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Cum-Ex-Geschäfte : Razzia der Steuerfahnder in der Bank BNP Paribas

Neue Cum-Ex-Durchsuchungen: Dieses Mal trifft es die französische Bank BNP Paribas (hier abgebildet ihre alte Zentrale im Europaviertel). Bild: Picture Alliance

Hätten Depotbanken für Aktienleerverkäufer Steuern einbehalten und abführen müssen? Diese Frage, die schon in den Gerichtsverfahren M.M. Warburg versus Deutsche Bank eine Rolle spielte, rückt nun wieder ins Blickfeld.

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          Nun hat auch die mit Abstand größte Verwahrstelle von Wertpapieren in Deutschland unerbetenen unangenehmen Besuch im Cum-ex-Komplex erhalten. Die bei der Aufklärung von  Steuerhinterziehung  rund um den Dividendenstichtag federführende Staatsanwaltschaft Köln durchsucht seit Dienstag mit rund 130 Ermittlern die Frankfurter Deutschland-Zentrale der französischen Bank BNP Paribas. Zwar nannte die Staatsanwaltschaft die Bank wegen des Steuergeheimnisses nicht namentlich, aber BNP Paribas  bestätigte die Durchsuchung und erwähnte dabei  en passant, dass ein Ermittlungsverfahren gegen sie seit 2017 laufe. 
          Die  Staatsanwaltschaft ermittelt  gegen 58 Beschuldigte, darunter ehemalige und aktuelle Mitarbeiter von BNP Paribas.  Auch Wohnungen von Beschuldigten in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz seien durchsucht worden, teilte die Behörde  auf Nachfrage mit.  Ähnliche Razzien hatte die Staatsanwaltschaft Köln in den vergangenen Monaten  auch in den US-Banken JP Morgan, Bank of America (Merrill Lynch) und Morgan Stanley, der britischen Barclays, der schwedischen SEB sowie der Sparkassen-Fondsgesellschaft Dekabank  unternommen. 
          Weil Banken und Fonds sich Dividendenzahlungen mehrfach steuerlich anrechnen ließen,  soll dem Fiskus in den Jahren vor 2012 ein Schaden in zweistelliger Milliardenhöhe entstanden sein. Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln gegen mehr als 1500 Personen. Insofern kommt ihr  Besuch  bei BNP Paribas jetzt  nicht überraschend, auch weil  Verwahrstellen für Wertpapiere  eine zentrale Rolle im Geflecht der Aktiengeschäfte spielten. So könnte  die  inländische Depotbank eines Aktienleerverkäufers  rund um den Dividendenstichtag seit dem Jahressteuergesetz 2007 verpflichtet gewesen sein, Kapitalertragsteuer auf Dividendenkompensationszahlungen vom Leerverkäufer einzubehalten und diese an das  Finanzamt abzuführen. Diese Frage spielte auch in den gerichtlichen Cum-ex-Auseinandersetzungen zwischen der Deutschen Bank und der Bank M.M. Warburg  eine Rolle.  Dabei entschieden die Richter bisher für die Deutsche Bank, die Warburg als Depotbank des Aktienleerverkäufers Icap zur Rechenschaft ziehen wollte.

          Wer die großen Depotbanken sind

          Hanno Mußler
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Nach Daten des  Fondsverbandes BVI ist  BNP Paribas mit Abstand  Deutschlands größte Depotbank  vor   State Street, HSBC Trinkaus und DZ Bank. Insbesondere bei  Spezialfonds ist BNP Paribas stark und auch durch  Zukäufe etwa  des Depotgeschäfts der Commerzbank gewachsen. Nach Daten des BVI verwahrt BNP Paribas für Spezialfonds Wertpapiere im Volumen von 690 Milliarden Euro (Stand Jahresende 2021), der größte Wettbewerber HSBC kommt mit 323 Milliarden Euro nicht einmal auf ein Drittel davon.  
          Seit  2007  wäre eine Depotbank tatsächlich dann verpflichtet, Kapitalertragsteuer auf Dividendenkompensationszahlungen vom Leerverkäufer einzubehalten und diese an das  Finanzamt abzuführen, wenn sie  die im Einkommensteuergesetz als für die Steuerabführung verantwortlich genannte „Verkaufsauftrag ausführende Stelle“ ist. Doch das ist fraglich, wenn die Aktienleerverkäufer wie viele Spezialfonds als Broker selbst Aktienmarktzugang haben. Auch hat  die Deutsche Bank ihre Rolle stets so beschrieben, dass sie als Depotbank lediglich mit ihrer Infrastruktur die Zahlungen und Aktienlieferungen abwickelt. Damit wäre sie eben gerade nicht die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle, die für den Steuereinbehalt hätte sorgen müssen. 


          Um Unklarheiten auszuräumen und die Verantwortung von sich zu weisen, hatten Depotbanken wie BNP Paribas und Deutsche Bank im August 2008 in Rundschreiben ihre Kunden auch explizit darauf hingewiesen, dass sie keine Steuern auf Dividendenkompensationszahlungen für Leerverkäufer abführen. Das hat aber die Staatsanwaltschaft offenkundig nicht daran gehindert, 2017 ein Ermittlungsverfahren gegen BNP Paribas zu eröffnen.

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