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Wandel der Stromfresser : Krypto geht auch klimafreundlich

Computer: die Notenpressen des Digitalzeitalters Bild: Getty

Bitcoin-Farmen braucht so viel Strom wie ganze Länder. Jetzt zeigt die Konkurrenz, wie es besser geht.

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          Fans von Kryptowährungen fiebern auf Mitte September zu. Das größte Ereignis des Jahres steht an, manche sprechen sogar vom bedeutsamsten Moment in der Geschichte von Kryptowährungen: die Reform der Blockchain von Ethe­reum.

          Sarah Huemer
          Redakteurin im Ressort „Wert“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Das klingt erst mal kompliziert, sehr technisch und wie ein Nischenthema für Computernerds. Doch diese Änderung wirkt weit, sogar über die Kryptowelt hinaus. Denn sie führt dazu, dass Ethe­reum deutlich weniger Energie verbraucht, was gut für die Umwelt ist. Und das könnte auch andere Kryptowährungen wie etwa den Bitcoin unter Druck setzen.

          Klimasünder Kryptowährungen

          Denn Kryptowährungen stehen häufig als Klimasünder am Pranger. Derzeit frisst Ethereum jährlich annähernd so viel Strom wie das südamerikanische Land Chile. Mit dem Strom, den eine einzige Transaktion über Ethereum benötigt, könnte man fast sieben Tage lang einen durchschnittlichen Haushalt versorgen, zeigen die Daten des Blogs Digiconomist. Das soll nun fast alles wegfallen. Die Entwickler versprechen eine Reduktion von 99 Prozent.

          Schon seit vielen Jahren ist geplant, den Mechanismus zu ändern. Doch der Termin wurde mehrmals verschoben. Ziehen die Entwickler diese Reform nun endlich durch? Wenn ja, wird sie funktionieren? Kryptofans beobachten die Lage gespannt.

          Ursprünglich entwickelt wurde Ethe­reum im Jahr 2013 von einer Gruppe von Programmierern. Als Kopf des Teams gilt der russisch-kanadische Vitalik Buterin. Experten vergleichen Ethereum oft mit einer Plattform, die für verschiedenste Anwendungen taugt, zum Beispiel für digitale Kunst oder für das Metaversum. Das ist eine Parallelwelt im Internet, ähnlich wie in einem Videospiel. Vor allem Techkonzerne wie Mark Zuckerbergs Meta, ehemals Facebook, wollen diese digitale Welt ausbauen.

          „Die Bedeutung von Ethereum könnte langfristig noch viel größer werden, als der heutige Marktwert andeutet“, sagt Hartmut Giesen, Kryptoexperte bei der Sutor Bank. Die Währung dieses Systems nennt sich Ether. Insgesamt ist die Kryptowährung derzeit rund 200 Milliarden Dollar wert. Zum Vergleich: Bitcoin kommt auf rund 400 Milliarden Dollar.

          Ether

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          Derzeit kostet ein Ether knapp 1700 Dollar, zum Höchststand im November 2021 waren es etwa 4900 Dollar. Kryptowährungen sind bekannt dafür, dass sie stark schwanken, und gelten deshalb als eine sehr spekulative Investition. Seit sich die Reform nähert, ist der Kurs wieder gestiegen. Die Daten des Vermögensverwalters Coinshares zeigen, dass in den vergangenen Wochen rund 160 Millionen Dollar in Ether geflossen sind. Bei Bitcoin hingegen haben Investoren ihr Geld sogar rausgezogen.

          Ein neuer Mechanismus soll her

          Um zu verstehen, inwiefern Kryptowährungen der Umwelt schaden und was sich bei Ethereum nun ändert, muss man ganz grob die Technik dahinter kennen. Der Mechanismus, um Kryptowährungen zu überweisen, spielt dabei eine wichtige Rolle. Vereinfacht gesagt stellt sich bei einer Transaktion die Frage, wer diese überprüft.

          Denn in der Kryptowelt gibt es keine zentrale Instanz wie etwa eine Bank, die sich alles genau anguckt. Die Nutzer machen das lieber untereinander aus. Deshalb sagt man auch, dass Kryptowährungen dezentral sind. Notiert werden alle Überweisungen in der Blockchain. Die funktioniert wie ein digitales Notizbuch, auf das alle Nutzer Zugriff haben.

