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Niedrigzinsen : Die Bauzinsen bleiben bis weit in 2020 hinein günstig

Mit der Niedrigzinspolitik bleibt der Baukredit attraktiv. Bild: dpa

Sparer werden weiterhin kaum Zinsen bekommen. Für Baukredite hingegen könnten die Zinsen noch etwas sinken. Was die EZB-Ratsentscheidung für die Verbraucher bedeutet.

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          Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag die erste Leitzinserhöhung ins nächste Jahr verschoben und neue Liquiditätsspritzen für Banken beschlossen. Die Commerzbank teilte mit, sie rechne mittlerweile sogar auch für das gesamte kommende Jahr weder mit einer Erhöhung der Leitzinsen in Europa noch mit einer Veränderung der negativen Einlagezinsen für Banken. „Das schlägt natürlich auf die Marktzinsen durch“, meinte Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank: „Eine Zinswende ist in noch weitere Ferne gerückt.“

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Welche konkreten Auswirkungen hat das für Verbraucher? Unmittelbar zu beobachten war nach der EZB-Sitzung, dass die Rendite der Bundesanleihe mit zehn Jahren Laufzeit weiter in Richtung Null gesunken ist. Am Freitagnachmittag stand sie zeitweise bei lediglich 0,062 Prozent.

          Relativ eng an der Anleihenrendite hängen in der Regel die Bauzinsen. Diese waren seit Jahresanfang gesunken, stagnierten im März bislang aber. Für Baudarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung zahlt man bei den günstigsten Banken nach Angaben des Internetportals Biallo rund 0,9 Prozent Zinsen im Jahr, bei fünf Jahren Zinsbindung sogar nur noch 0,6 Prozent.

          Sparer haben das Nachsehen

          „Die Entscheidung der EZB heißt, dass Häuslebauer und andere Kreditnehmer sich noch mindestens bis weit ins Jahr 2020 günstig verschulden können“, sagte Carsten Brzeski, der Chefvolkswirt der Bank ING in Deutschland. Auch Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, meinte: „Die Negativzinsen werden uns allen also vermutlich über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben – das ist gut für den Häuslebauer, schlecht hingegen für den Sparer, der sein Geld auf dem Konto liegen lässt.“

          Laut einer Studie der Deutschen Bank halten die Privathaushalte in Deutschland etwa 2,157 Billionen Euro auf überwiegend schlecht verzinsten Bankkonten, das sind etwa 42 Prozent des Finanzvermögens.

          Erste Banken kündigten an, dass sie auch ihren Kunden so lange weiterhin Negativzinsen in Rechnung stellen werden, wie die EZB bei diesem Instrument bleibe. Josef Paul, der Vorstand der Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee, die Negativzinsen für Privatkunden mit Einlagen von mehr als 100000 Euro eingeführt hatte, sagte: „Solange die Negativzinsen uns als Raiffeisenbank Gmund in Rechnung gestellt werden, geben wir diese Belastung an unsere Kunden, die ihre Sichteinlagen bei uns parken, weiter.“

          Kaum Zinsen auf Tagesgeld- und Festgeldprodukte

          Zuletzt hatte die Stadtsparkasse München angekündigt, wenn die EZB länger als erwartet bei ihren Negativzinsen bleibe und auch eine große Bank so etwas für Privatkunden einführen sollte, werde man auch nochmal darüber nachdenken müssen.

          Die Anlagezinsen für Tages- und Festgeldzinsen insgesamt dürften mit der EZB-Aussage erstmal bei null oder nahe null bleiben, meinte Max Herbst von der FMH-Finanzberatung, der fortlaufend die Verbraucherzinsen in Deutschland beobachtet. Derzeit gibt es im Schnitt noch 0,1 Prozent auf Tagesgeld und 0,18 Prozent für Festgeld auf zwölf Monate. „Die Ratenkreditzinsen bleiben ebenfalls auf weiterhin extrem niedrigem Wert, was auch etwas die Marge der Banken belastet“, meinte Herbst.

          Für die Bauzinsen hingegen werde sich bemerkbar machen, dass Ängste die Anleger in die Bundesanleihe trieben und mit deren Rendite auch die Hypothekenzinsen unter Druck gerieten: „Die Bauzinsen werden daher eher etwas sinken, als dass sie steigen werden.“

          Der Markt habe seine Erwartungen für eine Zinserhöhung weiter in die Zukunft geschoben, meinte auch Michael Heise, der Chefvolkswirt der Allianz. Das bedeute für Sparer, dass wohl bis in das Jahr 2021 hinein weiterhin keine Zinsen auf Bankkonten gezahlt würden. Termineinlagen und Spareinlagen dürften sich sehr nahe der Nullachse bewegen. „Bei einer erwarteten Preisniveausteigerung von etwa 1,5 Prozent geht der reale Vermögensverlust für die Bestände an Bankdepositen weiter“, sagte Heise. Für Schuldner sei die Situation dagegen noch günstiger als zuvor: „Kreditzinsen werden auf breiter Front niedrig bleiben.“

          Das gelte auch für Hypothekenzinsen. Und auch wenn sich die Konjunktur in der Währungsunion wieder fange, womit noch 2019 zu rechnen sei, dürften die Zinserwartungen der Märkte allenfalls moderat steigen, meinte Heise: „Wir sind in gewissem Sinne in einer Zinsfalle, denn solange die Inflationsrate unter dem Ziel von nahe bei 2 Prozent bleibt, kann die EZB eine Zinsnormalisierung kaum begründen.“

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