierre Wunsch sagte vor Journalisten in Brüssel immerhin, auch ein Zinsniveau von 4 Prozent wäre „nicht ausgeschlossen“. Bostjan Vasle (Slowenien) und Madis Müller (Estland) äußerten zumindest die Erwartung, dass die Zinserhöhung im März nicht die letzte sein werde.

          Auch EZB-Chefvolkswirt Lane sagte bei einem Vortrag am Trinity College in Dublin, dass die aktuellen Zahlen darauf hindeuteten, dass es angemessen sein werde, die Zinsen auch nach der März-Sitzung weiter anzuheben. Portugals Notenbankchef Mário Centeno hingegen plädierte dafür, nach März lieber „auf Sicht“ zu fahren.

          Nagel deutlich, Visco vorsichtig

          Der italienische Notenbankchef Ignazio Visco hatte in der vorigen Woche bei einer Veranstaltung mit dem früheren Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann in der Frankfurt School of Finance & Management davon gesprochen, es gebe Anzeichen, dass die Inflation auf mittlere Sicht nachlasse.

          Unter anderem nannte er als Argument die Inflationserwartungen der Verbraucher in Umfragen. Er plädierte für einen „allmählichen“ Kurs der geldpolitischen Normalisierung. Weidmann sagte über Visco, bei allen durchaus unterschiedlichen geldpolitischen Ansichten halte er Visco für einen der besten Ökonomen im EZB-Rat.

          Bundesbankpräsident Joachim Nagel dagegen sagte während der Bilanzpressekonferenz seines Hauses: Wenn die Inflation so hartnäckig bleibe, könne er sich durchaus vorstellen, dass über den März hinaus nicht nur „Zinsschritte“, sondern „deutliche Zinsschritte“ notwendig seien.

          Wie sehr den forschen Worten nun auch Taten folgen werden, ist unter den EZB-Beobachtern allerdings umstritten.

          „Mein Eindruck ist, dass die Märkte und die EZB-Beobachter stark unter dem Einfluss der höheren Inflationsraten stehen, die wir im Februar in allen Währungsräumen gesehen haben“, sagte Karsten Junius, Ökonom der Bank J. Safra Sarasin. Naturgemäß stärke das die Argumente der Falken im EZB-Rat, also der Vertreter einer strafferen Geldpolitik, gegenüber den Tauben, den Vertretern eines lockeren Kurses.

          Marco Wagner, EZB-Beobachter der Commerzbank, hingegen meinte: „In der Tat klangen die jüngsten Reden etwas falkenhafter – ich denke aber, dieser Eindruck liegt auch daran, welche EZB-Ratsmitglieder sich zuletzt äußerten.“ Er würde eher erwarten, dass die EZB nach der März-Sitzung eine langsamere Gangart in puncto Zinserhöhungen einschlagen werde. Und dass die Notenbank „wohl nicht allzu weit vom Zinshoch entfernt“ sei.

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