          Die Aufgabe, Transaktionen zu überprüfen, ist durchaus lukrativ. Denn das System ist so ausgelegt, dass bei diesem Prozess neue Münzen entstehen. Mining oder auch Schürfen heißt das deshalb in der Kryptosprache. Die Menschen, die dahinterstecken, nennen sich Miner. Und die bekommen für jede Überweisung ein bisschen was von der Kryptowährung als Belohnung.

          Doch wer darf die Transaktionen bestätigen? Genau dieses Auswahlverfahren soll sich nun ändern. Beim alten Mechanismus, dem Proof-of-Work, entscheidet ein Wettbewerb. Computer müssen dabei mathematische Rätsel lösen. Wer die Aufgaben am schnellsten schafft, gewinnt. Je höher also die Rechnerleistung ist, desto größer sind auch die Gewinnchancen. Daher stammt auch der hohe Energieverbrauch, schließlich eifern bei diesem Mechanismus viele Miner aus der ganzen Welt um die Wette.

          Auch der Kurs der Kryptowährung spielt dabei eine Rolle: Liegt er hoch, steigt der Anreiz, sich am Schürfen zu beteiligen. Der Stromverbrauch legt zu. Umgekehrt fällt er, wenn auch der Bit­coin an Wert verliert. So hat der jüngste Kursrutsch dazu geführt, dass zumindest ein bisschen weniger Emissionen verursacht wurden.

          Hoher Energieverbrauch beim Mining: Je höher die Rechenleistung ist, desto höher sind auch die Gewinnchancen.
          Hoher Energieverbrauch beim Mining: Je höher die Rechenleistung ist, desto höher sind auch die Gewinnchancen. : Bild: Picture Alliance

          Die neue Variante funktioniert anders. Da werden die Aufträge per Zufallsprinzip an einzelne Nutzer vergeben. Teilnehmen an der Lotterie kann jeder, der Ether besitzt. Je mehr Ether man hat, desto höher ist in diesem System auch die Wahrscheinlichkeit, dass man die Aufgabe übertragen bekommt. 32 Ether braucht es aber mindestens.

          Doch so viel hat natürlich nicht jeder. Wer nur eine kleine Menge an Ether besitzt, kann diese an andere Lotterieteilnehmer verleihen und bekommt dafür Zinsen. So müssen also nicht viele Computer in einem Wettkampf rechnen, sondern die Aufgabe wird einfach verteilt. Deshalb braucht dieser Mechanismus viel weniger Strom und verursacht kaum Emissionen.

          Weniger Elektroschrott

          Dieses neue System bedeutet auch, dass Miner bei dieser Variante keine teure Ausstattung wie etwa Rechner mit enormer Leistung oder Grafikkarten mehr brauchen. Ein einfacher Computer reicht aus. Dadurch reduziert sich auch ein zweites Umweltproblem, das Kryptowährungen verursachen: Elek­troschrott.

          In einer Studie haben die Wissenschaftler Alex de Vries und Christian Stoll berechnet, wie viel Müll dadurch entsteht. In ihrer Forschung haben sie sich auf den Bitcoin konzentriert. Bei Ethereum sei die technische Ausstattung zwar ein bisschen anders, es entstehe dennoch ähnlich viel Elektroschrott wie bei Bitcoin, sagt Alex de Vries. Der Niederländer betreibt den Blog Digiconomist und schätzt dort die Klimaschäden von Kryptowährungen. Die Studie zeigt, dass mehrere Zehntausend Tonnen Schrott pro Jahr durch das Minen anfallen. Für die Umwelt ist Elektromüll, sofern nicht richtig entsorgt, problematisch. Giftige Chemikalien oder Schwermetalle können dann in die Böden, die Luft oder ins Grundwasser dringen.

