Bargeld lacht : Die Deutschen hängen an Münzen und Scheinen
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In den meisten deutschen Portemonnaies ist viel drin. Bild: dpa
Bezahlen mit dem Smartphone ist eigentlich praktisch. Aber für die meisten Bundesbürger ist Bargeld aus dem Alltag noch nicht wegzudenken, so Ergebnisse von Bundesbank-Untersuchungen.
Die Bundesbürger hängen an Scheinen und Münzen: Zwar werden Kartenzahlungen immer beliebter, doch vor allem kleine Summen zahlen Verbraucher nach wie vor meist bar. Ganz auf Bargeld zu verzichten, ist für die überwiegende Mehrheit der Deutschen keine Option.
88 Prozent wünschen sich einer Umfrage der Bundesbank zufolge, auch in Zukunft mit Scheinen und Münzen zahlen zu können. „Ich bin felsenfest überzeugt davon: Bargeld wird auch in Zukunft seine Gültigkeit behalten“, sagt Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele.
Kleingeld ist vielen Deutschen Umfragen zufolge zwar lästig. Gerade Ein- und Zwei-Cent-Münzen würde eine Mehrheit der Verbraucher demnach nicht missen. Doch im Alltag verzichten bislang die wenigsten auf Bargeld: Drei von vier Einkäufen (74 Prozent) wurden nach den Daten der Bundesbank im Jahr 2017 an der Ladenkasse bar bezahlt. Gemessen am Umsatz sanken die Barzahlungen allerdings erstmals unter 50 Prozent auf 48 Prozent.
Zu kompliziert
„Trotz verbreiteter Nutzung bargeldloser Zahlungssysteme findet die verhältnismäßig neue Möglichkeit der Zahlung über Smartphones so gut wie keine Anwendung“, konstatierte jüngst Kerstin Schultz von der Verbraucherzentrale Sachsen. Nur drei Prozent von 1000 dort befragten Girokontenbesitzern nutzen demnach ihr Smartphone zum Bezahlen.
Hauptgründe für die Zurückhaltung laut Bundesbank: Viele Verbraucher haben Sorge, dass das Bezahlen per Smartphone unsicher ist. Anderen ist es zu kompliziert. „Wir erwarten derzeit keine schnelle Änderung des Zahlungsverhaltens“, sagt Thiele. Potential hat aus Sicht der Bundesbank indes das kontaktlose Bezahlen mit der Girokarte an der Ladenkasse quasi im Vorbeigehen - derzeit mit gut einem Prozent Umsatz im Handel auch nur ein Nischenphänomen.
Ein Volk der Bargeldträger
Gut 21,4 Milliarden Euroscheine waren Ende vergangenen Jahres im Umlauf - über eine Milliarde mehr als ein Jahr zuvor und fast dreimal so viel wie 2002, dem Jahr der Einführung des Euro-Bargeldes. Die Bargeldproduktion steigt - in Europa wie in anderen Teilen der Welt. „Banknoten sind nicht rückläufig, das Produktionsvolumen bei Bargeld wächst immer noch leicht“, sagte erst kürzlich Ralf Wintergerst, Chef von Giesecke & Devrient, dem Weltmarktführer im Banknotendruck.
In keinem anderen Euroland haben die Verbraucher im Schnitt so viel Geld in der Brieftasche wie in Deutschland: durchschnittlich 107 Euro, davon etwas mehr als 6 Euro in Münzen. Eine jüngst veröffentlichte Untersuchung der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Daten aus dem Jahr 2016 zeigte aber auch, dass die Deutschen mit ihrer Treue zu Scheinen und Münzen in Europa nicht alleine sind: In Malta werden der EZB-Studie zufolge 92 Prozent der Transaktionen bar bezahlt. Barzahlungen an der Kasse sind auch in Zypern (88 Prozent), Spanien (87 Prozent) und Italien (86 Prozent) sehr beliebt.
Gewohnheiten ändern sich langsam
Trotz Verbreitung bargeldloser Verfahren bleibt Bargeld das dominierende Zahlungsmittel auch im Euroraum, stellte die EZB fest, die für die Analyse mehr als 65.000 Bürger befragt hatte. „Das scheint die Wahrnehmung in Frage zu stellen, dass Cash schnell von bargeldlosen Zahlverfahren ersetzt wird“, folgerte die Notenbank. Manche Experten hatten schon das baldige Ende von Scheinen und Münzen vorhergesagt.
Etliche Einzelhändler akzeptieren Zahlungen mit Karte ohnehin erst ab einer bestimmten Summe. Das hat vor allem einen Grund: „Kartenzahlung ist für Händler immer noch mit Kosten verbunden“, erklärt Ulrich Binnebößel vom Handelsverband HDE. Vor allem für kleinere Einzelhändler, die Produkte mit geringen Margen verkaufen wie beispielsweise Zeitschriften, sei das ein Problem.
Nach der jüngsten Umfrage des Handelsforschungsinstituts EHI rechnen mehr als zwei Drittel der Händler damit, dass Bargeld zumindest für Beträge unter zehn Euro auch in den nächsten fünf Jahren die dominante Zahlungsart bleiben wird. Mit deutlichem Abstand folgen die Girocard kontaktlos (16,7 Prozent) und erst dann Mobile Payment (4 Prozent). „Der Handel kann derzeit nicht komplett auf Bargeld verzichten, ohne Kunden zu verlieren“, argumentiert Binnebößel.
Seit Jahren gewinnt vor allem die Girocard (EC-Karte) an Boden. 35 Prozent der erfassten Umsätze werden der Studie zufolge inzwischen auf diesem Weg bargeldlos bezahlt. Bei der letzten Bundesbank-Erhebung mit Daten für das Jahr 2014 lag der Wert bei rund 30 Prozent
Thema Datenschutz
Gegen ein absehbares Aus für Schein und Münzen in Deutschland spricht aus Sicht der Unternehmensberatung Boston Consulting (BCG) auch, dass Verbraucher viel Wert auf Datenschutz legen und Bedenken gegenüber neuen Techniken haben. „Nur ein Viertel der Verbraucher glaubt, dass bargeldlose Zahlungen sicher sind“, so das Ergebnis einer BCG-Studie.
Außerdem haben viele Verbraucher Sorge, den Überblick über ihre Ausgaben zu verlieren, wenn sie nur noch mit Karte, Smartphone und Co. bezahlen. Einer Postbank-Umfrage zufolge können sich selbst viele jüngere Menschen mit einem Leben ohne Scheine und Münzen nur schwer anfreunden: Bei den unter 35-Jährigen sind es gerade mal 27 Prozent.