China : Angst vor Liquiditätsengpass der Banken
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Begehrte Immobilien: Hochhäuser in Shanghai Bild: dpa
Die Zinsen in China schnellen in die Höhe. Eine mittelgroße Bank legt ein schwaches Börsendebüt hin. Doch die Sorgen vor einem Liquiditätsengpass reichen weiter. Bankanalysten bezeichnen fünf Länder als Schmuddelkinder.
Das Geld auf der Welt wird ein klein wenig knapper und sogleich packt Anleger die Angst, dass vor allem chinesische Banken in Liquiditäts- und Kapitalengpässe geraten könnten. Für diese Angst gab es am Freitag zumindest zwei starke Indizien: der Zins, zu dem sich chinesische Banken untereinander für eine Woche Geld leihen, stieg auf 7,75 Prozent. Vor einer Woche waren es weniger als 4,75 Prozent, und schon dieses Zinsniveau war höher als üblich. Außerdem legte das elftgrößte chinesische Kreditinstitut, Everbright, auf dem Aktienmarkt in Hongkong ein schwaches Börsendebüt hin.
Mit der Entscheidung der amerikanischen Notenbank, von Januar an jeden Monat nur noch für 75 statt wie bisher für 85 Milliarden Dollar amerikanische Staats- und Hypothekenanleihen zu kaufen, hat für Schwellenländer eine neue Phase begonnen. „Die Flut dreht“, heißt es aus der größten asiatisch-europäischen Bank HSBC in London. Mit diesem Bild meinen die Analysten von HSBC die Flut an Liquidität: Die seit 2008 geschaffene Überschussliquidität, die zu weiten Teilen aus Amerika in Schwellenländer geflossen ist, wird nun wohl zurück schwappen und von Schwellenländerbörsen in Industrieländer zurück fließen. Die Sorge vor Liquiditätsengpässen erstreckt sich daher vor allem, aber nicht nur, auf China. Die Schweizer Bank UBS nennt Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei die „dirty five“. Das bedeutet so viel wie die fünf Schmuddelkinder.
Mehr Import als Export
Die fünf Länder werden so bezeichnet, weil sie seit Jahren mehr importieren als exportieren und dieses Defizit in der Leistungsbilanz durch Kapitalzuflüsse aus dem Ausland decken müssen. In den letzten Jahren gelang ihnen das leicht. Denn die in der Finanzkrise von den Notenbanken in Amerika, aber auch in Japan, England und der Schweiz geschaffene Überschussliquidität lenkten Anleger zu einem beträchtlichen Teil wegen der dort höheren Zinsen und dem höheren Wirtschaftswachstum in die Schwellenländer um. Wenn sich nun aber die Liquiditätsströme, wie von HSBC und anderen vorhergesagt, tatsächlich umkehren sollten, könnte es für die Schwellenländer mit Leistungsbilanzdefiziten enger werden.
Die Verwundbarkeit der fünf Schmuddelkinder zeigt sich schon auf den Devisenmärkten: Die türkische Lira fiel, gefolgt vom brasilianischen Real, in dieser Woche am deutlichsten um mehr als 2 Prozent zum Euro. In Dollar ist die türkische Lira nun sogar so wenig wert wie seit 1981 nicht mehr. Zum Euro hat die türkische Währung seit Mitte Mai kräftige 17 Prozent verloren. Damals dachte die amerikanische Notenbank erstmals laut darüber nach, den Aufbau von Überschussliquidiät zu verlangsamen. Die indonesische Rupiah hat seit diesem Zeitpunkt zum Euro 24 Prozent, der brasilianische Real 19 Prozent, die indische Rupie 17 Prozent und der südafrikanische Rand 15 Prozent verloren. Dabei hat die brasilianische Zentralbank seit April schon sechs Mal ihren Leitzins auf inzwischen 10 Prozent erhöht, um Anleger im Land zu halten.
Die Preise steigen
Auch die in dieser Woche stark gestiegenen Zinsen in China sind ein Zeichen dafür, dass Anlegern mehr als bisher geboten werden muss, damit sie dort Banken Geld leihen. Höhere Zinsen sind der Zentralbank in Peking nicht unwillkommen. Sie wünscht eine geringere Nachfrage nach Bankkrediten, weil sie eine Überhitzung am chinesischen Immobilienmarkt befürchtet. Dort sind in 69 der 70 größten Städte die Preise auch im November gestiegen. Wegen der Angst vor überhöhten Immobilienpreisen und späteren Kreditausfällen hatte die chinesische Zentralbank in der zweiten Junihälfte dieses Jahres die Liquidität auf dem Interbankenmarkt verknappt.
Daraufhin waren die Zinsen auf ein zweistelliges Niveau geklettert. Die Zahlungsfähigkeit großer chinesischer Banken geriet in Zweifel. Auch in den ersten beiden Dezemberwochen hat die Zentralbank dem Markt netto 84 Milliarden Yuan (10 Milliarden Euro) entzogen. Doch in dieser Woche ging ihr der Zinsanstieg dann offenbar zu weit. Am Donnerstag gab die Zentralbank eine unbekannte Summe zusätzlichen Geldes in den Interbankenmarkt und verlängerte die Handelszeiten. Damit verhinderte sie den Zinsanstieg am Freitag allerdings nicht.
Auch auf dem Aktienmarkt schlägt chinesischen Banken Misstrauen entgegen. Die elftgrößte Bank Everbright schaffte zwar im dritten Anlauf an Freitag ihr Debüt an der auch Ausländern zugänglichen Börse in Hongkong. Dabei verkaufte die schon an der Börse Schanghai notierte mittelgroße Bank Aktien für immerhin 3 Milliarden Dollar (2,2 Milliarden Euro). Everbright ist damit der größte Börsengang in Hongkong in diesem Jahr und der zweitgrößte in Asien. Doch die Aktien verloren am ersten Handelstag fast 3 Prozent.
Der Börsengang erfolgte offenbar eher aus einer Not heraus. Die chinesische Aufsicht verlangt von nicht als systemrelevant geltenden Banken wie Everbright als Puffer für Verluste eine Eigenkapitalquote von 10,5 Prozent bis zum Jahresende 2018. Everbright hat durch den Aktienverkauf aus dem Börsengang ihre Eigenkapitalquote um 1 Prozentpunkt auf in etwa dieses Niveau erhöht. Doch ein nachlassendes Wirtschaftswachstum im Jahr 2014 könnte die Kreditausfälle in China weiter steigen lassen und das Eigenkapital der Banken angreifen.