Zu Besuch bei Degussa : Mit dem Familienschmuck zum Goldhändler
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Begehrtes Edelmetall: Verkauf von Goldbarren im Degussa-Goldhandel in Frankfurt Bild: Slesiona, Patrick
Bei Degussa, Deutschlands großem Goldhändler, wandern Ringe, Münzen und Barren tonnenweise über den Tresen. Manchmal fließen sogar Tränen.
Der junge Mann kam in der Mittagszeit, den Rucksack lässig über die Schulter geworfen, auf den ersten Blick ein unscheinbarer Typ. Doch dann ließ er sich in den Nebenraum führen und packte aus: erst einen Goldbarren, dann noch einen, dann den nächsten. Am Ende lagen 15 Kilogramm Gold ordentlich nebeneinander – aktueller Gegenwert gut 500.000 Euro. Ob man ihm das Geld gleich gutschreiben könne?
Einen solchen Auftritt erleben sie selbst bei Degussa nicht alle Tage, dabei sind die Fachleute des wohl bekanntesten deutschen Goldhändlers auf das Geschäft mit den wertvollen Barren spezialisiert. In der Zentrale, einer denkmalgeschützten Frankfurter Villa, strömen an richtig guten Tagen schon einmal mehr als 150 Kunden durch die gut gesicherte Eingangstür, um Gold und Silber zu kaufen oder zu verkaufen – doch nur die wenigsten tragen solche Schätze bei sich wie der junge Mann in seinem Rucksack.
Was der Mann mit all dem Geld gemacht hat, haben die Degussa-Leute nie erfahren. Und trotzdem kann Geschäftsführer Wolfgang Wrzesniok-Roßbach seine Kundschaft ansonsten ziemlich genau einschätzen: Um zu wissen, was in Frankfurt oder den sechs anderen Niederlassungen seines Unternehmens in Deutschland so los sein wird, braucht er nämlich nur morgens das Radio einzuschalten. Währungskrise, Euro-Ende, Börsencrash – fällt auch nur eines dieses Stichworte, weiß Wrzesniok genau: Heute wird es voll.
Selbst der Türstopper schimmert golden
So war es auch in den vergangenen Wochen. Dieses Mal lautete das Stichwort „Krim-Krise“ und prompt kletterte der Goldpreis auf zwischenzeitlich 1381 Dollar je Feinunze (rund 31 Gramm), den höchsten Stand der vergangenen sechs Monate. Danach gab er zwar wieder etwas nach, aber nach dem heftigen Preisabsturz im Jahr 2013 war dies trotzdem ein sensationelles Comeback: Die Goldkäufer sind zurück. Aber nicht nur die. Denn bei steigendem Goldpreis strömt auch eine zweite Gruppe wieder in Wrzesnioks Geschäfte und die der Konkurrenten wie Pro Aurum: Alle diejenigen, die in dem Plus die Gelegenheit sehen, Großmutters alten Goldschmuck, Münzen oder gar Zahngold nun endlich für gutes Geld zu verkaufen. Die Kunden reagierten heute viel stärker auf Preisveränderungen als früher, sagt Wrzesniok: „Sie sind so gut informiert wie nie zuvor.“
Der Geschäftsführer selbst allerdings lässt sich vom Goldfieber nicht mitreißen. Betont sachlich sagt er: „Wir betreiben hier im Prinzip nichts anderes als ein ganz klassisches Einzelhandelsgeschäft - kaufen und verkaufen.“ Das ist natürlich stark untertrieben. Denn zum einen erzielen Goldhändler in aller Regel eine höhere Marge als die oftmals darbenden Einzelhändler – auch wenn Wrzesniok beteuert, bei Degussa liege sie bei noch nicht einmal fünf Prozent. Und zum anderen leisten sich nur die wenigsten Einzelhändler derart noble Verkaufsräume: Wer Glück hat, wird zum Kundengespräch in die erste Etage der Gründerzeitvilla geführt, stuckverzierte Decke, edle Spieluhren, hohe Spiegel – und selbst die Türstopper schimmern goldig. Nicht echt, lacht der Geschäftsführer, voller Freude über die gelungene Täuschung.
Die echten Barren liegen eine Etage tiefer – hinterm Schalter, so nennen das die Degussa-Mitarbeiter nüchtern. Der befindet sich im Erdgeschoss und hat mit einem normalen Bankschalter nur so viel gemein, dass Kunde und Mitarbeiter ebenfalls durch eine Sicherheitsscheibe voneinander getrennt sind. Ansonsten ist die Atmosphäre dann doch eine andere: dunkles Holz, hohe Decke, alles vom Feinsten.
„Hier brechen manchmal Welten zusammen“
Das Herzstück des Raumes aber ist eine kleine, schwarze Kiste, die auf den ersten Blick kaum auffällt. Darin lagert der „Tagesbestand“: Wieder ein ziemlich nüchternes Wort für den umso glänzenderen, gut gesicherten Inhalt der Kiste: Krügerrand-Münzen aus Südafrika finden sich darin, derzeitiger Wert rund 1.000 Euro pro Stück. Mini-Goldbarren mit einem Gewicht von einer Unze (rund 31 Gramm), einer der Verkaufsschlager des Hauses. Und auch ein paar 250-Gramm-Barren, die zwar so leicht sind wie ein großes Stück Butter, aber jeder aktuell fast 8.000 Euro wert. Da kommt also einiges zusammen.
Rund 7.000 Euro geben die Degussa-Kunden im Schnitt hier aus – vor allem Männer über 50, gut verdienend, hat die hausinterne Marktforschung ergeben. Mehr will man nicht preisgeben, Diskretion ist in dem Geschäft wichtig. So viel dann aber doch: Die gewaltige Menge von 30 Tonnen Gold und 100 Tonnen Silber hat Degussa im vergangenen Jahr verkauft. Dass einige Kunden da deutlich mehr als 7.000 Euro investiert haben müssen, liegt auf der Hand.