          Ein kleines Zwischenfazit zeigt somit: Durch die Reform bei Ethereum können zumindest bei der zweitgrößten Kryptowährung viele umweltschädliche Faktoren reduziert werden. Der Energieverbrauch sinkt deutlich, und es braucht weniger Ausrüstung. Kurzfristig wird zwar etwas mehr Elektroschrott anfallen, wenn nun die Miner ihre alten Grafikkarten wegwerfen. Sie brauchen sie schließlich nicht mehr. Langfristig sollte der Elektroschrott bei Ethereum aber weniger werden.

          Das alles bedingt natürlich, dass die Reform klappt. Die Gemeinschaft zeigt sich in den vergangenen Tagen zuversichtlich. Anleger selbst sollten davon nichts mitbekommen, das laufe alles im Hintergrund ab, sagt Sören Hettler, Kryptoexperte bei der DZ Bank. „Wenn es die Anleger merken, dann dürfte etwas schiefgelaufen sein.“

          Und was ist mit Bitcoin?

          Doch nicht nur Kryptofans, auch Regulatoren beobachten den Prozess genau. Denn wenn die zweitgrößte Kryptowährung so eine Umstellung schafft, warum dann nicht auch die größte? Warum sollte der Bitcoin weiterhin so viele Emissionen verursachen, wenn es auch anders ginge?

          Anfang des Jahres schrie die Kryptogemeinschaft laut auf, als das Europäische Parlament das System von Proof-of-Work verbieten wollte. Das Parlament arbeitete zu diesem Zeitpunkt an einer neuen Regulierung für Kryptowährung und erwog, diesen umweltschädlichen Mechanismus ganz zu untersagen. Das ist dann nicht passiert.

          So ganz scheint das Thema aber nicht abgeräumt zu sein. So fordern etwa Greenpeace und die amerikanische Environmental Working Group in der Initiative „Change the Code, not the Climate“, dass Bitcoin seine Emissionen reduzieren und seinen Code ändern soll. Und sogar einer, der eigentlich als großer Fan von Bitcoin gilt, übt Druck aus: Elon Musk. Der Tesla-Chef kritisiert, wie klimaschädlich Bitcoin sei.

          Theoretisch wäre es möglich, dass auch Bitcoin umstellt. In der Realität wird das schon etwas schwieriger. Viele Bitcoin-Anhänger pochen darauf, dass alles so bleibt, wie es ist. Das Original soll sich nicht ändern. Eingeschworene Fans kümmert das Umweltproblem nur wenig. Sie sind überzeugt, dass die Kryptowährung die Welt maßgeblich verändert. Da dürfe sie schon viel Energie verbrauchen.

          Belastung für Stromnetze

          Oft entgegnen sie der Kritik auch, dass für das Schürfen bereits viel erneuerbare oder überschüssige Energie verwendet werde. In einer weiteren Studie widerlegt der Wissenschaftler Alex de Vries dieses Argument. Seine Ergebnisse zeigen, dass der Anteil an erneuerbaren Energien bei maximal 25 Prozent liegt.

          Ein großer Teil von Bitcoin wird in Ländern wie Kasachstan, den Vereinigten Staaten von Amerika oder Iran geschürft. In Schwellenländern ist dieser energieintensive Prozess nicht nur für die Umwelt ein Problem: Die Stromversorgung ist in manchen Regionen ohnehin brüchig. Das Schürfen strapaziert das Netz zusätzlich, treibt die Energiepreise dort, manchmal kommt es sogar zu Ausfällen, und die Menschen müssen ohne Energieversorgung auskommen.

          Von innen heraus ist wohl keine Änderung bei Bitcoin zu erwarten. Während Ethereum in der Kryptowelt oft eher als progressives System, das sich weiterentwickelt, gesehen wird, so gilt der Bitcoin als konservative Seite.

          Neben Regulierungen könnte aber noch ein weiterer Faktor den Bitcoin in Bedrängnis bringen: der Markt. Ethe­reum könnte durch die Umstellung bei Investoren deutlich beliebter werden – vor allem bei jenen, denen Klimaschutz wichtig ist. „Wenn Ethereum die Nutzer überzeugt und sich als dominante Kryptowährung an den Märkten durchsetzt, könnte das Bitcoin zu einer Änderung zwingen“, sagt Mauricio Vargas, Finanzexperte bei Greenpeace. Doch das könnte noch ein langer Weg sein.

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