Vereinigte Staaten : Schwaches Wirtschaftswachstum - schwacher Dollar?
- Aktualisiert am
Bild: dpa
Während professionelle Anleger in den vergangenen Wochen euroskeptisch wurden, geht die Investmentbank Goldman Sachs von einer deutlichen Abwertung des Kurses des amerikanischen Dollars gegen den Euro aus. Wer hat recht?
Während professionelle Anleger in den vergangenen Wochen angesichts der andauernden Diskussionen über die Staatsschuldenkrise in Europa euroskeptisch wurden, geht die Investmentbank Goldman Sachs von einer deutlichen Abwertung des amerikanischen Dollars gegen den Euro aus.
Wie die gerade veröffentlichte Ausgabe der monatlich einmal stattfindenden Umfrage von BofA Merrill Lynch für den Monat Mai zeigte, gehen die Wachstums- und Gewinnerwartungen der weltweit tätigen Fondsmanager zurück. Mit besonderer Skepsis betrachten sie vor allem die volkswirtschaftliche Entwicklung in Europa und damit auch die Kursentwicklung des Euro (siehe: Die Fondsmanager werden „euroskeptisch“).
Gemessen an der Kaufkraftparität ist der Dollar unterbewertet
Tatsächlich ist die amerikanische Währung gemessen an Bewertungskonzepten wie der Kaufkraftparität und mit Bezug auf die Erzeugerpreise im Verhältnis zur europäische Einheitswährung um knapp 25 Prozent unterbewertet. Noch deutlicher unterbewertet sind nur noch die Währungen Kanadas und Schwedens.
Solchen Argumenten und Erwartungen begegnet die Wall-Street-Bank Goldman Sachs zumindest offiziell mit einem kühlen Lächeln und mit der Prognose, der amerikanische Dollar werde in nächster Zeit unter Umständen sogar deutlich abwerten, da das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten unterdurchschnittlich ausfallen werden. Innerhalb von gerade einmal sechs Monaten werde der Kurs der amerikanischen Währung laut dieser Einschätzung 1,50 Dollar je Euro erreichen, um auf Sicht eines Jahres gar bei 1,55 Dollar zu liegen. Im Verhältnis zur japanischen Währung dagegen werde der Kurs weitgehende unverändert zu aktuellen Kursen bei 82 Yen verharren.
Faktisch fielen die in jüngerer Vergangenheit in den Vereinigten Staaten veröffentlichten Konjunkturdaten - im Gegensatz zu den meisten Unternehmenszahlen - überaus bescheiden aus. Während zumindest die Erzeugerpreise aufgrund der hohen Energie- und Rohstoffkosten deutlich anziehen, bleiben Immobilien- und Arbeitsmarkt trotz der enormen geld- und fiskalpolitischen Impulse auf Pump weiterhin sehr schwach. Das Vertrauen der Konsumenten ist weiterhin angeschlagen, während vorlaufende Indikatoren auf eine Abschwächung der konjunkturellen Dynamik hindeuten. Das Economic Cycle Research Institute rechnet schon im Sommer mit einer deutlichen Abkühlung weltweit.
Am Donnerstag fiel der vorlaufende Indikator des Conference Board für den April sehr enttäuschend aus, während der Philadelphia Fed Business Outlook Survey Diffusion Index für Mai förmlich einbrach, nachdem er noch in den vergangenen Monaten ungewöhnlich stark gestiegen war. Die amerikanische Industrieproduktion hatte im April stagniert und ihre Kapazitäten waren mit knapp 77 Prozent in historischer Sicht weiterhin sehr schwach ausgelastet. Dagegen ist die Regierung mit ihrem unglaublichen Ausgabeverhalten an die verfassungsmäßige Schuldengrenze gestoßen und muss sich mit Tricks behelfen, um über die Runden zu kommen.
„Um den Dollar zu stabilisieren oder gar zu festigen, müssten die Anleger von zusätzlichen und langfristigen Investitionen in den Vereinigten Staaten überzeugt sein“, schrieb Analyst Thomas Stolper in seiner Studie, „aber angesichts der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit, der Notwendigkeit einer Stabilisierung der Staatsfinanzen und dem unverändert schwachen Immobilienmarkt bleibt der Wachstumsausblick für die Vereinigten Staaten weniger attraktiv als für andere Regionen oder Ländern.“
Wertet der Dollar ab - oder eher auf?
Der Dollar-Index, der die Entwicklung des amerikanische Devise im Vergleich zu den Währungen der sechs wichtigsten Handelspartner der Vereinigten Staaten abbildet, hat seit Jahresbeginn 2011 knapp fünf Prozent verloren. Im Vergleich zum Euro ergibt sich seit Jahresbeginn ein Verlust von mehr als sechs Prozent. Zum Yen blieb der Dollar-Kurs mit 81,70 Yen wenig verändert.
Als Hauptgrund für die erwartete Dollar-Schwäche gilt die Aussicht, dass die Notenbank Fed ihre extrem lockere Geldpolitik im Vergleich zu anderen Zentralbanken erst sehr spät beenden wird. So hat der Präsident der Fed St. Louis, James Bullard, erst am Mittwoch für das Jahresende eine Änderung der Geldpolitik in Aussicht gestellt. Goldman Sachs geht in der Studie noch wesentlich weiter und erwartet „nicht vor dem Jahre 2013“ eine Anhebung des amerikanischen Leitzinsniveaus. Für den Dollar gebe es noch immer „erhebliches Abwärtspotential“, hieß es in der Studie.
Ob diese Prognose weit tragen kann, wird sich erst noch zeigen müssen. Denn ein schwaches amerikanisches Wachstum, die bremsende Wirkung der Sparmaßnahmen in vielen europäischen Staaten und nicht zuletzt auch die restriktiveren geld- und fiskalpolitischen Strategien in den Schwellenländern können Anleger zu Gewinnmitnahmen und zur Repatriierung ihrer Mittel führen. Da amerikanische Anleger riesige Beträge im Ausland und in den Rohstoffmärkten investiert haben, würden entsprechende Bestandsanpassungen den Dollar zumindest zyklisch eher auf- als abwerten lassen.