Folgen der Corona-Krise : Im Notfall nimmt die Aufsicht Lebensversicherer aus dem Markt
- -Aktualisiert am
Auch für einige Lebensversicherer stellt die Corona-Pandemie eine große Herausforderung dar. (Symbolfoto) Bild: dpa
Manche Anbieter leiden sehr unter der Pandemie. Noch sei die Situation der Versicherer zwar robust, dennoch spricht die Bafin eine Warnung aus.
Die Lage der deutschen Versicherer ist robust. Diese Botschaft verbreitet der Exekutivdirektor der Finanzaufsicht Bafin, Frank Grund, in einem Interview mit der „Börsen-Zeitung“.

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.
Doch auf mittelfristige Sicht könnten auf einige Anbieter starke Einschränkungen zukommen. Denn durch die Corona-Pandemie habe sich für einige Lebensversicherer die Aussicht verschlechtert, bis zum Jahr 2032 ohne die Übergangsmaßnahmen bei den Eigenmittelanforderungen nach dem Aufsichtsrecht Solvency II auszukommen.
„Dies könnte dazu führen, dass der Versicherer in letzter Konsequenz kein Neugeschäft mehr schreiben darf“, sagte Grund. „Das wäre schon ein schwerwiegender Eingriff.“
Seit dem 1. Januar 2016 gelten diese neuen Kapitalanforderungen, die sich seither nach den eingegangenen Risiken statt nach dem Geschäftsvolumen bemessen. Unter anderem wegen der Besonderheiten des deutschen Garantiemodells in der Lebensversicherung wurden großzügige Übergangsfristen eingeführt.
Das sollte diesen Anbietern weiterhin den Geschäftsbetrieb ermöglichen. Sie müssten der Bafin aber darlegen, dass sie auch weiterhin mehr als 100 Prozent der geforderten Eigenmittel aufbringen, wenn die Fristen nach 16 Jahren auslaufen.
„Intensivierte Aufsicht“
„Ich rechne damit, dass auch wegen Corona die Zahl der Lebensversicherer unter intensivierter Aufsicht steigen wird“, sagte Grund. Erstmals habe die Behörde Prognoserechnungen für die kommenden eineinhalb Jahrzehnte erstellt.
Von den 80 Lebensversicherern am deutschen Markt werde es nicht allen gelingen, auch im kommenden Jahrzehnt Solvency-II-konform zu wirtschaften. „Ich glaube, dass es für den einen oder anderen Lebensversicherer schwierig wird, nach dem Auslaufen der Übergangsmaßnahmen 2032 die Kapitalanforderungen zu erfüllen“, sagte Grund.
Ein weniger gravierendes Problem seien inzwischen die Garantieverpflichtungen aus bestehenden Verträgen. Diese hatte die Bafin durch eine vor zehn Jahren eingeführte Zinszusatzreserve so stark abgesichert, dass genügend Mittel für alte Verträge etwa mit einem jährlichen Zinsversprechen von 4 oder von 3,25 Prozent vorhanden sind.
Nach Abgang von Hufeld
Das haben allerdings Kunden mit einem neueren Vertrag zu spüren bekommen, die nicht in dem Ausmaß wie früher von der Überschussbeteiligung aus dem Versichertenkollektiv profitieren konnten. Wie stark die Versicherer noch durch die Pandemie belastet werden, hänge auch davon ab, wie stark die Realwirtschaft unter den Folgen leidet.
„Im Moment machen wir uns keine zu großen Sorgen, aber betrachten schon sorgfältig die Risiken“, sagte Grund. Im vergangenen und in diesem Jahr werde die Zuführung in die Zinszusatzreserve jeweils bei rund 10,4 Milliarden Euro in der Branche liegen, im kommenden Jahr könnten 9 Milliarden Euro hinzukommen, danach werde die Zuführung wieder sinken.
Die Bafin prüfe derzeit, ob bei den Unternehmen in intensivierter Aufsicht die Pläne aufgingen. „Im Moment würde ich sagen, bei dem überwiegenden Teil der betroffenen Unternehmen ist die Lage beherrschbar, bei dem einen oder anderen muss man aber tiefer nachbohren. Und das tun wir“, sagte er.
Für die Zeit nach dem Abgang von Behördenchef Felix Hufeld sieht Grund die Bafin gewappnet, weil die politischen Wünsche der aktuellen Philosophie entsprächen. „Insofern spüren wir Rückenwind und Ansporn, wenn das Projekt der Bafin jetzt lautet ,Mehr Biss für die Finanzaufsicht‘“, sagte er.