Im Gespräch: Jörg Radeke, cebr : „Ein Staatsdefizit von 12,5 Prozent ist nicht tragbar“
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Jörg Radeke, Economist am cebr Bild: Privat
Jörg Radeke vom Centre for Economics and Business Research rechnet für längere Zeit mit tiefen Zinsen und schwachem Wachstum in Großbritannien. Das Land müsse glaubwürdige Maßnahmen gegen die Finanzprobleme präsentieren, erklärt er weiter.
Das britische Pfund ist ziemlich schwach. Jörg Radeke vom Centre for Economics and Business Research rechnet für längere Zeit mit tiefen Zinsen und schwachem Wachstum in Großbritannien. Das Land müsse rasch transparente und glaubwürdige Maßnahmen präsentieren, wie man die Finanzprobleme in den Griff bekommen möchte, erklärt er weiter. Er hält solche allerdings für machbar.
Das britische Pfund ist ziemlich schwach, vor allem gegen den Euro. Wieso?
Die Schwäche lässt sich erstens durch die Unterschiede in den Zinssätzen und den Zinserwartungen erklären. In Großbritannien erwartet man, dass die Zinsen in den kommenden Jahren relativ niedrig bleiben. Wir vom Centre for Economics and Business Research (cebr) rechnen bis Ende des Jahres 2011 mit niedrigen Sätzen und auch danach werden sie voraussichtlich nur allmählich angehoben werden. Dagegen erwartet man, dass die Zinsen in Europa und auch in den Vereinigten Staaten schon früher erhöht werden.
Zweitens wird das britische Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren wohl nur moderat ausfallen. Alleine schon weil die Öffentliche Hand Einsparungen wird vornehmen müssen, dürfte das Wachstum deutlich unter dem Niveau bleiben, welches es vor der Rezession erreicht hatte. Die Wachstumsrate dürfte bei etwa ein Prozent liegen.
Aus welchen Gründen?
Wegen dem so genannten „Deleveraging“. Das heißt, weil die britischen Privathaushalte und auch der Staat ihre Schulden reduzieren und mehr als früher sparen müssen. Ein großer Teil des Wirtschaftswachstums, das wir in den vergangenen Jahren gesehen haben, basierte auf der zunehmenden Verschuldung, die nun zu einem Teil von der Öffentlichen Hand übernommen wurde. Künftig muss der Schuldenberg abgetragen werden. Das bedeutet, die öffentlichen Ausgaben müssen gekürzt und die Steuern müssen teilweise erhöht werden. Fährt man die Investitionen und die öffentlichen Ausgaben zurück, so hat das entsprechende Auswirkungen auf das Wachstum. Und steigt die Sparquote, die zwischenzeitlich negativ war und die mittlerweile bei fünf Prozent liegt, aber weiter steigen dürfte, so gehen die Konsumausgaben zurück.
Sie gehen also davon aus, dass sich das Verhalten der britischen Verbraucher ändern wird?
Die vergangenen Jahre waren nicht gerade durch Nachhaltigkeit geprägt gewesen. Die Bereitschaft ist nicht mehr da, so freigebig Geld zu verleihen wie in der Vergangenheit, als Kredite mit sehr geringem Eigenkapitalanteil möglich waren. Die Gelder werden nicht mehr durch den internationalen Finanzmarkt bereitgestellt und auch die Banken des Landes sind aufgefordert durch die Regulierung, ihre Eigenkapitalquoten zu erhöhen. Das können sie natürlich nur schaffen, indem sie ihre Verschuldung reduzieren und Kredite nur noch nach strengeren Kriterien als früher vergeben.
Auf der anderen Seite stellt die Bank of England den Banken Gelder praktisch umsonst zur Verfügung und der britische Häusermarkt scheint sich nach jüngsten Informationen zumindest optisch stabilisiert zu haben.