Ölpreis macht nervös : Gefangen zwischen Opec und Fracking
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Amerikanische Ölplattform vor der kalifornischen Küste Bild: Reuters
Ein Ölpreis von nur gut 50 Dollar macht erste Opec-Staaten unruhig. Eine Verlängerung der Förderbremse würde ihn steigen lassen. Doch das käme Amerikas flinken Frackern gerade recht.
Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) setzt zum zweiten Streich an: Voraussichtlich im Mai soll abermals eine Kürzung der Ölfördermenge vereinbart werden. Am vergangenen Wochenende trafen sich Vertreter von Opec- und Nicht-Opec-Staaten in Kuweit zu einer Sitzung des sogenannten „Monitoring-Committee“, um die Bedingungen dafür auszuloten.
Es gab ein bisschen Hin und Her in der Frage, ob man schon im Abschlussdokument eine Verlängerung der Förderbremse empfehlen sollte. Das hätte bedeutet, dass die Grenzen für die Ölförderung der einzelnen Länder, die im vorigen Jahr für Januar bis Ende Juni 2017 vereinbart wurden, um ein weiteres halbes Jahr bis Ende Dezember verlängert würden. Dazu haben sich die Ölstaaten aber auf dieser Sitzung noch nicht durchringen können.
Insbesondere Russlands Ölminister Alexander Novak gab gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg zu Protokoll, Russland brauche vor einer solchen Entscheidung mehr Zeit, um die Entwicklung des Marktes, der Ölvorräte sowie der Produktion vor allem in Amerika einschätzen zu können. Demgegenüber beschwerte sich der Ölminister Kuweits, dass die vereinbarte Begrenzung der Fördermengen nicht von allen eingehalten werde.
Um 400.000 Fass am Tag erhöht
Die ersten Opec-Mitglieder seien offenkundig „in Unruhe verfallen“, schreibt Jan Edelmann, Ölanalyst der HSH Nordbank. Der Grund sei der Preisrutsch von Anfang März. Mit ihrer Vereinbarung über eine Förderkürzung im vorigen Jahr hatten es die Opec-Mitglieder tatsächlich geschafft, den Ölpreis hochzutreiben: Von rund 47 Dollar je Fass (zu 159 Liter) für die Nordseesorte Brent war er Ende November, Anfang Dezember hochgeschnellt und hatte sich seither recht stabil in einem Band zwischen 55 und 57 Dollar bewegt.
Die abermalige Wende gab es in der zweiten Märzwoche: Von einem Tag auf den anderen fiel der Ölpreis der Nordseesorte auf nur noch knapp über 50 Dollar – in der vergangenen Woche lag er sogar kurzzeitig unter dieser Marke.
Zwei Gründe werden von Händlern und Analysten für den Ölpreisrutsch genannt: Zweifel daran, dass sich alle Opec- und Nicht-Opec-Mitglieder an die vereinbarten Fördermenge halten. Vor allem aber: überraschend starke Zahlen aus Amerika, abgelesen längst nicht mehr nur an den Lagerbeständen. Mittlerweile hat die Zahl der aktiven Bohranlagen („Rigs“) – ein Indikator für die amerikanische Ölförderung – mit 652 den höchsten Stand seit 1,5 Jahren erreicht.
Auch die in Amerika geförderte Ölmenge ist schneller und stärker gestiegen als erwartet. So hat Amerikas Fracking-Branche ihre Förderung seit der Ankündigung der Opec-Förderbremse im vorigen November um 400.000 Fass am Tag erhöht, bis zum Jahresende soll das Plus 700.000 Fass je Tag oder mehr betragen. „Das schnelle Comeback der Fracker dürfte unter anderem auf weitere Effizienzfortschritte und unterstützende Kapitalmärkte zurückzuführen sein“, schreibt die HSH Nordbank.
Der Ölpreis bewegt sich dabei, wie die Ölexperten es formulieren, zwischen „Opec Put“ und „Shale Call“. Gemeint ist damit: Die Opec sorgt mit ihrer Förderbremse dafür, dass der Ölpreis nicht ins Bodenlose fällt. Umgekehrt sorgt die amerikanische Fracking-Branche („Shale oil“) dafür, dass der Preis nicht deutlicher steigt. Schon leicht höhere Preise haben zur Folge, dass Amerika mehr fördert. Das größere Angebot und größere Lagerbestände wirken dann preisdämpfend.
Hintergrund ist unter anderem der technische Fortschritt in der Fracking-Branche. Anders als herkömmliche Ölförderanlagen können Fracking-Unternehmen ihre Anlagen in Abhängigkeit vom Ölpreis in kurzer Zeit hoch- und runterfahren. Zudem ist der Schwellenwert für den Ölpreis, von dem an sich Fracking lohnt, immer weiter gesunken.
Einst soll sich das Geschäft erst bei mehr als 100 Dollar je Fass gelohnt haben, dann war mal von 80 Dollar die Rede. Im Augenblick wird ein Ölpreis von um die 50 Dollar für viele Fracker als notwendig erachtet, manche benötigen aber wohl noch deutlich weniger. Je tiefer dieser Wert aber sinkt und je schneller und flexibler die Amerikaner reagieren können, wenn die Opec den Preis hochzutreiben versucht, desto mehr wird die Macht der Opec als in aller Welt preisfestsetzendes Kartell gebrochen. Das bekommt die Opec gerade zu spüren.
„Es ist davon auszugehen, dass sich die Opec im letzten Moment doch noch auf eine Fortsetzung der Produktionskürzungen im Mai einigen wird“, meint Eugen Weinberg, Ölfachmann der Commerzbank: „Nur bringen wird es mittelfristig rein gar nichts.“ Die Analysten glauben zwar, dass der Ölpreis durchaus unmittelbar steigt, wenn die Opec sich auf ein weiteres halbes Jahr mit Förderbremse verständigt. Das war im vorigen Jahr schließlich auch so.
Auch wenn die Einigung sicher wieder „ein Kraftakt“ werde, wie das Bankhaus Metzler schreibt. Das könnte den Ölpreis kurzzeitig sogar über 60 Dollar steigen lassen, meint Ölanalyst Edelmann. Die Commerzbank ist da etwas vorsichtiger, meint aber immerhin, „in Richtung 55 Dollar“ könnte es in dem Fall mit dem Ölpreis durchaus nach oben gehen.
Was aber würde die amerikanische Ölbranche dann machen? „Die amerikanische Ölproduktion wird noch mehr steigen, als das ohnehin schon der Fall sein dürfte“, meint Weinberg. Denn wenn der Preis steigt, lohnt es sich für immer mehr Ölförderer die Produktion aufzunehmen.
Eine Verlängerung des Abkommens werde sich daher schnell als „self-defeating endeavour“ erweisen – als Strategie, die das Gegenteil des Beabsichtigten erzielt, glauben die Analysten. Sollte der Ölpreis bei 60 Dollar stehen, könnte die amerikanische Ölförderung auf mehr als 10,7 Millionen Fass je Tag steigen. Das wären 1,5 Millionen Fass je Tag mehr als im Augenblick: eine Ölflut, die alle Bemühungen der Opec konterkarierte. Kein Wunder, dass die Opec-Mitglieder mit diesem Schritt noch zögern – wenn auch wohl nicht für immer.