Börsenwoche : Bullen im Galopp
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Symbol für die Hausse: der Bulle vor der Frankfurter Börse Bild: Maria Klenner
Viele Analysten warnen, dass die Gewinnprognosen der Unternehmen für 2023 angesichts hoher Inflation und wahrscheinlicher Rezession zu hoch seien. Aber an der Börse verfangen erstmals seit Langem wieder positive Nachrichten.
Am Aktienmarkt gewinnt in einem bisher schlechten Börsenjahr der Umschwung an Kontur. Auch in der sechsten Woche hintereinander ging es für den F.A.Z.-Aktienindex aufwärts. Viele Analysten nennen gute Gründe, dass der Aufschwung nicht von Dauer sei. Doch die steigenden Kurse sprechen eine andere Sprache. Was Ende September wie ein schwacher Halt auf unsicherem Grund wirkte, hat sich für die Bullen als überaus trittfestes Geläuf erwiesen. Es spricht nun viel dafür, dass der Dax mit 11.975 Punkten sein Jahrestief markiert hat. Am Freitag kletterte dieser Index bis auf 14.260 Punkte, ein sattes Sechs-Wochen-Plus von 19 Prozent. Der Dax schloss am Freitag mit 14.225 Punkten, ein Tagesplus von 0,6 Prozent und ein Wochenplus von sechs Prozent.
Angeführt wird die rasante Rallye von Aktien, die zuvor besonders tief gefallen waren: der Modehändler Zalando etwa, der um seinen Platz im Dax kämpfen muss, der Essensbringdienst Delivery Hero, der seinen schon verloren hat, ebenso wie der Industriekonzern Thyssenkrupp, von dem Anleger nächste Woche erfahren, ob er vielleicht mal wieder Dividende zahlt. Auch das Geschäftsjahr von Siemens ist am 30. September zu Ende gegangen. Am kommenden Donnerstag wird der Vorstand wohl über gestiegene Einkaufspreise berichten, die sich nur teilweise überwälzen lassen. Viele Beobachter warnen daher, dass die Gewinnprognosen vieler Unternehmen für 2023 angesichts hoher Inflation und wahrscheinlicher Rezession noch gekürzt werden.
Doch positive Nachrichten verfangen am Aktienmarkt wieder: Die Gasspeicher sind voll, China lockert seine Covid-Regeln. Und die Inflationsrate in den USA ist zum vierten Mal gesunken. Deshalb könnte die US-Notenbank ihren Leitzins im Dezember zur Inflationsbekämpfung nur um 0,5 Prozentpunkte erhöhen und damit die Wirtschaft nicht zu stark belasten. Der Dax reagierte auf die US-Inflationsrate mit einem gewaltigen Satz um drei Prozent nach oben in weniger als zehn Minuten.
Offenbar hatten viele Anleger am Terminmarkt nach fünf Wochen Aufschwung auf wieder fallende Kurse gesetzt. Sie wurden auf dem falschen Fuß erwischt, müssen nun schnell Aktien kaufen, um ihre Lieferverpflichtungen zu erfüllen, und treiben so die Kurse weiter in die Höhe. Nur Unternehmen wie Deutsche Telekom und Commerzbank, deren Aktien bisher zu den wenigen Gewinnern in diesem Jahr gehören, lösten mit ihren immerhin leicht höheren Dividenden- und Ertragsausblicken Kursverluste aus. Von ihnen hatten die Anleger noch aggressivere Prognosen erwartet. Gerade bei zuvor tief gefallenen Unternehmen dagegen gehen die bisher so müden Bullen nun vom Zuckeltrab schon in den gestreckten Galopp über. Wenn es läuft, dann läuft’s.