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Ökonom Karsten Junius : „Geldpolitik der EZB ist politisch am Limit“

Hauptsitz der Schweizer Privatbank Sarasin in Basel Bild: dpa

Der Chefvolkswirt der Bank J. Safra Sarasin hält die expansive Geldpolitik für ökonomisch gerechtfertigt, weist aber auf die sinkende Akzeptanz dieser Maßnahmen hin und setzt seine Hoffnung in die neue EZB-Präsidentin.

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          „Das wird sicher viele wundern“, sagt Karsten Junius zu der Entscheidung des Bundespräsidenten, den scheidenen EZB-Präsidenten Mario Draghi mit dem Bundesverdienstkreuz auszeichnen zu wollen – ohne sich so ganz genau festzulegen, ob er selbst es für angemessen hält.

          Christian Siedenbiedel
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Der Chefökonom der Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin, der sich viel mit der EZB-Geldpolitik beschäftigt, sprach am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahresausblicks der Bank davon, die expansive Geldpolitik der Notenbank in Europa sei zwar „ökonomisch gerechtfertig“, aber „politisch am Limit“. Er könne die Notwendigkeit negativer Einlagenzinsen zwar nachvollziehen, sagte Junius – die politische Akzeptanz von Negativzinsen nehme aber immer weiter ab und lasse die Notenbank auf diese Weise an Grenzen stoßen.

          Zu den Anleihekäufen der Notenbank sagte der Ökonom, hier sei er skeptisch: Dieses Instrument könne für Notsituationen geeignet sein, man solle es aber darauf begrenzen, und nicht als normales Instrument der Geldpolitik etablieren. Sonst könnte die Grenze zur monetären Staatsfinanzierung überschritten sein. Wenn die Mitarbeiter der Schweizer Bank derzeit mit Anlegern aus Südeuropa sprächen, dann schilderten diese bisweilen den Eindruck, die Anleihen der südeuropäischen Staaten seien ihnen jetzt von der EZB „abgenommen“ worden und diese Papiere könne man jetzt von der Staatsschuld „abziehen“. Eine solche Entwicklung nannte Junius „gefährlich“.

          Rolle als Prügelknabe

          Große Hoffnungen setzt der Ökonom nach eigenen Angaben auf den Wechsel an der EZB-Spitze von Mario Draghi auf Christine Lagarde. Die Geldpolitik müsse „besser erklärt werden“, meinte Junius. Er sehe die Gefahr, dass hierzulande die Notenbank eine ähnliche Rolle als „Prügelknabe“ bekomme wie die EU und Brüssel in Großbritannien, was dort letztlich zur Brexit-Entscheidung geführt habe. Lagarde müsse es gelingen, eine Unterstützung für die Geldpolitik in der Bevölkerung zurückzugewinnen. Zum Vergleich: Zwar könne ein Staat zur Bekämpfung eines übertriebenen Zucker-Konsums eine hohe Zuckersteuer einführen – besser aber sei es, die Bevölkerung für die gesundheitlichen Argumente zu gewinnen.

          Für die Wirtschaftsentwicklung in diesem Jahr ist die Bank zuversichtlich. Für den Dax rechnet sie zum Jahresende mit 14250 Punkten und für Ende 2021 mit 15000 Punkten. Für die anstehende Wahl in Amerika hat die Bank eigens einige Aktientipps je nach Wahlausgang rausgesucht: Als „Demokraten-Portfolio“ bezeichnet sie Titel etwa aus der Bauwirtschaft, den regenerativen Energien und des Gesundheitssektors, die im Falle eines demokratischen Wahlsiegs zulegen könnten, darunter Vulcan, Jacobs, Welltower, HCA Healthcare, First Solar und Dollar General.

          Zum „Republikaner-Portfolio“ dagegen gehörten unter anderem Banken, aber auch Ölkonzerne und Pharmaunternehmen – beispielsweise Dow, Morgan Stanley, Baker Hughes, Pfizer, AT&T und Exxon Mobil.

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